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Der Boden ist hier jetzt auch schon teuer. Der Acker kostet seine 100-150 Dollars. Ist der Platz gut und liegt er an der Bahn, dann wird der Acker schon mit 200 Dollars bezahlt. Vor 25 Jahren kostete er 50 bis 70 Dollars, und 50 Jahre zurück, als Iowa noch Regierungsland war, da wurde er billig abgegeben. Da gab es Farmer, die zahlten 3-10 Dollars per Acker. Wer zu der Zeit mit einer Handvoll Gold ankam, der ist heute ein gemachter Mann. Das meint, wenn er ordentlich gewirtschaftet hat. Aber die mit einer Handvoll ankamen, die kann man an den fünf Fingern abzählen und braucht nicht zum zweitenmal beim Daumen anzufangen. Wir andern mußten uns raufarbeiten. Wir brachten kein Geld mit, bloß zwei kräftige Arme, und das ist auch was wert.

Hans Wickboldt wohnt sechs Meilen Süd und hat eine kleine Farm von 80 Acker zu eigen. Sein Bruder, der Dicke, der in der Schule immer schlief und nicht aufpaßte, der ist hier aufgewacht. Er hat seinen Platz verkauft für 150 Dollars den Acker und 320 Acker in Süd-Dakota wiedergekauft zu 50 Dollars den Acker. Davon sind 120 Acker gebrochen. Das andere liegt noch so, wie der liebe Gott es geschaffen hat. Es ist billig. Wenn ihn man die Landagenten nicht behumbugt haben. Billiges Land ist hier schon verdächtig geworden. Da muß man die Augen aufmachen. Wer farmen will, der soll in Iowa bleiben. Das ist meine Meinung. In Iowa ist alles plenty: plenty Wasser, plenty Heu, plenty Korn, plenty Kartoffeln. – Johann Schröder wohnt acht Meilen Ost. Vier Jahre zurück ist er auch nach Dakota gegangen. Da hat er drei schlechte Ernten hintereinander besehen. Da hatte er genug. Da kehrte er zurück. Erst hatte er große Dakota-Rosinen im Sack und machte viele stolze Wörter von Dakota. Jetzt hat er sich bekehrt. Jetzt sagt er: Schweigt mir still von Dakota, sonst werde ich fuchtig. Aber es ist eine alte Einrichtung im Leben: Wenn einen dat Fell jäkt, denn möt hei sick kratzen.


Karl Schneider wohnt ebensoweit Nord. Er hat 320 Acker gekauft für 12.000 Dollars. Das ist billig gekauft, aber es ist auch schlechter Boden dabei. So bei 5.000 Dollars Schulden hat er noch zu tragen. Aber er bringt die Farm hoch und ist fleißig dabei, die Schulden abzutragen. Bloß seine Frau ist viel krank, sonst wäre er schon weiter. So trägt er Schulden und Sorgen; aber es ist ein Unterschied da: die Schulden nehmen ab, und die Sorgen nehmen zu, denn die Frau wird wohl nicht wieder. Sie stammt aus Hohen-Woos. – Mein Schwager hat seinen Platz verkauft und 320 Acker getrennt. Aber das Land ist zu naß. Sie haben da auch viel kalt. Er fühlt sich da nicht gut. So will er wieder herkommen. Er hat auch noch Geld und Interessen, das meint in der Sparbank. In unserm Country wird er nicht mehr pachten können. In der Nachbarschaft ist es nicht anders. Was aber über den 100. Längengrad und westlich ist, das ist aus der Regenlinie. Da soll einer seine Nase von lassen. Sonst kommt es leicht, daß es ihn begriesmult.

Du hast mich gefragt, woans es Jochen Jalaß gehen tut. Das ist eine Geschichte, die fröhlich anfängt und traurig aufhört. Vier Sommer zurück, da kamen drei große Kerle mit mächtigem Bart bei mir an, und der eine hatte schon einen griesen Bart. Die stellten sich ganz breit und mastig hin, und als sie das getan hatten, da sprachen sie: Wir wollen dich besuchen, und dann wollen wir sehen, wo das Land offen ist. Sag an, kennst du uns noch? – Ich ging um sie rum. Ich besah sie von vorn und hinten: aber es war nichts Bekanntes an ihnen zu sehen. So sprach ich: In meinen Augen seht ihr grad nicht aus wie die Kundschafter aus Josefs Geschichte. Ihr seid bloß gekommen, um zu sehen, wo das Land offen ist, zu farmen. Ihr seid Mekelbörger und auch aus der griesen Gegend, so bei Eldena rum. An eurer Sprache hör ich das. Aber sonst kenne ich euch nicht. Saget an, wer ihr seid und woher ihr kommt. So gaben sie sich kund, und siehe, da waren sie alle aus unserm Dorf. Der mit dem griesen Bart, das war Jochen Jalaß, der mit dem hellen Fritz Schult und der mit dem braunen sein Bruder. Sie brachten mir die Grüße von Dir und von meinem Bruder und von vielen andern im Dorf und blieben gleich acht Tage bei mir. Da sind wir vier alten Knaben und Knasterbärte zusammen fröhlich gewesen. Das geht besser, als wenn man auf eigene Faust fröhlich ist. Sie waren alle auf Freikarten gefahren; so zieht hier einer den andern nach sich und oft seine ganze Verwandtschaft. Jochen Jalaß hatte die Karte von seinem älteren Bruder erhalten.

Als er dann bei seinem Bruder ankam, lag der krank zu Bett und kannte ihn nicht. Sie hatten sich in 47 Jahren nicht gesehen. Jochen war den Ostern erst zur Schule gekommen, als der andere fortmachte. Er hat es nicht glauben wollen, daß der Griesbart sein kleiner Bruder sei. Es hat lange gedauert, bis er sich bekehrt hat. Aber dann hat er richtig geweint und ihn über die Backen gestrakt, als wär er noch der kleine Junge, der den ersten Griffel noch nicht verbraucht hat. Und der andre hat an seinem Bett gesessen und von den Alten im Dorf erzählen müssen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Jürnjakob Swehn der Amerikafahrer