Der Huldretanz in der Sylvesternacht
Zwei Brüder stritten sich, ob es Huldrevolk gäbe. Der eine behauptete, dass es existiere, der andere aber bestritt es entschieden. So ging es eine Zeitlang, bis derjenige, der das Dasein des Huldrevolks leugnete, aufbrauste und sagte, er wolle ausziehen und nicht eher wiederkommen, bis er Gewissheit bekommen hätte, ob es Huldrevolk gäbe oder nicht. Da wanderte er über Berge und unbewohnte Landstrecken, Hügel und Täler, wurde aber doch nicht klüger.
Es wird von seiner Reise weiter nichts berichtet, bis er eines Silvesterabends nach einem Hof kam, auf dem die Leute sehr traurig waren. Der Reisende war redselig und fragte, was ihre Freude so trübe. Die Ursache dazu wäre, erzählten sie, dass niemand zurückbleiben wolle, um den Hof zu hüten, während die übrigen zum Gottesdienst ritten; denn in jeder Neujahrsnacht wäre seit langer Zeit der Hüter des Hofes verschwunden, und darum wolle niemand zurückbleiben; jeder, der es täte, erwarte ja seinen Tod. Der Fremde bat die Leute, sich vor solchem abergläubischen Gerede nicht zu fürchten, und erbot sich, den Hof zu hüten. Hierüber fiel allen ein Stein vom Herzen, aber sie waren doch in Furcht und Ängsten, wie es ablaufen würde.
Als die Leute des Hofes zum Gottesdienst fortgeritten waren, begann er, ein Brett aus der Wandbekleidung über dem ersten Bett in der Badstube*) zu lösen und kroch zwischen Wand und Wandbekleidung hinein, schob dann das Brett wieder vor, ließ aber doch eine kleine Ritze stehen, damit er die ganze Badstube überblicken könnte. Der Hund aber, der bei ihm war, lag auf dem Fußboden. Eine kleine Weile, nachdem er das geordnet hatte, vernahm er Geräusch von Menschenstimmen und Fußtritten draußen, und gleich darauf hörte er eine Menge Menschen in die Badstube kommen. Er sah, dass der Hund gepackt und zu Boden geschleudert wurde, so dass jeder Knochen in ihm zerbrach; dann hörte er, dass die eben Angekommenen miteinander davon sprachen, dass es auf dem Hofe nach Menschen röche; einige meinten aber, dass das nicht so verwunderlich sei, da die Leute eben erst zum Gottesdienst gegangen waren.
*) Die gemeinsame Wohn- und Schlafstube.
Nachdem diese Gäste sich umgesehen hatten, sah der Mann, der auf der Lauer saß, dass sie einen Tisch in die Badestube stellten und eine golddurchwirkte Decke, eine große Kostbarkeit, darüberbreiteten, und dass alles, womit sie den Tisch deckten, dazu passte; Schüsseln und Teller, Trinkgeschirr und Messer, alles war aus Silber. Dann setzten sie sich zu Tisch, und alles ging mit großem Anstand her. Sie ließen einen Jungen an der Tür Posten stehen, der aufpassen sollte, wann der Tag anbräche, und der war entweder draußen oder drinnen. Der Mann beobachtete, dass der Junge jedes Mal, wenn er hereinkam, gefragt wurde, wie spät es jetzt wäre; er aber erwiderte immer, dass es noch lange Zeit sei bis zum Tag.
