Fortsetzung I

Mehr Interesse als die Berge mussten die Flüsse für die Slawen haben. Sie liebten den Ackerbau, einen Vorrat von Getreide und nutzbare Haustiere, und deshalb suchten sie besonders die wasserreichen Niederungen auf. Erklärlich ist es demnach, dass in Europa überhaupt, wo einst die slawischen Völker weit ausgebreitet vorkamen, viele Flussnamen ein slawisches Gepräge tragen. Wir finden auch im Vogtlande die Flüsse und die Bäche vorzugsweise unter sorbischen Benennungen. Einen deutschen Namen hat die Saale, sowie jedenfalls die Elster, Limmer (s. dessen Geschichte des Vogtlandes I. S. 56.) leitet ersteres Wort, das nach ihm einen trüben Strom bedeutet, aus dem Angelsächsischen ab. Andere wollen es als Grenzfluss übersetzen, während es nach einer dritten Meinung (Archiv für sächs. Gesch. I. p. 39.) dem Fluss in Rücksicht auf die an seinen Ufern schon im Altertume bekannten Salzquellen, von dem lateinischen sal, das Salz, beigelegt wurde. Erinnern will ich dabei noch daran, dass sahl und sahlen die unmittelbare Nachahmung eines Lautes, und damit verwandte Formen eine heftige Bewegung, besonders fließenden Wassers bezeichnen. Das veraltete sal für schnell, das niederdeutsche siel, welches einen Kanal bezeichnet, sowie das malabarische salam, d. h. Wasser, schließlich auch das schwedische sala, d. h. teilen, mögen deshalb hier genannt werden, um zu zeigen, dass für andre Deutungen des Namens noch ein weiter Spielraum bleibt. — Während man die Saale als ursprünglich germanisches Wort unangetastet lässt, wird von manchen Seiten der Name „Elster" aus dem Slawischen abgeleitet. Wendisch und böhmisch heißt die Erle wolscha, polnisch olsza, so dass die Elster zu einem „Erlenbache" wird. Zur Unterstützung wird noch angeführt, dass die aus dem 13. oder 14. Jahrhunderte herrührende Übersetzung des lateinisch abgefassten Stiftungsbriefs der plauenschen Kirche eine „heilige Elster" nennt, unter der man höchst wahrscheinlich den heutigen Erlbach zu verstehen hat. Aber als Entgegnung hinsichtlich dieser Ableitung ist darauf hinzuweisen, dass fließende Gewässer ihre slawischen Namen nie von Bäumen angenommen haben (Resch, im 17. Jahresberichte des vogtl. alterth. Vereins zu Hohenleuben S. 25.); ferner mag daran erinnert werden, dass in Hamburg, also auf rein germanischem Gebiete, ein fließendes Gewässer „Alster" heißt. Übrigens besitzen die Wenden in der Lausitz für die „kleine Elster", welche in der Finsterwaldschen Heide ihren Ursprung hat, einen eignen Namen: Dobra, d. h. das gute Wasser.

Sucht man für das deutsche „Elster" eine Ableitung, so wird man auf das althochdeutsche alhs, ein heiliger Hain, ein Heiligtum, also auf eine Erinnerung an den germanischen Götterkultus hingewiesen. (N. laus. Magazin, 40 B. p. 155. 269. 41 B. S. 84.) — Der slawische Name „Zwodta" für einen Fluss, der von der Kuttenhaide hinab nach Böhmen fließt, wird von Limmer durch 8^e<Ä, die Heilige, gedeutet. In der Nähe seiner Quellen entspringt die alte „heilige Elster", und die Kutten- oder Kottenheide möchte dann für uns zu einem ehemals geheiligten Bezirke werden. Obwohl später von diesem Platze ausführlicher gesprochen werden wird, mag doch schon jetzt daran erinnert werden, dass eine Deutung des Namens Kuttenheide in demselben die Erinnerung an einen Opferplatz, auf welchem Tiere geschlachtet und ausgeweidet wurden, wachruft. Denn „Kutten", dürfte von dem slawischen kutlicz, d. h. ausweiden, abgeleitet werden. Fassen wir ins Auge, dass die geographischen Namen der Sorben naturbeschreibend sind, und suchen wir, von diesem Gesichtspunkte geleitet, nach einer Deutung des Namens Zwodta, so finden wir dieselbe in dem slawischen zwodjitj, hinabführen, hinunterlassen. Wie das Erz-, so senkt sich auch das Vogtländische Gebirge nach Böhmen ziemlich steil, und es haben deshalb die Gewässer auf dieser Seite einen rascheren Lauf als die, welche den Tälern der Abdachung nach Norden folgen. Erklärlich ist es uns demnach, dass