- 14 -

Lieber Freund, ich habe gehört, daß die Blizzards auch seltener werden, wenn das Land immer mehr unter den Pflug genommen wird. Ob da wohl was dran ist? Denken kann ich es mir nicht so recht. Zum Glück kommen sie nicht oft zu uns. Aber wenn sie kommen, dann kann man Gott danken, wenn sie das Haus nicht zu Eierkuchen machen. Einer zog hier durch, als wir noch im Blockhaus wohnten. Da mußten wir vom Haus nach der Scheune Stricke ziehen, um uns daran lang zu finden. Denn wir konnten unsere eigene Scheune nicht sehen, so gingen Schnee und Eisstücke nieder. Ohne die Stricke wären wir verirrt und umgekommen. Einen von den dicken Eckpfosten hat er auch eingeknickt. Zum Glück ging er bald weiter. Aber wo er seinen Weg genommen hatte, da hat er uns das Mähen für das Jahr gespart. Im Wald nahm er uns die Arbeit auch ab. Im nächsten Jahr bauten wir uns dann ein Steinhaus. Wieschen glaubte nicht mehr recht an Eckpfosten. Ich auch nicht.

Am Sonntag arbeitete ich nicht. Das hat mein Vater nicht recht gemocht und meine Mutter auch nicht. Wieschen und ich mögen es auch nicht. Einen Tag in der Woche muß der Mensch seine Ruhe haben und das Vieh auch. Es ist auch gegen das dritte Gebot. Bei den meisten Farmern im Land Amerika ist der Sonntag ein Tag des Schlafens. Wenn wir nicht zur Kirche oder zu Besuch fahren, dann schlafen wir auch. In den ersten Jahren konnten wir nicht oft fahren, denn für die Pferde war das auch Arbeit. Fünf Meilen hin und fünf Meilen zurück, das gab bei den Wegen lange Fahrt. So schliefen wir uns aus.


Du mußt aber nicht glauben, daß wir da nun so ganz einsam und gottverlassen wie die Wilden im Busch lebten. Oha, da geschah oft genug was. Einmal war uns eine Kuh weggelaufen, und das ist hier nicht so wie bei euch, wo sie bald wieder zurückgeholt wird. Nein, das war hier beinah so wie bei Saul, als ihm seines Vaters Esel ausgeritzt waren. Ich war einen ganzen Tag lang unterwegs, und dann fand ich sie im Busch in einer Lichtung. Da stand sie und graste wahrhaftig, als wenn bei uns die Hungersnot wäre. Daß sie mal auskniff, das hab ich ihr weiter nicht übelgenommen, denn so ein Vieh will auch mal was anderes sehen. Aber daß sie da so leidenschaftlich graste in dem sauren Zeug, wo sie zu Hause doch das beste Futter hatte, das ging mir gegen meine Ehre. Darum hab ich sie vor den Stock genommen, aber gründlich, und als das besorgt war, sind wir wieder nach Hause gezogen. Wieschen war sehr froh, als sie uns sah, denn es war ihre beste Milchkuh.

Nun kommt was anderes. Ich fuhr mit Schweinen nach dem Town. Es war noch in der Blockhauszeit. Ich saß oben auf dem Verschlag, unter mir tobten die Schweine wie wild. Ich redete sie mit freundlichen Wörtern an; es half nichts. Ich schalt auf plattdeutsch und auf amerikanisch, sie sollten ruhig sein. Aber die Biester hörten nicht auf plattdeutsch und nicht auf amerikanisch. Und dann empörte sich das größte Schwein, und auf einmal gab es unter mir einen Ruck, und siehe, ich flog mit meinem Sitz im Bogen runter vom Wagen. Als ich mich auf sammelte, da waren meine sieben Schweine mir nachgefolgt. Sie sausten in alle vier Winde auseinander, daß die Schinken man so flogen. Sie wollten sich die schöne Landschaft auch mal besehen. Ich im Schweinsgalopp hinterher. Es hat Mühe gekostet, Schweiß auch, aber zuletzt hatte ich sie doch alle wieder oben. Bloß eins hatte ein Bein gebrochen. Das kam von seinem großen Ungestüm. Mit dem Bein hat es mir viel Schaden getan.

