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Nun kommt noch was. Lieber Freund, ich will dir erzählen, wie ich einen Menschen vom Trinken bekehrt habe. Mit seinem Namen hieß er Smith und war lange Zeit mein Nachbar. Wir haben von der Sorte noch mehr in der Gegend. Er war hochnäsig und tat so, als wär er man bloß aus Gnaden zu uns gekommen. Aber siehe, im Hemd gehen sie alle nackt, und wenn sie abends im Town aus dem Saloon kommen, dann haben sie die Gewohnheit, daß sie gern im Rönnstein liegen. Vorm Jahr ging ich da mal lang, da lagen da en Stücker sechs rum.

Mein Smith verstand drei Künste: die Nase hoch tragen, faul sein und trinken. Darum war er auch runtergekommen in der Wirtschaft. Mit dem Trinken fing er morgens an und blieb den Tag über so bei. Tagsüber trank er als ein schweigsamer Mann. Abends fing er an zu reden. Dabei war sein drittes Wort: Ich bin christlich geboren, christlich getauft und christlich konfirmiert. Er hatte richtig Schlagordnung darin. Aber ich hatte es schon so oft gehört, daß ich dachte: Na, täuw man (Warte nur!), dachte ich, kumm du mi mal ins in de Möt, denn will ick di mal gründlich verkonfirmieren. Bloß die Frau tat mir leid, und um ihretwillen hab ich ihn auch bekehrt. Das ging so zu.


Ich mußte mal nach dem Town, und als ich da so durch die Straße fuhr, da sah ich durchs Fenster meinen lieben Smith im Saloon sitzen, und das just, als wenn er da zu Hause gehörte. Wer hier oft im Saloon einkehrt, der wird von den meisten richtig verachtet. Als ich ihn sitzen sah, da standen die Pferde. Ich runter vom Wagen und hinein. Ich lasse mir vom Saloonkeeper ein Glas Bier bringen. Die anderen waren schon beim reinen Wort Gottes, das meint beim Whisky. Smith rallögt (Verdreht die Augen) mich gnädig an und sagt: Komm, Nachbar, setz dich her. Ich will dich trieten (engl. To treat = freihalten, bewirten). – Brauchst mich nicht zu trieten. Kann mich allein trieten. Nach einer Stunde komm ich wieder vor. Dann bist du fertig und kommst mit. Deine Frau wartet auf dich. Verstanden? – Er wurde unsicher. Er sah mich an. Er sah seine Whiskybrüder an. Er sah uns noch ein paarmal umschichtig an. Sein inwendiger Mensch ritt auf der Fenz, das meint: er hinkte auf beiden Seiten. Aber seine Saufbrüder drangen in ihn hinein: Du brauchst ihm nicht zu gehorchen, wo er doch kein Vormund über dich ist. So wurde er bockig und fing davon zu reden an, daß er ein freier Mann und christlich geboren sei. – Also in einer Stunde, sagte ich und ging. Nach einer Stunde war ich wieder da. Seine Schnapsgesellen waren nicht mehr da. Er hatte wohl kein Geld mehr, sie zu trieten. So nahm ich ihn beim Arm und schleppte ihn zum Wagen.

Als er verstaut war, fuhr ich los und sagte: Du hast noch eine Buddel voll in der Tasche. Darum sage ich dir: Du trinkst von nun an keinen Tropfen mehr, solange du bei mir auf meinem Wagen bist. Verstanden! – Als wir ein paar Meilen aus dem Town raus waren, ging es in den Busch hinein. Im Busch wurde es dunkel. Ich tat, als ob ich schlief. Aber ich machte eine kleine Ritze in meinem einen Auge. Er kuckte erst auf mich, dann in den Busch, dann wieder auf mich. Ich schlief bis auf die eine Ritze. Er langte in die Rocktasche. Ganz heimlich tat er das. Er holte seine Buddel raus. Er nahm sie vor den Mund. In dem Augenblick hatte er einen Schlag gegen die Hand, der war nicht von schlechten Eltern. Die Buddel flog in den Busch. Ich sagte nichts. Er sagte nichts. Die Pferde juckelten so eben weiter. Dann hatte er sich besonnen. Dann hielt er eine Rede. Erst brummelte er leise vor sich hin. Dann wurde er lauter. Er redete sich mit Wörtern in Zorn. Er sprach: Du bist mein Vormund nicht. Du hast mir nichts zu sagen. Ich lasse mir nichts von dir gefallen. Dies ist ein freies Land. Es ist nicht brüderlich und christlich von dir, mir die Buddel aus der Hand zu schlagen, wo ich den Whisky doch ehrlich bezahlt habe. Ich aber bin christlich geboren.

