... Eine kleine Zahl von Juden brachte es deshalb auch zum Offizier. ...

Eine kleine Zahl von Juden brachte es deshalb auch zum Offizier. Ein Jude Siegmund Plessner aus Pleß bekam beim Abschied den Hauptmannsrang (er war später Mathematiklehrer in Erfurt), Meno Burg wurde sogar aktiver Major. Seine Autobiographie hat Geiger ebenfalls neu herausgegeben. Eine Reihe von Juden erhielten Auszeichnungen, Eiserne Kreuze und andere Orden. Sogar den Orden Pour-le-Mérite erhielt ein Jude. Simon Kremser aus Berlin. Er muss dem Heere und dem Fürsten Blücher wertvolle Dienste in schweren Zeiten erwiesen haben. Eine Jüdin Louise Grafemus (nach der Bossischen Zeitung vom 9. Dezember l815) machte den Feldzug als Freiwillige mit und wurde dabei zweimal verwundet: auch sie erwarb sich das Eiserne Kreuz.

1866 und 1870 haben sich nach Geiger u. a. die Juden auf dem Schlachtfelde vollauf bewährt.


Auf diese und andere historische Tatsachen wird hier nicht eingegangen, da unsere Darstellung der heutigen Zelt gilt. Die folgenden Blätter dienen einem erstmaligen Versuch, einige Lebensläufe jüdischer Soldaten unseres Krieges zu sammeln, die Erinnerung an sie festzuhalten, an der Hand objektiver und subjektiver Dokumente ihrer Wesensheit nachzugehen und damit jenen Bestrebungen, den Juden generell Mannesmut, Pflichterfüllung und Selbstaufopferung abzusprechen, entgegenzutreten. Nicht nur der Kampf gegen den Antisemitismus erfordert diese Ausgabe. Die heranwachsende Generation junger Juden darf und muss von der Art der jüdischen Soldaten die volle Wahrheit erfahren, muss von Männern hören, die Seite an Seite mit ihren nichtjüdischen Kameraden Gut und Blut freudig und stolz der Staatsidee geopfert haben.

Wenn wir so Juden als Helden reklamieren, so sind wir uns bewusst, daß der Beweis nicht einfach zu erbringen ist. Der Begriff des Heldentums hat wenig objektive Merkmale. Mancher Held der Geschichte verlor durch neue Enthüllungen oder hielt den Maßstäben andrer Zeiten nicht mehr stand. Bekannt ist die Börnesche Kritik an dem Schillerschen Nationalheros Tell, dessen Tat dem Frankfurter ehemaligen Polizeibeamten aus dem Hinterhalt heraus wenig ansprechend schien. Vielleicht passt hierher das Wort Friedrich des Großen, daß Alexander der Große ein Straßenräuber gewesen sein mag, den aber zum mindesten sein Biograph geschickt zum Helden, zum göttlichen Heros gemacht hat. Das Urteil der Umwelt, die Macht eines großen Schriftstellers kann den Verdienst vergrößern. Außerdem beeinflussen die verschiedene Beurteilung des Beschauers, die schwankende Vorstellung des Moralischen unserer Taten, der Wechsel des Maßstabes, und der ausgelösten Wirkungen den Wert und die Benennung der Dinge. Die Taten eines Götz von Berlichingen, eines Don Carlos, einer Corday, ja eines Napoleon, wechselten als heroisch im Lichte des Tages und der Geschichte. Jeanne d’Arc gilt den einen als ein hysterisches Mädchen, als Typus psycho-pathologischer Weiblichkeit, auf der anderen Seite wurde ihr nicht nur der Heiligenschein verliehen, sondern an ihren Namen die Gloriole des höchsten Heldentums geknüpft.

Und trotzdem begeben wir uns auf dieses schlüpfrige Parkett. Weil wir glauben, daß unbeschadet all dieser Einwände eine Summe von Energie, selbstloser Hingabe und Todesverachtung immer wieder Bewunderung wecken muss. Aber wo können wir diese nachweisen. Wo müssen wir sie suchen und wo können wir sie darstellen?

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Juedische Flieger im Kriege