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Ich sage: An meinen alten Bauern hab ich gedacht. – Warum an deinen Bauern? – Ja, als ich da so durchging durch den langen Gang in der Elektrischen, das war akkrat so, als wenn Hannjürn Timmermann über die große Diele ging. Bloß, der Wagen war schmaler. Da standen die Kühe auf beiden Seiten der Diele und kauten und klappten mit dem Maul immer auf und zu. Ja, akkrat so war das hier auch.

Na, sagt Wieschen, dann wollen wir uns man freuen, daß du wieder da bist, und ich will dir man noch eine Tasse Kaffee einschenken, wo dir vom vielen Erzählen doch der Mund trocken geworden ist. – Ja, sage ich, das tu denn man. Doch schenke dir auch noch eine ein. Dann tut es mir auch besser schmecken. Die letzten Strümpfe können bis morgen warten. – So freuten wir uns zusammen, daß wir auf der Farm wohnten und nicht in der Stadt.


Szüh, dat heff ick all’s in Chicago belewt, as ick Deinstmätens meiden wull.

Wieschen liegt im Schaukelstuhl und kuckt in die Luft. Der Schaukelstuhl, das ist so eine Leidenschaft bei den Frauen hierzulande. Das ist, als wenn wir zu Hause als Jungs Wippwapp spielten. Er muß hier in jedem Hause sein. Wieschen hat das hier auch schon gelernt. Wir werden in Amerika zuletzt auch alt und müde. Ich fange an, einen griesen Bart zu kriegen, und meine Müller wollen nicht mehr so recht mahlen. Sie werden wackelig und fallen aus. Ich kann die Krusten nicht mehr so recht beißen. Aber lesen kann ich noch ganz gut ohne Brille. Dabei brauche ich noch keinen langen Arm zu machen. Schreiben kann ich auch noch bannig fix. Wir müssen das Arbeiten nach diesem doch langsamer angehen lassen. Es ging all die Jahre ein bißchen forsch auf die Knochen los, und man bloß im Winter sind wir auf kurze Zeit zur Besinnung gekommen. – Jetzt kommt Besuch. Die Bell hat gerungen (engl. Rung = geläutet). Jetzt springt Wieschen auf. Jetzt ist sie nicht mehr alt und müde. Un ick legg de Fedder ok dal; nahsten schriew ick wieder. Dat is uns’ Nahwer, un ick weit all, wat hei will. Ick sall sin Kalwer de Hürn afsagen.

Ein amerikanischer Farmer muß alles können und alles sein: Zimmermann, Tischler, Stellmacher, Schmied, Maurer, auch mal Schuster. Er muß auch seine Maschinen handzuhaben wissen. Ich hab mir ein paar kleine Werkstätten eingerichtet. Auch eine Maschine zum Eisenbohren mußte ich mir besorgen und viele Bolzen. Sonst muß man immer im Town liegen, und dabei kommt nichts raus als bloß das Geld aus der Tasche. Wir machen uns alles selbst, was wir brauchen. Wir machen uns frei vom Town, soweit es geht. Man vertrödelt dort sonst auch zu viel Zeit. – Wir haben uns hier jetzt einen Brunnen machen lassen, 250 Fuß, und eine Windmühle darauf, die Wasser pumpt. Das war zu Anfang auch die umgekehrte Welt in meinen Augen. Ich dachte: Woans soll das wohl angehen, daß eine Windmühle Wasser mahlt? Aber das lernt sich hier alles viel leichter als in der alten Heimat, und wir sind fix dahinter her, daß wir lernen.

Eine große Farm mit voller Wirtschaft, daß alles flott vorwärtsgeht, da gehört vieles zu. Ich hab eine Kornmähmaschine, eine Grasmähmaschine, eine Heuharke für zwei Pferde, einen Heuauflader, den siehst du auf dem Bild, das ich mitschicke. Das hat Heinrich aufgenommen, als er in den Ferien mit seinem Abnehmerdings hier war. Eine Scheibenegge, eine gewöhnliche Egge, Pflüge und Schaufelpflüge, das Korn zu bearbeiten, eine Säemaschine. Natürlich auch was zum Heuabladen und zum Dungaufladen. Ein neuer Kornpflanzer soll noch kommen. Der Kaufmann hatte keinen mehr, aber er hat ihn geordert. Wenn ich Korn sage, das meint immer Mais; das meint nicht Roggen wie bei euch. Das ist so eine Gewohnheit in Land Amerika. Man bloß hölzerne Handharken wie drüben haben wir hier nicht. Was man nicht mit der Forke fassen kann oder mit der großen Harke, die von Pferden gezogen wird, das bleibt liegen. Das ist hier anders als bei euch. Ihr müßt alle Halme und alle Ähren und jeden kleinen Loppen (Büschel) Heu treu zusammenharken. Das ist, weil ihr in Deutschland so dicht auf einem Dutt wohnt und wenig Land habt. Wenn es hier soweit ist, dann werden die kleinen Handharken auch wohl noch aufkommen. Es ist auch schade um jede Ähre, die verlorengeht, denn Gottes Segen liegt darauf. Aber uns fehlt die Zeit und die Mannschaften zum Nachharken. So bleibt es liegen.

