Thesaurierung von Noten.

5. Nach der politischen Umwälzung im Deutschen Reich hat die Thesaurierung von Papiergeld in ungeahnter Weise zugenommen. Vom 23. September 1918 bis zum 1. Juli 1919 ist der Notenumlauf der Reichsbank um 15,5 Milliarden Mark, der Umlauf an Darlehnskassenscheinen um 3,5 Milliarden Mark gestiegen. Insgesamt betrug der Umlauf an Papiergeld am 1. Juli 1919 einschließlich des noch im Verkehr befindlichen Notgeldes der Gemeinden rund 43,5 Milliarden Mark, gleich rund 640 Mark auf den Kopf der Bevölkerung, gegen 338 Mark am 23. September 1918 und gegen 30 Mark am 23. Juli 1914, dem letzten Ausweistag vor dem Kriege. Die Gründe für die starke Steigerung des Papiergeldumlaufs in den letzten 9 Monaten sind zu durchsichtig, um die Steigerung anders zu erklären als durch Zurückhaltung von seiten der Einzelwirtschaften. Mindestens 25 Milliarden Mark Papiergeld dürften am 1. Juli 1919 in den Kassen der Einzelwirtschaften, einschließlich der des Auslandes aufgestapelt, eingesperrt, thesauriert gewesen sein. Insofern ist es jetzt zulässig, zu sagen, dass (wie in Frankreich, so auch) in Deutschland die Inflation in der Zunahme des Notenumlaufes zum Ausdruck komme, wobei aber dann sofort zu bemerken ist, dass das Papiergeld nicht die einzige und auch nicht die bedeutsamste Erscheinungsform der Inflation (Depositen!) darstellt. Freilich sind die thesaurierten Noten die für die Preise gefährlichste Erscheinungsform der Inflation. Merkwürdigerweise wird dies hier und dort selbst von denjenigen übersehen, die das Wesen der Inflation in dem stark erhöhten Notenumlauf erblicken. Gewiss ist die Note, solange sie thesauriert ist, der Einwirkung auf die Preise entzogen (wozu noch kommt, dass sie für das Reich ein unverzinsliches Darlehen bedeutet). Da die freiwillig eingesperrten Noten aber jederzeit und ohne Förmlichkeiten am Gütermarkt verwendet werden können, die Noten die mobilste Form der Kaufkraft (eben Geld) darstellen, so tritt die Gefahr für die Preise in dem Augenblick ein, wo die Noten dem Gewahrsam entspringen und zum Kaufen verwendet werden. Die Gefahr für die Preise ist umso größer, je geringer die Neigung der Notenhamsterer ist, die Noten zur Kapitalanlage (Kriegsanleihe) zu verwenden. Da auf der anderen Seite das Reich ein großes Interesse daran hat, seine gewaltigen schwebenden Schulden zu konsolidieren, so wird es darauf ankommen, die thesaurierten Noten im geeigneten Augenblick durch die Auflegung einer mit den nötigen Anreizen ausgestatteten langfristigen Anleihe vom Markte der Konsumgüter abzuziehen. Darauf ist bei den Maßnahmen zur Beseitigung der Inflation (2. Teil) zurückzukommen.