Meinem Schwager ging es mal ähnlich so, aber doch ganz anders. Er brachte ein Kalb nach dem Town, das lag still in seiner Ecke, und mein Schwager saß still auf seinem Sitz. So bädeln sie beide ihren Weg und denken sich nichts Böses und dösen so vor sich hin. Der Braune vorn sagt nichts, das Kalb hinten sagt nichts, er in der Mitte sagt nichts. Du weißt ja, wie er ist. Es war aber an dem Tage viel warm, und er drusselt so sachte ein bißchen ein. Da löst sich beim Juckeln und Zuckeln hinten das Krett (Das hintere Verschlussstück zewischen den Wagenleitern) vom Wagen. Es fällt runter und das Kalb auch. Er aber döst weiter. Er kommt in die Stadt. Er hält beim Schlachter. Der Schlachter kommt raus. Was bringst du? – Ein Kalb, sagt Heinrich und weist mit dem Peitschenstiel so eben über die Schulter nach hinten. Er macht nicht gern viel Wörter. – Ein Kalb? sagt der Schlachter; wo du dein Kalb gelassen hast, das mag der Präsident wissen. Ich kann’s nicht finden. Da fängt Heinrich endlich auch an, sich umzudrehen, und als das besorgt war – na, das Gesicht hätte ich gerne gesehen, denn ich bin ein Freund von solchen Gesichtern. Dann ist er zurückgefahren und hat sein Kalb nachgeholt. Das hat ruhig am Weg gelegen und auf ihn gewartet, denn nüchterne Kälber sind schlecht zu Fuß. Zunicht gefallen hat es sich aber nichts; es geht ihnen ähnlich wie den Katzen.

Nun kommt wieder was anderes. Das ist die Stinkkatze. Die kennt ihr nicht. Aber das laßt euch man lieber nicht leid tun, denn sie stinkt man einmal im Leben. Da hat sich der liebe Gott auch mal gründlich versehen. Sie ist ungefähr so groß wie unsre Katze, bloß der Schwanz ist länger. Die Biester stinken fürchterlich, und an Regentagen kommen sie gern an die Häuser. Da lernt man aber einsehen, daß es manchmal gar nicht schön ist, wenn der Mensch eine Nase hat.

Eines Morgens fingen die Kinder an, die Nase hochzuziehen. Ich dachte nichts Böses. Ich sprach: Warum tut ihr so hochmütig mit eurer Nase? Ich öffnete das Fenster ein wenig, denn sie erhoben ihre Nasen gegen das Fenster. Aber so schnell hab ich das Fenster niemals wieder zugekriegt. Denn siehe, es war kein Hochmut gewesen, was ihnen in der Nase saß, sondern eine Stinkkatze, und sie hatte da was fallen lassen, was nicht mehr schön war. Dann war sie auf und davon gegangen. – Auch war einmal ein Abend, und wir hatten alles aufgesperrt, denn ein starkes Gewitter war niedergegangen. Da kam was wie eine Wolke zu Tür und Fenster rein. Das war der Gestank. Die Kinder machten alles schnell zu. Aber er war schon drin, und er hält lange vor, daß man da auch was von hat.

Mein Zweiter hatte mal eine aus der Ferne geschossen. Dann band er ihr ein langes Ende Bindfaden um die Beine und schleppte sie fort. Ganz vorsichtig tat er das, weil er sich mit dem Gestank nicht berühren wollte. Aber wir haben seine Strümpfe und Schuhe doch ein paar Tage eingraben müssen. Lieber Freund, du wirst es mir nicht glauben, aber du mußt es doch tun. Es gibt Leute, die machen ordentlich Jagd auf das Tier. Haben sie eins geschossen, dann braten sie das Fett aus und nehmen es ein. Sie sagen, das ist das beste Mittel gegen Erkältung. Na, da gehört auch ein ganzer Posten Glauben zu und ein besonderer Magen auch. Nein, wenn du allen Gestank in unserm alten Dorf auf ein Jahr zusammenbringen läßt und läßt ihn extra in eine Buddel füllen, das ist noch Wohlgeruch gegen eine einzige Stinkkatze. Ja well. – Lieber Freund, in Chicago soll es feine Damen geben, die tragen das Fell von der Stinkkatze im Winter ordentlich als Muff und Kragen. Sie sagen, das Tier hat sich dann ausgestunken. Ich habe Wieschen gefragt. Sie sagt: Ja, das kann wohl angehen. Ich habe Berti gefragt. Sie sagt: Ja, Skunk ist fein; ich möchte auch sowas tragen. So hab ich ihr gesagt. Ich will kein Stinken nicht im Hause haben. Lieber kannst du dir ein Lammfell um den Nacken hängen, das hält auch schön warm. Da hat sie mit den Lippen eine Schüppe gemacht und gesagt: Vater, der liebe Gott hat das Stinktier auch geschaffen. So sage ich: Das stimmt, aber sein bestes Stück ist das nicht geworden. Und wenn du von der Erschaffung der Welt anfängst, so kann ich dir mitteilen, daß Eva damals mit einem Feigenblatt auskam. Da ist sie rausgelaufen. Lieber Freund, du wirst mir das auch nicht glauben, mußt es aber doch tun. Siehe, das ist eine ganz andre Nation, die, wo sich Felle um den Hals hängt. Wenn es nur wonach läßt, dann hört die Nase mit dem Riechen auf.–

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Jürnjakob Swehn der Amerikafahrer