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In der Aust haben wir auch oft Studenten zur Hilfe, auch Söhne von Professoren und Pastoren. Da ist Amerika wieder ein anderes Land als Mecklenburg. Sie kommen vom College. Sie haben dann Ferien. Sie gehen auf die Farm. Sie arbeiten nicht so lange den Tag über. Sie kriegen auch weniger. Aber wenn sie fertig sind, dann haben sie doch ihre neunzig bis hundert Dollars in der Tasche, und das kommt ihnen gut zu paß bei der Winterarbeit in den Büchern. Von der Arbeit werden sie auch nicht dümmer. Land und Leute sehen auf der Farm doch anders aus als in den Studierbüchern. Da ist das Papier den Augen im Wege. So ein paar Wochen mitarbeiten, bloß in Hemd und Bücks, das ist ganz anders als so auf den Abend eine Stunde zu Besuch im schwarzen Rock und zu sagen: Mein lieber Bruder, meine teure Schwester, wo geht euch das? – Nun lernen sie, wieviel Schweiß am Brot klebt. Zuerst wird ihnen das sauer, und sie seufzen mächtig. Dann können sie abends vor Wehtage nicht einschlafen. Dann klappen sie manchmal zusammen. Dann muß Wieschen den Doktor machen. Wenn sie aber erst eine ordentliche Dreckschicht angesetzt haben, dann gibt sich das, und zuletzt geht es ganz läufig.

Andre Studenten gehen in den Ferien kolportieren. Mit Büchern und Bildern tun sie das. Das ist leichter, bringt aber auch weniger und ist nicht so sicher. Doch hab ich einen gekannt, der verstand es, Bücher anzubringen. Das ging ihm vom Munde wie beim Wassermüller in nassen Jahren das Wasser. Der machte viel Geld. Einmal kriegte er in seinen Ferien für sich bei vierhundert Dollars zusammen.


Mit der Sense mähen wir hier nur im kleinen. Unsre Sensen sind nicht so gut wie eure. Sie brechen zu leicht aus. Gute Sensen aus Schmiedeeisen lassen wir uns manchmal aus Deutschland schicken. Die tun was her. Das macht Amerika euch nicht nach. Man bloß, auf unsern großen Farmen kommen wir damit nicht aus. Woher sollen wir wohl all die Arme nehmen! –

Mit Dienstmädchen haben wir hier allerhand Versuche gemacht. Aber es ist nicht viel dabei rausgekommen, und Freude haben wir nicht daran erlebt. Erst ließen wir uns ein paar von den Polen schicken. Im Sommer trugen sie gar kein Hemd. Wieschen hat sie ausgefragt und sie sich genauer besehen. Im Herbst ziehen sie eins an, das ist dicker als unsres. Das tragen sie den ganzen Winter durch. Im Frühjahr ziehen sie es aus und werfen es weg, was dann noch davon übrig ist: mit allem, was darin rumhüppt. Es früher ausziehen als im Frühjahr und wechseln, das ist ihnen beinah wie Sünde und ganz unsinnig zu denken. Wenn Wieschen ihnen davon sagte, dann machten sie große, runde Augen, als wäre es gar keine Menschenmöglichkeit, so was auszudenken. Gott, was haben deine Eulen für große Augen! Ihre Kleider und Röcke trugen sie auch so lange, bis alles in Fetzen abhing. Im Arbeiten waren sie ganz fix, das muß man ihnen lassen. Na, wir haben den Versuch einmal gemacht, so für zwei Jahre. Dann aber nicht wieder. Denn diese Sorte (??) an den Herd zu lassen, daß sie mit dem Essen hantieren – ne, das ist uns doch gegen den Appetit.

