Die Auswanderer auf der Schwarzen Heide bei London.

Die englische Regierung war für die Aufnahme solcher Massen gar nicht vorbereitet. 1.400 wurden in einem Warenlager untergebracht, viele in den Vororten Londons. Tausend Armeezelte gaben der Mehrheit notdürftige Unterkunft auf der Schwarzen Heide zwischen London und Greenwich. Zuerst war die Freigebigkeit auf die Mahnungen und das gute Beispiel der Königin hin groß und man hatte Mitleid mit den Flüchtlingen. Mitte Juni waren schon 6.520 Menschen über den Ka­nal gekommen. Fast jeden Tag kamen neue nach. Das Lager wurde ein beliebter Ausflugsort für die Londo­ner, die sich die Auswanderer beguckten als Sehens­würdigkeit. Man bemitleidete sie, beschenkte sie, man lachte auch und spottete über sie. Ein in London erschienenes Flugblatt schrieb: „Ihre Zeit verbringen sie mit Arbeit und Gottesdienst. Sie haben morgens und abends Gebete und jeden Sonntag eine Predigt. Einige beschäftigen sich mit Anfertigen billiger Spielsachen, welche sie der täglich sie besuchenden Menge für ein Geringes ablassen. Sie geben sich mit sehr gewöhnlicher Nahrung zufrieden. Ihr Brot ist braun und das von ihnen genossene Fleisch von der minder­wertigsten Sorte. Aber sie verzehren dasselbe unter Zugabe einiger Wurzeln und Kräuter in Frohsinn und Dankbarkeit. Im ganzen erweisen sie sich unschuldig, arbeitsam, friedfertig, so daß sie eher ein Segen als ei­ne Bürde für jenes Land sein dürften, in dem sie angesiedelt werden sollen.“

Diese Flugschrift war zur Verteidigung geschrieben. Denn immer mehr erhoben sich Stimmen gegen die Deutschen. Wozu brauche man noch Zuzug von Ar­men, die man ernähren müsse, wo man doch selber ge­nug im Lande habe? Es kamen Beschwerden von der Londoner Bevölkerung, die fürchtete, Extrasteuern wegen der Deutschen bezahlen zu müssen. Die Erregung wurde so groß, daß das Gesetz, wonach die Deutschen englische Staatsbürger werden sollten, aufgehoben wurde. Es war die Einbürgerung von Fremden beschlossen worden, als es galt, die großen Kapitalien der aus Frankreich geflohenen Hugenotten für England festzuhalten. An den armen Deutschen hatte man kein Interesse. Die Stimmung schlug immer mehr zum Schlimmen um. Die Kosten wuchsen, die freiwilligen Spenden hörten auf. Für Unterhalt und Beförderung wurden beim Parlamentsausschuß 135.775 Pfund Ster­ling berechnet. Da ist es verständlich, daß man immer mehr suchte, die Last loszuwerden. Auch für die Deutschen wurde die Lage unerträglich. Waren sie dazu aus der Heimat gegangen, um hier im Elend zugrunde zu gehen? In den vollgepfropften Lagern ohne sanitäre Einrichtungen brachen Seuchen aus, so daß über tausend starben. So mußte gehandelt werden.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches J. K. Weiser, Vater und Sohn