„Das goldene Buch“ lockt nach Amerika.

Da kam wie eine Rettung aus dem Himmel eine englische Flugschrift ins Land, „Das Goldene Buch“. Sie hatte diesen Namen, weil ihr mit dem Bild der Königin Anna geschmückter Titel in Gold gedruckt war. Darin wurde das Leben in Amerika verlockend geschildert. Dort herrschte Freiheit, dort war man sicher vor grau­samen Feinden und vor brutalen Landesfürsten. Dort gab es Land genug für jeden. Dort war jeder seines Glückes Schmied. Dort arbeitete man für sich selbst und seine Kinder, und es herrschte Religions- und Ge­wissensfreiheit. Die Überfahrt in dieses gelobte Land sollte sogar frei sein.

Das war Himmelsmusik in den Ohren der Armen, die nur Kriegsgeschrei und Wehklagen seit Jahren gehört hatten. Es klang kaum glaubhaft wie ein Märchen. Darüber vergaß man alle Schwierigkeiten und Gefahren. Man durchschaute nicht, daß es den Engländern nicht bloß um Menschenfreundlichkeit und um Unter­stützung des Protestantismus ging, sondern auch um billige Arbeitskräfte und Schutztruppen gegen Indianer und Franzosen. Man hörte nur den Lockruf ,,Freiheit und Brot“, und bald ging ein Rüsten an in allen Dör­fern und Städtchen im unteren Schwabenland und in der Pfalz zum großen Zug über das Meer.


Andere waren ja schon vorausgezogen. Man hatte viel gehört von dem frommen Engländer Penn, dem Sohn des großen Admirals, des Eroberers von Jamaika. Er hatte als Quäker für seinen Glauben viel leiden, sogar im Gefängnis schmachten müssen. In Nordamerika hatte er eine Freistatt gegründet für alle wegen ihrer re­ligiösen Anschauungen Verfolgten. Es war ihm dort als Entschädigung für eine Forderung von 16.000 Pfund Sterling, die sein Vater an die englische Krone hatte, ein großes Gebiet am Delaware, südlich von Neuyork, zugewiesen worden, das er dann trotzdem nochmals den Indianern abkaufte, um aller Gerechtigkeit Genüge zu tun. Penn hatte selber mit deutschen Predigten unter den Mennoniten am Unterrhein geworben. Solche waren dann unter der Führung von Pastorius nach Pennsylvanien gefahren, wie das Land Penns hieß. In Deutschland sprach man von der Insull Phani­en und stellte sich darunter das Gelobte Land vor. Die Hauptstadt, 1681 gegründet, hieß Philadelphia, das heißt Stadt der Bruderliebe. Nicht weit davon wurde den Deutschen Land zugeteilt und sie gründeten die erste deutsche Stadt Germantown am 24. Oktober 1683, die heute ein Vorort von Philadelphia ist. Von hier ging 1688 die erste Protestschrift gegen die Sklaverei aus: „Oh, die Ihr solche Dinge tut, überlegt, ob Ihr in gleicher Weise behandelt werden möchtet, und ob es sich mit wahrem Christentum verträgt.“

Von dem allem hatte man in der Heimat gehört, auch daß Pfarrer Josua von Kochertal 1708 mit 55 Leuten aus der Pfalz in England gut aufgenommen und wohl­behalten in die Nene Welt gekommen war. Sie hatten dort die Siedlung Neuburg gegründet und waren sogar kostenfrei in England naturalisiert worden. Aus einem Pfälzer ein Engländer werden können, hieß damals dem Elend entfliehen in eine bessere Welt.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches J. K. Weiser, Vater und Sohn