Ludwigslust, Mittwoch den 3. Oktober 1810

An Karl

— Es ist heute wieder ein militärisches Fest, Revue, Frühstück, großes Diner, da die Truppen morgen nach Schwerin abgehen. Alles ist eingeladen, doch haben wir uns entschuldigt, da mir dieser Spektakel nicht angenehm ist. — Unsre Prinzess grüßt Dich aufs beste. Das nächstemal sollst Du einen neuen Brief von ihr haben. Sie konnte noch nicht zu mir kommen, aber ich sah sie gestern, wo sie überaus liebenswürdig war. Die Kinder stehen ihr sehr gut, besonders die kleine Prinzess (Marie), die nur ganz in der Mutter lebt, so dass sie gleich betrübt aussieht, wenn sie von einer andern Mutter sprechen hört und dass diese nicht die rechte sein soll. Es ist ein gescheites Kind, so groß und stark, dass man sie wenigstens für 10 Jahre hält, obgleich sie erst 7 ist; sie ist so groß als ihr Bruder, der schwächlich aussieht. Anfangs schien sie mir etwas zu wild und lärmend, es hat sich aber um vieles schon gegeben, da sie nur immer erraten will, was der Mutter angenehm sein könnte. Ihre Liebe hat sich sogar bis auf mich erstreckt, und wenn sie mich kommen steht, läuft sie mir weit entgegen. Die Fräulein von Mecklenburg, die bei ihr ist, behandelt sie auch sehr vernünftig. Es ist eine feine Person, die mich mit der offensten Freundschaft behandelt und für unsre Prinzess die zärtlichste Liebe und Verehrung hat. Was mir hier wohl tut, ist, dass ich gar keine Spur von dem kleinen Neid und Jalousie finde, der mich in Weimar oft inkommodiert hat. Die Leute sehen vielmehr vergnügt aus, wenn die Prinzess freundlich und oft sogar zärtlich gegen mich ist — und der Erbprinz muss sich's auch gefallen lassen. — Es freut mich, dass Dir die Bekanntschaft der Regierungsrätin Voigt nicht unangenehm war. Sie weiß viel und hat gutes Gedächtnis nur der kirmsische*) Witz schadet ihr bisweilen, und gibt dem Gefühl eine Kälte und Abgestumpftheit. —


*) Franz Kirms war Hofkammerrat und Mitglied der Theaterkommission.