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Da hab ich ihr die Sache richtig klargemacht, warum das sei. Sie hörte auch mit ihren Ohren zu. Aber dann schüttelte sie doch den Kopf und sagte: Wo kann das einmal angehen! Das ist hier ein ganz malles Land. Wenn ich meinen Leuten das nach Hause schreibe, daß die Hähne hier eine Glocke tragen und sich noch groß damit tun, dann sagen sie: Die Alte ist ja wohl bei lebendigem Leibe verrückt geworden. Ach Gott, wenn ich doch man bloß in Rußland geblieben wäre! – Aber ich hab ihr gesagt: Das laß dir man nicht leid sein, daß du da ausgerückt bist. Dein Russenkaiser kauft dir doch nicht Hahn noch Huhn, wenn seine Wölfe sie dir weggeputzt haben. Und das mit der Glocke, das laß man gut sein. Wir Menschen mögen gern Musik hören. Warum die Hühner nicht auch? Sie legen da auch besser nach. Du wirst deinem Sohn seinem Hahn auch noch eine Glocke umtüdern (umbinden), und mich wirst du dafür noch loben und danksagen. Nach Rußland brauchst du das ja gar nicht zu schreiben.

Da wurde sie ganz gemütlich und meinte: Ja, es ist hier vieles anders als im Süden von Rußland, und ich habe auch schon umlernen müssen. Am meisten mit meinen Zähnen. Als ich fahren wollte, da kam der Zahndoktor aus Jekaterinosklaw raus und sagte: Wenn du durchkommen willst, dann mußt du noch alle Zähne haben, sonst schicken sie dich zurück. Der Zar von Amerika ist darin sehr strenge. Ich sagte: Ist das indem? Ja, sagte er, das ist indem. Er hat sieben Zahngebote erlassen, und ich sehe an deinem Munde, daß du sie nicht erfüllen kannst. Darum kommst du nicht durch. Ich sprach: Was ist dagegen zu tun? Er antwortete: Der amerikanische Zar hat mir schreiben lassen, er will die Leute hier noch durchlassen, wenn ich ihnen vorher ein künstliches Gebiß einsetze. Aus Gnaden will er das tun. – Ist das wirklich indem? – Ja, das ist wirklich indem. Der amerikanische Konsul in Odessa hat es mir geschrieben. – Aber ich fahre über Bremen. – Das ist gleich; untersucht wirst du erst drüben in New York. – So hat er mir ein volles Gebiß eingesetzt und sich teuer bezahlen lassen. Aber dafür bin ich auch ganz gut durchgekommen und habe schon vieles gesehen. Aber so was doch noch nicht.


Sie kuckte wieder nach dem Schwarzen. Der stand oben auf der Fenz und krähte und bimmelte. Als sie mit der Tasse Kaffee fertig war, die Wieschen ihr gebracht hatte, fuhr sie weiter. Aber unterwegs hat sie sich noch ein paarmal umgekuckt nach dem Regierungshahn und nach uns. –

Unser Hafer war im letzten Jahr von Mannshöhe, und wir trugen den Kopf hoch. Wie das so zu gehen pflegt, wenn die Ernte sich gut anläßt. Da kam es mit den Plagen. Erst der Rost. Dann der Regen. Da knickte er ein und saß auf dem Hintern und hielt die Beine hoch. Das dauerte seine Zeit. Aber der Regen dauerte länger. Zuletzt war er wie gewalzt und blieb auch so. Ich hab es immer gesagt: So schönes Wetter wie früher gibt es gar nicht mehr, weil alles schlechter wird auf der Welt. Das gab eine Schneiderei, es war nicht den Bindfaden wert. Viele haben ihn einfach eingesteckt und abgebrannt. Ich verschnürte auf vierzig Acker sechzig Pfund Bindfaden, und dabei konnte ich nur die Hälfte fassen mit der Maschine.