Nun begann der Mann allmählich, von der Zwischenwand etwas loszulösen, damit er schnellhinauskommen könnte, wenn es notwendig sein sollte. Als die Fremden aber satt waren, sah er, dass ein Mann und eine Frau vorgeführt wurden, und dann sah er einen Dritten, der ihm ein Priester zu sein schien, ihnen entgegenkommen. Dann begann ein Gesang, und die üblichen Hochzeitspsalmen wurden gesungen, und alles ging zu, wie es bei guten Christen Sitte ist. Als die Trauung beendet war, wurde getanzt, und die Freude dauerte eine Weile. Als sie eine Zeitlang getanzt hatten, kam der Türhüter des Huldrevolks herein und wurde wieder gefragt, ob noch viel von der Nacht übrig wäre, und er antwortete, dass noch der sechste Teil übrig sei. Da rief der Lauernde, der sich aus der Öffnung geschlichen hatte und hinter dem Türhüter stand: „Du hast gelogen, denn jetzt steht der Tag mitten am Himmel!“ Hierüber war das tanzende Huldrevolk so entsetzt, dass es augenblicklich seinen Türhüter erschlug; mittlerweile aber kroch der Mann, der den Hof bewachen sollte, wieder zwischen die Wand und deren Bekleidung. Als das Huldrevolk den Türhüter getötet hatte, liefen alle, so schnell sie konnten, hinaus, wie Lämmer auf einem Schafsteg, und ließen all ihre Sachen zurück. Als der Mann das sah, verfolgte er sie in einiger Entfernung, und das letzte, was er von ihnen sah, war, dass sie sich in einen See in der Nähe des Hofes stürzten. Dann kehrte er wieder nach Hause zurück und sammelte alles, die Speisenreste und das kostbare Geschirr.
Kurz darauf kamen die Leute des Hofes aus der Kirche nach Hause; sie waren erfreut, den Mann, der den Hof gehütet hatte, zu sehen, und fragten ihn, ob er etwas gemerkt hätte. Er erwiderte, dass es nicht viel gewesen sei, und er erzählte ihnen dann alles. Da wurde es den Leuten klar, dass sich die früheren Hüter gezeigt haben müssten, und dass das ihr Verderb geworden war, genauso, wie es der des Hundes wurde, der gesehen worden war.
Die Leute des Hofes dankten dem Mann, der den Hof gehütet hatte, mit vielen und schönen Worten für seinen Mut und schenkten ihm alles, was das Huldrevolk zurückgelassen hatte und er nur forttragen konnte. Dann wanderte er nach Hause und traf dort seinen Bruder an. Er erzählte ihm nun alles und sagte zugleich, er würde nun nicht mehr bestreiten, dass es Huldrevolk gäbe. Später übernahm er nach seinen Eltern den Hof, heiratete und hatte Glück in allen Unternehmungen seines Lebens. Er wurde für einen trefflichen Mann in seiner Gegend gehalten, war strebsam und wusste guten Rat in schwierigen Fällen. Von dem Hof aber, den er in jener Nacht gehütet hatte, wird erzählt, dass dort nie mehr ein Mensch in einer Silvesternacht verschwand.
Es wird von seiner Reise weiter nichts berichtet, bis er eines Silvesterabends nach einem Hof kam, auf dem die Leute sehr traurig waren. Der Reisende war redselig und fragte, was ihre Freude so trübe. Die Ursache dazu wäre, erzählten sie, dass niemand zurückbleiben wolle, um den Hof zu hüten, während die übrigen zum Gottesdienst ritten; denn in jeder Neujahrsnacht wäre seit langer Zeit der Hüter des Hofes verschwunden, und darum wolle niemand zurückbleiben; jeder, der es täte, erwarte ja seinen Tod. Der Fremde bat die Leute, sich vor solchem abergläubischen Gerede nicht zu fürchten, und erbot sich, den Hof zu hüten. Hierüber fiel allen ein Stein vom Herzen, aber sie waren doch in Furcht und Ängsten, wie es ablaufen würde.
Als die Leute des Hofes zum Gottesdienst fortgeritten waren, begann er, ein Brett aus der Wandbekleidung über dem ersten Bett in der Badstube*) zu lösen und kroch zwischen Wand und Wandbekleidung hinein, schob dann das Brett wieder vor, ließ aber doch eine kleine Ritze stehen, damit er die ganze Badstube überblicken könnte. Der Hund aber, der bei ihm war, lag auf dem Fußboden. Eine kleine Weile, nachdem er das geordnet hatte, vernahm er Geräusch von Menschenstimmen und Fußtritten draußen, und gleich darauf hörte er eine Menge Menschen in die Badstube kommen. Er sah, dass der Hund gepackt und zu Boden geschleudert wurde, so dass jeder Knochen in ihm zerbrach; dann hörte er, dass die eben Angekommenen miteinander davon sprachen, dass es auf dem Hofe nach Menschen röche; einige meinten aber, dass das nicht so verwunderlich sei, da die Leute eben erst zum Gottesdienst gegangen waren.
