Das Lager im Busch -2-



„Blut ist Blut“, knurrte aber auch Bob, der nichtsdestotrotz dabei an einer erst halbgaren Hammelrippe kaute, und das Fett lief an seinen Mundwinkeln herunter. „Es bleibt immer ein unangenehmes Gefühl, wenn man den Strick hinter sich weiß!“


„Sollte ich ihn vielleicht laufenlassen, damit er nach in Sydney Alarm schlägt und wir alle wie ein Dingo 2) im Wald zu Tode gehetzt werden?“

„Das wäre auch eine verdammte Geschichte, das ist wahr“, bestätigte Jim. „Daß du aber auch den schwarzen Lappen vom Gesicht verlieren mußtest! Es geht doch bei solchen Gelegenheiten nichts über das Anmalen, und man hat nie Unannehmlichkeiten dadurch.“

„Jetzt ist es passiert und nicht mehr zu ändern“, sagte Bill trotzig. „Jedenfalls verrät der nichts mehr!“

„Bist du auch sicher, daß er tot ist?“ fragte Jenkins, der sich bislang nicht um das Gespräch gekümmert und nur mit der Behandlung des Fleisches auf den Kohlen beschäftigt hatte.

Bill sah ihn rasch an.

„Ganz bestimmt“, sagte er. „Die Ladung muß ihm ja die Jacke verbrannt haben, so nahe war ich, und den Schuß kann er keine Minute überlebt haben.“

„Dann ist es auch unnötig, hinterher noch ein so großes Geschrei zu machen“, philosophierte der Bushranger. „Blut ist Blut, das ist richtig, aber ein Strick ist auch ein Strick, und sicher bleibt sicher. Bill hat wie ein Mann gehandelt, ich hätt’s selbst nicht besser machen können.“ Als ob das das größte Lob sei, daß er spenden konnte, stach er mit seinem Messer in ein paar der jetzt durchgebratenen Rippenstücke und begann seine eigene Mahlzeit.

Auch den anderen war die Unterhaltung unangenehm, noch dazu, wo jetzt die Teilung der Beute bevorstand, die sich als reicher auswies, als sie alle erwartet hatten. „Bill“, wie er von den Gefährten kurz genannt wurde, da sie seinen richtigen Namen nicht kannten, hatte das Unternehmen eingeleitet, weil er erfahren hatte, daß an diesem Tag eine große Summe Bargeld nach Sydney geschickt werden sollte. Jetzt befand es sich zusammen mit dem Besitz der Passagiere in ihren Händen. Die harten und rauhen Fäuste wühlten mit Behagen in den vor ihnen auf eine Wolldecke ausgeschütteten Goldstücken. Keiner von ihnen hatte jemals in seinem Leben so viel Geld und Gold auf einem Fleck zusammen gesehen - und jedem von ihnen gehörte ein Viertel davon!

Jim lachte vergnügt vor sich hin und schob seine Hand in den Haufen Goldstücke, um dann die Münzen einzeln durch seine Finger gleiten zu lassen. „Jungens, Gott straf mich, aber das ist die schönste Musik, die ich in meinem ganzen Leben gehört habe. Da kommt auch die beste Fiedel der Welt nicht mit. Hol’s der Teufel, das kann selbst der Gouverneur nicht.“ Mit diesen Worten warf er sich übermütig auf den ausgebreiteten Schatz, um sich im wahrsten Sinne des Wortes im Gold zu wälzen.

„He, Jim!“ rief aber der Trompeter. „Paß auf, daß dir nicht aus Versehen ein paar Stücke in die Jackentasche oder den Kragen fallen! Ehrliches Spiel! Vorher wollen wir teilen, und nachher kannst du mit deinem Teil machen, was du willst.“

„Hast du Angst, daß ich mir ein Taschengeld vorab hole?“ lachte der Irländer. „Keine Sorge, es bleibt noch genug für dich übrig, um dir die Tage zu versüßen, bis du gehängt wirst!“

„Hoffentlich nicht vor dir!“ knurrte der Trompeter, der über diese Anspielung nicht gerade erfreut war. „Ich möchte nämlich bei deiner Beerdigung noch eine Zitrone in der Hand und eine Rumflasche in der Tasche tragen, das nennt man bei uns Leichenpunsch.“

„Bleibt friedlich“, sagte Bill, der sich bis jetzt mit seinen eigenen düsteren Gedanken beschäftigt hatte. „Und malt den Teufel nicht an die Wand. Kommt und laßt uns das Gold zählen, je eher wir fertig sind, desto besser. Dann kann jeder über seinen eigenen Anteil wachen.“

Dieser Aufforderung folgten sie rasch. Bill, der schon verschiedene kleine Pakete für sich in Sicherheit gebracht hatte, warf jetzt alles auf die Decke, wo es Jim und der Trompeter zählen mußten, während er selbst beim Schein des Feuers und seiner Laterne die Briefbeutel zerschnitt und die enthaltenen Papiere durchsah.

Die Briefe wurden geöffnet. Waren sie leer, kamen sie in die Flammen. Aber hier und da fanden sich auch einige schwere mit Banknoten. Die kamen, da Bob kein Auge von den Fingern des jungen Mannes ließ, mit zur Masse. Ein paar gefundene Wechsel wurden als zu gefährlich ebenfalls verbrannt. Die Teilung selbst nahm nicht viel Zeit in Anspruch. Als jeder seinen Anteil in das Halstuch fest eingewickelt hatte, suchten die Verbrecher ihr Lager auf, um noch vor Tag ein paar Stunden Schlaf zur Stärkung zu finden. Nur Bill legte sich nicht hin. Als die anderen schon lange, fest in ihre Decken gewickelt, laut und ruhig schnarchten, saß er noch immer auf derselben Stelle. Er hatte den Blick auf die verglimmenden Kohlen gerichtet und raffte sich erst aus seinem düsteren Brüten auf, als die über die Höhen streichende kalte Luft ihn daran erinnerte, das fast schon niedergebrannte Feuer wieder anzuschüren.

Er warf frisches Holz darauf, das es hier im Überfluß gab. Dann streckte er sich selbst dicht am Feuer aus, ohne aber Ruhe zu finden. Ein paarmal hob er den Kopf hoch und horchte zu den Kameraden hinüber, bis er sicher war, daß sie alle fest und sicher schliefen. Dann stand er auf, nahm sein Geldpaket unter den Arm, hing seine Waffen um, warf noch einen scheuen Blick auf die Schläfer und stieg dann geräuschlos den Hang hinunter, mitten in den Wald hinein.




2) Dingo - wolfsähnlicher Hund

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Im Busch