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Daß so viele Ritzen da sind, das ist auch gut. – Na, warum ist das gut? sagt sie und hat den Schürzenzipfel nicht mehr in der Hand. – Ja, sage ich, da kommt frische Luft rein und geht der Rauch raus. Das ist billiger und besser als mit den neumodischen Luftklappen, die sie sich in den Städten ausgeklüstert (ausgegrübelt) haben. Und wenn wir abends so im Bett liegen, Wieschen, und draußen ist eine Mondfinsternis los oder so was, dann brauchen wir bloß den Kopf nach der Seite rumzudrehen, wo sie ist, und brauchen nicht mal aufzustehen wie die Reichen.

Wenn’s aber regnen tut? sagt sie. – Dann freuen wir uns auch, sage ich; dann lassen wir’s uns auf den Kopf regnen. Das ist echtes Haarwasser und ganz umsonst. Da tun die Haare nach wachsen. Auch ist der Regen gut für das Land, sage ich und merke, daß sie mich fest hat. So sagt sie auch gleich: ja, für das Land, aber nicht für die Betten! Und dabei lacht sie mich aus, weil sie mich festgekriegt hat, und ich freue mich darüber, denn Lachen ist besser als Weinen. Lachen gibt blanke Augen und blankes Herz. So sage ich: Da hast du richtig recht, Wieschen; aber weißt du, was wir dann machen? Dann nehmen wir den großen Plan und ziehen ihn über die Betten und schlafen weiter. Nein, so ein Dach, das ist zehnmal besser als: Ich setze den Hut auf und das Dach ist fertig. Nein, Wieschen, daß die Häuser hier auch ein Dach haben und daß sie inwendig hohl sind, das gefällt mir an Land Amerika. Das ist eine gute Sitte.


Aber nun mal weiter; wir sind noch lange nicht fertig. Hier im Süden ist ein Loch; da können wir unsern Nachbarn gleich die Hand durch geben, wenn sie vorbeikommen, und können fragen, woans es ihnen geht. Und wenn ich auf dem Felde arbeite und hier kommt wer an, dann brauchst du nicht mal die Tür aufzumachen, wenn du nicht willst. Das ist auch gut, denn Tramps und Stromer können hier auch mal vorkommen. So kannst du sie dir durch das Knastloch anbesehen.

Lieber Freund, ich kann dir mitteilen, das Loch im Süden hat viele Jahre lang seine Schuldigkeit getan. Wenn da einer kam, dem sagten wir gleich durch die Wand durch guten Tag und guten Weg, und wenn ich draußen war und Wieschen drinnen und ich wollte was von ihr haben, dann langte sie es mir gleich durch das Loch raus. Aber im Winter stopften wir es mit altem Zeug aus. Mal eins war ich auf dem Felde, und sie hatte den Riegel nicht vorgeschoben. So stand da einmal ein Hausierer mit seinem Packen vor ihr. Aber sie wollte ihm nichts abkaufen. Da hat er mit Verachtung in den Ecken rumgeschnüffelt und gesagt: Man kann sehen, hier tanzt Powerlieschen hin! Sie aber hat ihm mit dem Besenstiel ein paar zwischen die Schulterblätter gegeben und dazu die Wörter gesagt: Und hier kann man sehen, wo Powerlieschen hinschlägt! So ist er ohne Segen und Geschäft hinausgekommen.

Ich aber hab ihr weiter das Haus erklärt und ausgedeutet: Wenn du glaubst, Wieschen, daß wir hier man eine Stube haben, dann glaubst du vorbei. Wir haben hier drei Stuben und eine Küche. – Wieschen macht runde Augen und kuckt an allen Wänden und an mir rum. – Es ist, als ich sage. Nu paß Achtung. – So nehme ich ein Stück Kreide und ziehe damit zwei Striche durch die Stube. Einen so und einen quer. Fertig! Nun hast du deine Stuben, und die Wände können wir uns sparen. Die sind auch bloß da, daß man im Dustern mit dem Kopf dagegenläuft. Hier ist deine gute Stube. Da kommt der Abreißkalender mit den bunten Bildern hin, den der Kaufmann mir zu Neujahr versprochen hat. Ich sage dir, Wieschen, mehr Tage hat der Präsident auch nicht in seinem Kalender.