*) Die gemeinsame Wohn- und Schlafstube.
Nachdem diese Gäste sich umgesehen hatten, sah der Mann, der auf der Lauer saß, dass sie einen Tisch in die Badestube stellten und eine golddurchwirkte Decke, eine große Kostbarkeit, darüberbreiteten, und dass alles, womit sie den Tisch deckten, dazu passte; Schüsseln und Teller, Trinkgeschirr und Messer, alles war aus Silber. Dann setzten sie sich zu Tisch, und alles ging mit großem Anstand her. Sie ließen einen Jungen an der Tür Posten stehen, der aufpassen sollte, wann der Tag anbräche, und der war entweder draußen oder drinnen. Der Mann beobachtete, dass der Junge jedes Mal, wenn er hereinkam, gefragt wurde, wie spät es jetzt wäre; er aber erwiderte immer, dass es noch lange Zeit sei bis zum Tag.
Nun begann der Mann allmählich, von der Zwischenwand etwas loszulösen, damit er schnellhinauskommen könnte, wenn es notwendig sein sollte. Als die Fremden aber satt waren, sah er, dass ein Mann und eine Frau vorgeführt wurden, und dann sah er einen Dritten, der ihm ein Priester zu sein schien, ihnen entgegenkommen. Dann begann ein Gesang, und die üblichen Hochzeitspsalmen wurden gesungen, und alles ging zu, wie es bei guten Christen Sitte ist. Als die Trauung beendet war, wurde getanzt, und die Freude dauerte eine Weile. Als sie eine Zeitlang getanzt hatten, kam der Türhüter des Huldrevolks herein und wurde wieder gefragt, ob noch viel von der Nacht übrig wäre, und er antwortete, dass noch der sechste Teil übrig sei. Da rief der Lauernde, der sich aus der Öffnung geschlichen hatte und hinter dem Türhüter stand: „Du hast gelogen, denn jetzt steht der Tag mitten am Himmel!“ Hierüber war das tanzende Huldrevolk so entsetzt, dass es augenblicklich seinen Türhüter erschlug; mittlerweile aber kroch der Mann, der den Hof bewachen sollte, wieder zwischen die Wand und deren Bekleidung. Als das Huldrevolk den Türhüter getötet hatte, liefen alle, so schnell sie konnten, hinaus, wie Lämmer auf einem Schafsteg, und ließen all ihre Sachen zurück. Als der Mann das sah, verfolgte er sie in einiger Entfernung, und das letzte, was er von ihnen sah, war, dass sie sich in einen See in der Nähe des Hofes stürzten. Dann kehrte er wieder nach Hause zurück und sammelte alles, die Speisenreste und das kostbare Geschirr.
Kurz darauf kamen die Leute des Hofes aus der Kirche nach Hause; sie waren erfreut, den Mann, der den Hof gehütet hatte, zu sehen, und fragten ihn, ob er etwas gemerkt hätte. Er erwiderte, dass es nicht viel gewesen sei, und er erzählte ihnen dann alles. Da wurde es den Leuten klar, dass sich die früheren Hüter gezeigt haben müssten, und dass das ihr Verderb geworden war, genauso, wie es der des Hundes wurde, der gesehen worden war.
Die Leute des Hofes dankten dem Mann, der den Hof gehütet hatte, mit vielen und schönen Worten für seinen Mut und schenkten ihm alles, was das Huldrevolk zurückgelassen hatte und er nur forttragen konnte. Dann wanderte er nach Hause und traf dort seinen Bruder an. Er erzählte ihm nun alles und sagte zugleich, er würde nun nicht mehr bestreiten, dass es Huldrevolk gäbe. Später übernahm er nach seinen Eltern den Hof, heiratete und hatte Glück in allen Unternehmungen seines Lebens. Er wurde für einen trefflichen Mann in seiner Gegend gehalten, war strebsam und wusste guten Rat in schwierigen Fällen. Von dem Hof aber, den er in jener Nacht gehütet hatte, wird erzählt, dass dort nie mehr ein Mensch in einer Silvesternacht verschwand.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Isländische Märchen und Volkssagen