Dann nahmen wir eine Zeit Amerikanerinnen. Ich reiste nach Chicago, um mir ein paar Mädchen zu mieten. Ich besuchte Wilhelm Saß. Als ich mir die Wirtschaft dort ein paar Tage angesehen hatte, da bin ich ohne Mädchen zurückgereist. Nicht gern tat ich das, denn ich hatte Wieschen versprochen, ihr Mädchen mitzubringen. Erst hat sie auch richtig gescholten, und ich habe still zugehört, denn es ist am besten, wenn man seine Frau ausreden läßt. Als sie damit fertig war, sage ich: Wieschen, sage ich, nun paß Achtung! Da geht ein Trupp Dienstmädchen auf der Straße. Aber du sprichst sie doch nicht an, ob sie mit dir gehen wollen. Du wagst das gar nicht, denn sie gehen in köstlichen, weißen Kleidern. Sie wollen nicht in den Kuhstall. Nein, sie wollen ins Theater.

Ins Theater? – Dienstmädchen? – Ja, Wieschen, da kannst du Augen machen. Und wenn du ein paar von der Sorte mit weißen Kleidern und goldenen Uhren hier zum Dienen haben willst, dann kannst du es man sagen. Dann will ich schreiben.

Aber Wieschen will nicht, daß ich schreiben soll. Sie sagt: Nein, da ist es doch besser, daß du keine mitgebracht hast. Ne, sagt sie, nun erzähle man weiter, was du sonst noch gesehen hast.

Oh, Wieschen, einen ganzen Berg. Ich hab da auch Kinder gesehen, die lagen im Wagen und wurden spazieren gefahren wie andre Kinder. Sie waren so bei einem Jahr rum, als ich meine. Aber goldene Ringe und Armbänder und all so’n Kram, damit waren sie über und über behängt. Wieschen, wo kannst du das verantworten, daß deine Kinder laufen lernten ohne goldene Armbänder? Wieschen, dau hast dich versündigt an deinen Kindern. – Jürnjakob, lat dat Drähnen sin. Aber erzähle man weiter. – Ja, auch Straßenarbeiter und Kohlenträger hab ich gesehen, die trugen bei der Arbeit auch dicke, goldene Siegelringe.

So, nun hab ich davon genug gehört, sagte sie und nahm einen andern Strumpf zum Stopfen vor. Siegelringe, Armbänder, weiße Schuhe, weiße Kleider, goldene Uhren, die nicht gehen – es ist schade, daß Luther das nicht mehr erlebt hat. – Warum ist das schade? – Oh, ich meine man; dann hätte er das doch gleich mit aufnehmen können bei dem, was hier in Amerika so zum täglichen Brot in der vierten Bitte gehört. – Wieschen, sage ich, da hast du wieder mal recht. – Na, sagt sie, nu erzähl man weiter, wenn du sonst noch was gesehen hast. Oder bist du nun fertig?

Noch lange nicht, sage ich. Was ich da alles gesehen habe, das langt für einen ganzen Berg von Strümpfen zu stopfen. Da war noch das Kauen. Sie sagt: Na, darum brauchst du nicht nach Chicago zu fahren. Das kannst du hier auch haben, wenn du dich mit deinem Butterbrot vor den Spiegel stellst. – Wieschen, paß Achtung und laß mich ausreden. Das war ein anderes Kauen als hier auf der Farm, und kein nahrhaftiges. Sie kauen dort alle, und es war gar nicht Vesperzeit. Szüh, die Alten kauen Tabak und die jungen Shewing-gum, das meint Kaugummi. In der Schule kauen sie dort auch und in der Kirche. Und dazu spucken sie, so fein kann das keiner im ganzen Grabower Amt, nicht mal der Landdrost.

Auch fuhr ich mit der Elektrischen. Vorn steht der Fahrer. Der spuckt nach vorn. Das tut er im Durchschnitt an jeder Straßenecke. Denn da muß er halten. Da hat er Zeit zu spucken. Hinten aber steht der Schaffner. Der spuckt nach hinten. Aber nur beim Fahren. Beim Halten hat er keine Zeit dazu. Szüh, so lösen sie sich beim Spucken ab. Und wenn du dann durch den langen Wagen gehst, dann sitzen da zwei lange Reihen von Menschen, die reißen den Mund weit auf und schmeißen den Gummi rum auf die andere Seite. Dann kauen sie weiter, und weißt du, Wieschen, woran ich da gedacht habe? – Ne, sagt sie, das weiß ich nicht. Woran hast du gedacht?

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Jürnjakob Swehn der Amerikafahrer