Ja, sagt sie und lacht, das wird fein, da nötige ich immer meinen Besuch rein. Der soll dann unter dem Kalender sitzen. – Schön. Und hier nebenan ist meine Stube. So kann jeder in seinem Salon sitzen, und wenn wir was zu besprechen haben, dann ist uns keine Wand im Wege. – Sie nickköppt und wird ganz eifrig: Und hier ist natürlich meine Küche, denn da steht der Ofen, und hier nebenan, das ist unser Speisezimmer, denn da steht gut der halbe Tisch drin. – Richtig, Wieschen, und wenn wir uns nach dem Essen etwas verdauen wollen, dann brauchen wir hier bloß durch die Tür zu gehen, dann haben wir gleich den Busch vor uns. Nu sag mal bloß, Wieschen, was ist dagegen dem Großherzog sein Schloßgarten in Ludwigslust? En ganz lütten Drummel, segg ick di. Ne, mit den tusch ick noch lang nich!

Szüh, so hat sie einen andern Sinn bekommen und ist nicht mehr so traurig gewesen. Das war auch ganz gut. Denn ein neuer Anfang mit viel Arbeit und dazu ein trauriges Herz, was sich zu tun macht mit Schürzenzipfeln, das geht nicht. Aber das muß ich auch sagen: Als erst die Kinder kamen, da haben die dafür gesorgt, daß sie nicht mehr traurig wurde. Da hatte sie gar keine Zeit mehr, traurig zu sein. Das war auch gut, denn ich war ja meist draußen bei der Arbeit. Da hab ich aber auch gemerkt, wie es schafft, wenn man weiß, für wen man arbeitet und daß der Schornstein rauchen muß. Die Axt biß ganz anders in die Bäume, und die Sense ging ganz anders durch Gras und Korn. Da ging es vorwärts, und da ging es aufwärts.

Als das Haus fertig war, schlug ich den Busch nieder. Ich wurde Holzhauer. Die Axt fraß den Wald. Ich machte eine Masse Brennholz. Ich brauchte damit viele Jahre nicht zu sparen. Das Buschholz hab ich meist gleich verbrannt. Ich legte das Haus frei. Ich schob den Wald zurück. Jahr für Jahr tat ich das. Wenn’s ging, rodete ich die Stämme aus. Saßen sie zu fest, so ließ ich sie stehen. So pflanzte und säte ich um die Stubben rum. Das sah bunt aus. Aber was das nachher für Korn gab, das glaubst du nicht. Halme wie dickes Rohr. Später sprengte ich die Stubben mit Dynamit. Das geht am schnellsten. Zwei Pferde schaffte ich mir auch an. Für den Anfang war das genug. Wege waren nicht da. Wo man fahren kann, da ist der Weg. So lautete hier die Wegeordnung. Wir hatten sie selbst gemacht. Aber das Umschmeißen gehörte auch zur Wegeordnung und war bei allen gebräuchlich. Ich hab in den ersten Jahren so oft umgeschmissen wie unser ganzes Dorf in zwanzig Jahren nicht. Das war mir zuletzt schon ganz geläufig geworden. Grade Wege konnten wir erst nach vielen Jahren bauen. Jetzt ist das auch allright. Jetzt sind die Wege auch grade. Erst waren sie bannig krumm.

Von der Arbeit kann ich dir nicht viel schreiben. Der viele Schweiß läßt sich nicht aufschreiben. Das Schwitzen haben wir redlich besorgt. Es gehört auch zur Arbeit; aber darüber schreiben tut man nicht und kann man nicht. Es war auch einen Tag und alle Tage dasselbe. Davon ist nichts zu sagen. Aber ich machte Jahr für Jahr mehr Busch zu Ackerland und Weide. Ich schob den Wald immer weiter zurück. Jetzt ist er hier schon dünn geworden. Dafür ist das Land teurer.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Jürnjakob Swehn der Amerikafahrer