Einen nassen Sommer kann man nicht auf die Leine hängen und trocknen, und das ist schade. Es regnete noch vier Wochen; da wuchs alles zusammen. In dem Sommer brauchten wir den Dreck nicht zu sparen. So fuhr ich den letzten Hafer in Mieten und jagte die Kühe und Ochsen dabei. Erst haben sie den Kopf geschüttelt und über die Schweinerei gebrummt. Dann gingen sie doch ran, und am ersten Oktober war auch die letzte Garbe runtergerissen und unter die Füße getreten. Ja, so kommt es auch mennigmal, und wir haben den Kopf nicht mehr hochgetragen, wenn wir an den Hafer dachten. Aber es ist wohl ganz in der Ordnung, wenn der Mensch ab und zu einen auf den Hut kriegt. Sonst wird er leicht übermütig. –

Ganz schlimm ist es hier mit den Dienstboten. Die sind schwer zu bekommen und noch schwerer zu halten. Besonders die Mädchen. Zu Anfang, als wir herkamen, kriegte Wieschen auf der Farm ihre drei Dollars die Woche. Heut zahlen wir den Mädchen vier bis fünf. Dafür machen sie aber nur leichte Arbeit. Für schwere sind die Mannsleute da. In der Stadt ist der Lohn noch höher. Eine Köchin kriegt sieben Dollars die Woche, und wenn sie noch andere Arbeit machen muß, acht. Soviel kriegte früher in unserm Dorf ein Mädchen das ganze Jahr, und dabei hatte sie schwere Arbeit von früh bis spät. Als wir mit einer Farm anfingen, machten wir fast alle Arbeit allein. Das waren harte Jahre, und abends elf Uhr waren wir oft noch beim Kornbinden, Wieschen und ich. Du kannst glauben, daß das schwere Zeiten waren. Aber wir sind dabei gesund geblieben. Es war ja auch nur eine kleine Farm, und wir hatten sie gerennt. Jetzt haben wir eine große, und sie gehört uns.

Da machen wir alles mit der Maschine. Wir legen auf den Treibriemen, was sonst auf der Schulter oder auf dem Arm des Arbeiters liegt. Das muß so sein in diesem Lande. Vom Mähen an bis zum Abladen in der Scheune. Das Säen natürlich auch und das Dreschen erst recht. So brauchen wir keine Leute. Die bleiben auch lieber im Osten. Da arbeiten sie ihre acht Stunden. Nach dem Westen, auf die Farm, gehen sie nicht gern. Am schlimmsten ist es in der Ernte. Da kriegen sie heut ihre vier bis fünf Dollars den Tag und Fleisch satt. Es ist aber auch harte Arbeit und geht scharf her. Die Arbeitszeit dauert von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang, und die Sonne macht sich hier in der Aust mächtig früh auf die Beine. In der Zeit sparen wir das Wasser. Da tut sich kein Mensch waschen. Da kämmt sich auch keiner. Was da an Grannen rumfliegt, das glaubst du gar nicht, und das sticht so sehr in die Haut, so daß das Gesicht aussieht wie Wieschen ihr Nadelkissen oder wie dem Swienegel sein Rücken. So aber legt sich eine dicke Schmutzschicht auf das Gesicht, die hält alles ab.

Ja, dick ist sie, das muß ich sagen, und schöner wird einer nicht, wenn er sich da beim Mähen so mal aus Versehen mit dem Handrücken rüberwischt. Es ist man gut, daß da kein Maler kommt und malt uns ab und bringt dir das Bild. Du könntest einen mächtigen Schreck kriegen. Du würdest sagen: Ne, Menschen sind das nicht. Das ist eine Horde schwarzer Teufel, und sie kommen eben frisch aufgewichst aus der Hölle. – Ist die gröbste Arbeit fertig, dann nehmen wir wieder Wasser und Seife. Was da an Seife verbraucht wird auf einer Farm, das glaubst du nicht. Damit könnte der Präsident ein paar Dutzend Neger blank waschen lassen, daß ihre eigene Mutter sie nicht mehr kennt.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Jürnjakob Swehn der Amerikafahrer