Die Werbung -3-



Auf dem Stein saß immer noch der Mann. Es war fast, als warte er auf jemand. Erst als er den Schäfer auf sich zukommen und kein anderes menschliches Wesen in der Nähe sah, stieg er von seinem erhöhten Sitz herab und blieb unten am Felsblock stehen, bis der andere herankam.


„Hallo, Jack, auch in den Minen?“ sagte Smith.

Der Fremde lächelte eigenartig. „Das könnte ich dich wohl noch eher fragen, Mate. Als ich zuletzt in der Stadt war, hatten sie dich hinter einer Verzierung aus Eisenstäben und brachten dir dein Futter in einem Tonnapf.“

„Hm“, sagte Smith und schob die Hände noch tiefer in die Taschen. „Das ist besseren Leuten auch schon so gegangen.“

„Bitte um Entschuldigung, Mate, wenn dir die Erinnerung unangenehm ist“, lächelte der Fremde. „Aber wen bringst du da in die Minen?“

„Eine Ladung Grüner“, sagte Smith trocken.

„Festes Engagement?“

Der alte Schäfer warf dem anderen wieder einen seiner drolligen und verschmitzten Seitenblicke zu und sagte dann:

„Ganz fest, für dreißig Tage als Goldsucher gebunden.“

„Schade, ich hätte dich wahrscheinlich in diesen Tagen zu einem kleinen Spaziergang eingeladen.“

„Da müßtest du aber bald kommen“, meinte Smith trocken. „Sonst könntest du mich am Ende nicht zu Hause antreffen.“

„Ach so, na, dann ist es gut. Bleibt ihr jetzt hier?“

„Zunächst ja, kommt ganz auf dich an, wo bist du jetzt zu finden?“

„An der Fork.“

„Schön, good bye, Jack“, sagte der Schäfer, drehte sich um und ging wieder in das Tal hinunter.

Von Hafften war inzwischen mit seinem neuen Bekannten bis Bathurst marschiert. Dort kehrten sie gemeinsam in Mrs. Blacks Gasthaus ein, verloren sich aber hier aus den Augen, denn ein großer Menschenschwarm wogte durch die Räume und die ganze Stadt, und jeder wollte neue Goldgerüchte hören. Da benötigte man schon ein festeres Band, um zwei Personen in Verbindung zu halten, als nur eine flüchtige Bekanntschaft auf der Straße.

Hafften hörte hier von den erst entdeckten reichen Minen am Turon. Am selben Abend fand er eine Gelegenheit, sein Gepäck dorthin zu schicken. Deshalb nutzte er sie und wanderte mit neuen Begleitern neben dem Wagen her. Es war ohnehin nur Glückssache, welchen Ort man für seine Arbeit wählte. Und Hafften lag auch viel daran, das Leben und Treiben in diesen Minen kennenzulernen und nicht unbedingt selbst ausdauernd nach Gold zu graben.

Eine bunter gemischte Gesellschaft hätte er auch in Kalifornien kaum finden können. Engländer, Deutsche und Franzosen schwatzten und lachten wild durcheinander, und alle waren bester Laune. Und trotzdem war es völlig anders als in Kalifornien, wo viele aus dem spanischen Raum abstammten, aber nur der Amerikaner allein regierte.

Spanische Abkömmlinge hatten sich hierher noch wenig oder gar nicht verirrt. Aber hier würde man ihnen auch keine Hindernisse in den Weg legen, genauso wenig wie den Deutschen oder Franzosen. Wenn das Gespräch auf dieses Thema kam, herrschte eine bittere Stimmung gegen die Amerikaner. Die Vigilance committees, die Bürgerwehren, hatten gerade in Kalifornien ihre Tätigkeit aufgenommen und einigen von Australien herübergekommenen Engländern übel mitgespielt. Wo sich deshalb Amerikaner unter dem englischsprechenden Teil der Bevölkerung befanden, machten sie wegen ihrer Nationalität kein Aufhebens und vermieden alles, was darauf schließen ließ.

Am Turon nahm die Sorge für ein Nachtlager gleich alle in Anspruch. Vor allen Dingen mußten die verschiedenen Zelte aufgeschlagen und eine Feuerstelle eingerichtet werden. Holz gab es damals bei der ersten Besiedlung des Platzes noch genug, Proviant war reichlich vorhanden, und als sich die Sonne hinter die ziemlich hohen Hügelrücken senkte, lagen die Männer schon um ihre Feuer ausgestreckt lachend und plaudernd zusammen. Sie träumten und phantasierten von goldenen Schätzen, die vielleicht ihre Adern selbst unter ihrem Lager ausstreckten und nur auf Spitzhacke. und Schaufel warteten, um geduldig in der Pfanne ausgewaschen zu werden.