Als er soweit war, siehe, da kam er nicht weiter. Ich sagte Prr! und die Pferde standen. Ich sagte: Ja, sagte ich, und christlich getauft bist du auch, und nun will ich dich mal christlich verkonfirmieren. – Damit zog ich ihn über den Sack, ordentlich handlich und bequem legte ich ihn zurecht, und dann hab ich ihn verkonfirmiert. Mit dem Peitschenstiel hab ich ihn da mitten im Busch verkonfirmiert. Den Peitschenstiel hatte ich mir ein Jahr zurück aus einem Eichenbusch geschnitten. Da war Verlaß auf, und so konnten wir die Sache in aller Gemütlichkeit besorgen.

Als sie besorgt war, setzte ich ihn wieder zurecht auf seinem Sack, und wir fuhren weiter. So, sagte ich, mit dem Stück Arbeit sind wir fertig. Allright. Du sagst, dies ist ein freies Land. Darum bin ich auch so frei gewesen, und ich will das vor Gott und dem Präsidenten verantworten, wenn sie danach fragen. Ich will dich jetzt unter meine Aufsicht nehmen, und wenn ich höre, daß du wieder trinkst, dann kriegst du wieder was. Darauf kannst du dich verlassen. Wir machen das ganz unter uns ab. Ich tue das nicht um deinetwillen. Das brauchst du dir nicht einzubilden. Das ist man bloß von wegen deiner Frau und daß die Wirtschaft nicht ganz auf den Hund kommt. Aber wenn du deinen Verstand noch nicht ganz unter Whisky gesetzt hast, dann mußt du dir selbst sagen, daß der Umgang mit der Whiskybuddel nicht für dich taugt und daß die Buddel dich bald unter die Erde bringt. Und dann gehen wir sonntags über den Kirchhof und besehen uns die Gräber, und wenn wir an deins kommen, dann sagt der eine: Ja, das ist der Smith. Der hat sieben Jahre zum Whisky gesagt: Ick stöt di üm, und er hat ihn umgestoßen. Aber im achten Jahr hat der Whisky ihn umgestoßen. Der ist es. Und der andere spricht: Ja, als Kind hat er die Milchbuddel gebraucht; das dauerte kurze Zeit. Dann nahm er die Whiskybuddel zur Hand. Und diese Buddelei dauerte so lange, bis er selbst eingebuddelt wurde. Laßt uns man lieber nach einem andern Grabe gehen! – Das sind dann sonntags so die Grabreden über den Text von deiner Buddelei.

Da hat er so’n bißchen geschluckt und sich mit der Hand über die Augen gewischt; ich weiß nicht, ob von wegen dem Peitschenstiel oder von wegen den Grabreden. So sagte ich noch ein paar Wörter zu ihm: Wenn du dich schickst und das Trinken sein läßt, dann kannst du dir dann und wann ein paar Wagenleitern voll Heu abholen, daß dein Vieh nicht zu hungern braucht, und einen Sack Korn kannst du oben raufschmeißen, daß das Heu fest liegt. Es kann auch sein, daß Wieschen mal einen Schinken mit einpackt oder ein paar Würste. Das ist für den Magen besser als ihn volltüppen mit Whisky. – Nun man jüh! Ich ließ die Pferde laufen. Er hat dann noch ein paar Jahre bei uns gewohnt. Ich hab ihn scharf im Auge behalten, und er wußte das. Aber das muß ich sagen: Bis er die Farm verkaufte und fortzog, hat er sich ganz gut gehalten, und die Wirtschaft sah zuletzt auch schon ein bißchen anders aus. – Siehe, so hab ich ihn bekehrt. Denn die Menschen sind verschieden getrachtet. Die einen werden bekehrt durch Gottes Wort und Gebet, die andern durch Krankheit und Not, die dritten durch ein gutes Beispiel. Aber dann sind da noch andre, die werden bekehrt mit dem Peitschenstiel, und zu der Sorte gehörte er.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Jürnjakob Swehn der Amerikafahrer