Wieder bei den Seinen. In schwerster Bedrängnis ihr Dolmetscher.

Er kam nach acht Monaten Wigwam-Leben wieder zu den Seinen, als diese eben begannen, unter fürchterlichsten Entbehrungen und Mühen im Schoharietal nach der Flucht aus der Zwangsarbeit am Hudson sich eine Heimat aufzubauen. Da gab es also wiederum nichts anderes als Hunger und Mühsal. Außerdem berichtet er: „Um selbige Zeit war ich sehr krank und glaubte, ich würde sterben, wäre auch gern gestorben – meine Stiefmutter war eine Stiefmutter in der That; ich wurde auf ihre Veranlassung von meinem Vatter hart gehalten, hatte sonst keinen Freund und mußte Hunger und Kälte ausstehn, hatte mir öfters vorgenommen, wegzulaufen, aber in gemeldeter Krankheit ward mir Zaum und Gebiß ins Maul gelegt, ich ward gleichsam wie mit einem Strick gebunden, Gehorsam zu leisten und bei meinem Vatter zu bleiben.“

Der schwäbischen Kolonie war er unentbehrlich, da er durch die Vertrautheit mit Sprache und Art der Indianer die vielen Streitfälle immer wieder schlichten konnte. Von seiner diplomatischen Geschicklichkeit wie von seiner körperlichen Leistungsfähigkeit zeugt folgende Geschichte: „Im August 1714 vereinbarten die Indianer mit den Deutschen ein Wettrennen. Als Gewinn setzten sie eine Menge Rotwildhäute, wogegen die Deutschen einige ihrer von den Indianern be­gehrten Gegenstände wie Messer, Beile, Tücher anboten. Beide Parteien versammelten sich in Weisersdorf. Auf seiten der Indianer kämpfte ein junger Mann, der als der schnellste bei ihnen anerkannt war. Die Deut­schen stellten Konrad Weiser gegen ihn auf. Der Start war oberhalb des Dorfs. Die Strecke war die Straße durch das ganze Dorf – die Dörfer waren entlang einer Straße gebaut –. Das Ziel war das letzte Haus im Dorf. Beim gegebenen Signal legten die beiden los mit der Schnelligkeit von Antilopen. Mit der ängstlichsten Spannung verfolgten die beiderseitigen Angehörigen den Lauf. Die beiden konnten einander kaum einen Vorsprung abgewinnen. Der Sieg war bis zum letzten Augenblick ungewiß. Nahe beim Ziel, als sie um eine Ecke kamen, rannten sie mit solcher Wucht aneinander, daß der Indianer gegen das Gebäude flog und fiel. Der Deutsche gewann. Unter den Deutschen herrschte Jubel, unter den Indianern Erbitterung, die in Drohun­gen überging. Es sei nicht mit ehrlichen Mitteln gekämpft worden. Jeden Augenblick konnte es zu Tätlichkeiten kommen. Der junge Weiser aber war klüger als seine Landsleute, er kannte den Charakter sei­ner roten Freunde besser und wußte, daß ein so geringfügiger Zank bei ihnen leicht mit Mord und Totschlag endigte. So ging er zu den Indianern, bedauerte aufs tiefste den unglücklichen Zufall und verzichtete auf den Preis. Nun wollten die Indianer an Edelmut nicht nachstehen und nötigten ihm die Hirschfelle auf. So endete alles in Frieden.“ Durch solche genaue Kenntnis des Charakters, der Sprache und Anschauungen der Indianer wurde Weiser der unentbehrliche Ratgeber seiner Landsleute wie auch der unersetzliche Vermitt­ler zwischen der englischen Regierung und den Indianern. Ihm allein ist es zu verdanken, wenn durch Jahr­zehnte hindurch das schwierige Verhältnis zwischen den weißen Eroberern und den rothäutigen Ureinwoh­nern immer wieder gut war, so daß die Kolonien in Ru­he und Frieden sich entwickeln konnten. G. E. Ellis nennt ihn in J. Winsors „Geschichte Amerikas“ in höchster Anerkennung „den fähigsten und klügsten Dolmetscher, den die Briten während geraumer Zeit verwandten, und der bei Beratungen zur Durchführung der wichtigsten Verträge dieser Zeit diente, ein außergewöhnlicher Mann, ebenso durch kühnsten Abenteurergeist, wie innigste Frömmigkeit ausgezeichnet“.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches J. K. Weiser, Vater und Sohn