Ein reges Leben herrschte jetzt an dem sonst stillen, ja öden Bergstrom. Die dunklen Kasuarinen mochten staunen, als Schwarm nach Schwarm des gierigen Menschenvolkes in das Tal strömte und die klare Mut in flüssigen Lehm verwandelte. Die Schätze des Turon waren verraten, und immer neue Massen drängten herbei, um noch irgendwo am Ufer einen kleinen freien Platz zu finden, wo sie hacken konnten.

Wie das unten am Wasser an den Maschinen rasselte! Vor drei Tagen waren noch keine zehn Menschen am ganzen Wasserlauf gewesen, jetzt standen schon fünfzig Zelte, und kaum zehn Schritte auseinander wühlten sich die verschiedenen Gruppen und Partner in den Lehmboden.

Brillante Geschäfte machten die Verkaufszelte. Zwischen den Händlern befanden sich zahlreiche deutschstämmige Juden, die ihre Warenballen auspackten und zeigten. Dabei verkauften sie lustig gegen Goldstaub statt klingender Münze.

Auch hier zeigte sich ein gewaltiger Unterschied zu Kalifornien. Die Menschen schienen hier schlauer und gieriger zu sein als dort. In Kalifornien wurde nämlich das gesamte Gold im vollen Wert und Gewicht angenommen, ob es Quarzstücke enthielt oder nicht. Einige hübsche Stücke, die mit Quarz durchwachsen waren und „Specimens“ genannt wurden, handelte man sogar noch höher als zum Gewichtspreis. Hier in Australien war das nicht der Fall. Die meisten Händler brachten sich einen kleinen Amboß mit in die Minen. Wo sie den nicht hatten, genügte auch ein großer Stein. Darauf wurde jedes Stück, das die kleinste Quarzspur zeigte, erbarmungslos geklopft und gehämmert, bis alles Unedle heraus war und damit auch eine Menge Goldsplitter mit weggespritzt waren. Erst dann legte es der Händler auf die Waage.

Zwischen all den arbeitenden Menschen ritt oft allein, oft von Polizeisoldaten begleitet, der Kommissär, der den Preis für die Lizenz einkassieren mußte. Langsam suchte er das ganze Flußufer ab, bald auf dieser, bald an jener Seite. Mann für Mann mußte seine dreißig Schilling bezahlen und bekam dafür von ihm einen meist nur sehr begrenzten Raum garantiert, auf dem er ungehindert arbeiten konnte. Offener Widerstand gegen ihn fand nirgendwo statt. Mr. Green, wie der Kommissär hieß, erfüllte seine Pflicht so taktvoll und, wo es erforderlich war, auch mit Energie, daß er sich immer freundlich mit den Minern stellte.

So wenig Leute er aber auch zu brauchen schien, so wurde doch allmählich die Polizeitruppe da oben verstärkt. Es war noch alles zu neu, und man konnte nicht wissen, wie eine Masse früherer Sträflinge, die hier zusammenströmte, sich verhalten würde. Dann brauchte man auch einige Polizeisoldaten, um die Gouvernementskasse und das Postzelt zu überwachen, ebenso die abgehenden Sendungen und auch den Postwagen nach Sydney zu begleiten. Der letzte Überfall war zu frech und erfolgreich ausgeführt worden. Die Versuchung wurde jetzt, wo viele Händler stets eine größere Summe von Waschgold zur Hauptstadt brachten, mit jedem Tage stärker.

Außerdem hatte aber auch die Regierung bekannt gegeben, daß sie für eine bestimmte Summe die Garantie für Goldsendungen nach Sydney übernähme. Eine solche Eskorte sollte demnächst zur Hauptstadt abgehen. Natürlich mußte sie gerade besonders stark bewacht werden, denn bei einem solchen Goldtransport wäre die Verlockung für viele doch etwas zu stark gewesen. Eine Anzahl Bewaffneter brauchte man aber nicht zu fürchten, wenn man ihr die Spitze bieten würde.

Dadurch war eine gewisse Sicherheit in die Minen gekommen, mochten sie so entfernt vom gewöhnlichen Verkehr liegen, wie sie wollten. Die zahlreichen lockeren Charaktere, die es genügend in den Minen gab, trauten sich noch nicht, ihren alten „Beruf“ auszuüben. Vielleicht waren sie auch neugierig, wieviel Glück sie beim ehrlichen Goldwaschen haben würden, ein Versuch erschien immer lohnenswert. Tatsache ist, daß gerade in den ersten Wochen in dem großen Gebiet kein einziger Raubüberfall oder selbst nur ein Diebstahl der Polizei angezeigt wurde. Fast schien es, als wollten die australischen Konvikts den Yankees in Kalifornien beweisen, daß sie den Namen nicht verdienten, den die ihnen gaben und unter dem sich die Amerikaner auch die Freiheit genommen hatten, eine Anzahl Australier aufzuhängen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Im Busch