Lieber Freund, ich kann dir mitteilen, mit dem Nachharken auf dem Felde ist das ähnlich so beschaffen wie bei den Alten, wenn sie ihr Leben noch mal nachdenken. Solange der Mensch jung ist, ist das anders. Da macht er lange Schritte. Da geht er hin. Da kümmert er sich nicht um das, was hinter ihm liegenbleibt. Er hat keine Zeit dazu. Aber wenn er alt wird, dann geht er in Gedanken sein Leben noch einmal durch und zweimal und oft. Da sammelt er dies auf und das. Es ist eine Arbeit, bei der er sich gut besinnen kann, wie er sein Leben gemacht hat. Siehe, ein alter Mensch geht mit der Harke den Weg seines Lebens gern noch mal lang. Meist findet er bloß noch Stoppeln; da ist nichts mehr zu machen. Er kann nicht noch mal von vorn anfangen mit Pflügen, Säen und Ernten. Aber dann und wann sind noch ein paar Ähren liegengeblieben, die er vergessen hat. Die sammelt er auf, wenn er in die Jahre kommt, und er tut das gern.

Meine Farm hält 320 Acker. Das nennt man hier eine große Farm. Eine mittlere rechnet 80-160 Acker. Eine solche zu 160 neben der großen gehört mir auch; aber ich hab ein paar Häuser daraufgesetzt und sie verrennt, das meint verpachtet. Die Wirtschaft wurde mir sonst zu weitschichtig. Das macht man hier meist so, wenn der Platz über 320 Acker hinausgeht. Für gewöhnlich rechnet man 160 Acker als eine Farm, weil die Regierung das von Anfang an als eine Heimstätte an die Ansiedler abgab. Sie hat alles Land in Quadratmeilen abmessen lassen, und ein öffentlicher Weg, eine Road, geht ringsherum. So kommen auf jede Quadratmeile vier Farmen zu 160 Acker. Was eine kleine Farm ist, die rechnet so ungefähr bis 80 Acker. Was ein Acker ist, das mußt du auch wissen. Das sind 160 Quadratruten mecklenburgisch Maß. Einen Morgen kennst du, das sind 120 Ruten. Darum ist ein Morgen dreiviertel Acker. So weißt du, wie groß ein Acker ist. Eine große Farm gibt über 50.000 Ruten. Das sind zwei Bauerstellen, wie unser Dorf sie hat.

Lieber Freund, du siehst, das ist wirklich wahr geworden, was der Tagelöhnerjung im Hornkatener Sand von den beiden Herden träumte, als er auszog in ein fremdes Land. Wir haben alles plenty: plenty Land und plenty Vieh. Aber es kostete auch plenty Schweiß.

Ob man hier mehr Kühe hält oder mehr Schweine, das kommt ganz auf den Boden an und auf die Arbeitskräfte. Da hab ich einen guten Kauf getan. Mein Land ist so beschaffen, daß ich beides halten kann, Kühe und Schweine. Vor zuviel Kornbau muß man sich hier hüten. Das gibt gute Schweine, macht auf die Dauer den Boden aber mager. In einer großen Wirtschaft ist vieles zu bedenken. Ich kann nicht dies Jahr einen Plan auf Schweinezucht machen und im nächsten einen auf Milchwirtschaft. Ist ein Plan festgestellt, dann braucht er Jahre zum Abwickeln. Das Ansetzen und Aufziehen von Jungvieh, die Erträge aus dem Vieh, das alles rechnet mit einer Reihe von Jahren. In der Farmwirtschaft ist das nun mal so, daß man Schlagordnung halten muß. Aber bis der Plan nach dem Überschlag abläuft, können sich die Marktpreise schon siebenmal verschoben haben, und man wirtschaftet jahrelang mit Schaden. Das ist mir auch schon so gegangen, und ich schmiß Jahr für Jahr mit meinen Dollars hinter meinen Kühen und Schweinen her. Dann sprach ich zu mir: Der liebe Gott hat den Menschen den Kopf nicht dazu gegeben, daß sie ihn hängen lassen, und die Arme nicht, daß sie am Leibe dalsacken. Das ist gegen Gottes Weltordnung und ist auch keine richtige Schlagordnung. Du mußt ihn wieder hochnehmen und wahrschauen und die Arme brauchen. Dein Pflug ist man bloß an einen Stubben oder Stein gestoßen. Du mußt ihn rumwerfen, Jürnjakob, daß du weiter deine grade Furche ziehst. – Wenn ich mir so mit freundlichen Wörtern zugesprochen hatte, dann ging es weiter mit der Arbeit, und es kamen auch immer bessere Zeiten. Nur bloß nicht den Kopf hängen lassen! Dann ist man hier verloren. Hier noch zehnmal mehr als bei euch.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Jürnjakob Swehn der Amerikafahrer