von den alten slawischen Ansiedlern, welche sich vereinzelt im oberen Vogtlande niederließen, der Zwodta vorzugsweise der Name eines seine Wellen in muntern, Laufe hinabführenden Gewässers wurde. Oder diente ihnen vielleicht der Fluss als Wegweiser, der sie von der waldreichen Höhe hinab in die fruchtbaren Gefilde Böhmens, zu ihren Stammverwandten führte? — Wenn man damit beschäftigt ist, nach der Ableitung älterer geographischer Namen und nach den Gründen zu forschen, welche zu gewissen Benennungen veranlassten, so gleicht man einem Wandrer, der seinen Fuß in einen Urwald setzte. Dort scheint die Spur von einem früheren Durchhaue, dort wieder eine, dort eine dritte trotz des kräftigen Nachwuchses nicht ganz vertilgt zu sein. Eine führt uns jedenfalls zu einer Ansiedelung; aber welcher folgen wir? Hier also bleibt der Zweifel, wie er uns auch bei gewissen etymologischen Fragen nicht genommen wird. Bei dem Namen Zwodta, dessen Ableitung uns noch beschäftigt, könnte man vielleicht auch an das slawische swoto (sloto), das Gold, denken. Suchten Slawen in dem Fluss vielleicht Goldsand? Dass sie bereits am Anfange des achten Jahrhunderts in Böhmen Bergwerke auf Gold und Silber angelegt hatten, dass sie auch in der Göltzsch nach Gold suchten und überhaupt im Vogtlande den Schätzen des Bodens schon in früher Zeit nachspürten, behauptet Limmer (Gesch. d. Vogtl. I. S. 58.). — Der Name Göltzsch soll ebenfalls den früheren Gold-Reichtum dieses Flusses in der Erinnerung der Gegenwart erhalten, wie einige ältere Geographen durch die Ableitung des Wortes Göltzsch von Gold behaupten. Jedenfalls aber haben wir in diesem Flussnamen ein slawisches Wort vor uns, welches als beinahe gleicher Dorfname bei Altenburg und Nossen wieder auftritt. Noch eine Frage drängt sich auf, wenn man erwägt, dass die oberhalb Beerheide im Walde entspringende „rote Göltzsch", welche sich bei Ellefeld mit der „weißen Göltzsch" vereinigt, den sogenannten „Göhlenbach" in sich aufnimmt, oder vielmehr von demselben aufgenommen wird. (Nach brieflicher Mitteilung des Lehrers Gottl. Kaiser in Beerheide.) Steht der Name „Göltzsch" etwa gar mit „Göhlenbach" im Zusammenhange? Göhlenbach aber möchte ich von dem niedersächsischen „Gölle", d. h. ein kleiner, vorn und hinten spitzer Kahn, ableiten. Verwandt damit ist „Gelle", worunter lange Spree- und Elbkähne, welche man zum Holzflößen benutzt, verstanden werden. Wir könnten also sagen, dass der Göhlenbach ein Wasser sei, auf welchem Holz geflößt wird; und in der Tat wurden seit undenklichen Zeiten alle Floßhölzer aus den nahen Staatswaldungen in den Wintermonaten an diesen Göhlenbach gefahren. Im Frühjahre, wenn durch das Tauwetter das Wasser schwoll, warf man oft 15 bis 20.000 Klaftern Scheitholz in den Bach und beförderte dieselben auf solche Weise in die niederen Gegenden. In Folge dieses Flößens wurde nach und nach das Bett des Baches immer tiefer; eine gegen eine halbe Stunde lange und durchschnittlich 25 Ellen Tiefe besitzende Strecke desselben zwischen Beerheide und Hammerbrück wird der „Riss" genannt. Da dieser „Riss" durch das gewaltig strömende Wasser und das sich aufstauende und in den Boden wühlende Holz entstanden ist, so erinnert uns der Name nicht bloß an das germanische riss, sondern auch wie der Rosenbach an der Westgrenze des sächsischen Vogtlands an das slawische ros, welche beide „teilen und reißen" bezeichnen; ja, man wird sogar auf riczi, den Singular-Locativ des wendischen rjcka, der Fluss, hingewiesen. — Obgleich die Ableitung des Namens „Göhlenbach" von „Gölle", ein Kahn, ein Floß, sehr nahe liegt, so mag doch schließlich noch daran erinnert werden, dass man in manchen Gegenden mit „Gölle" auch ein stehendes Gewässer, einen Sumpf, bezeichnet, und dass selbst bei verschiedenen Völkerstämmen Sibiriens unter „Goll" ein Binnensee, unter „Gulga" jedoch ein Bach verstanden wird. (Adelung, Wörterbuch der hochdeutschen Mundart.) Wollte man auf letzte Worterklärung Rücksicht nehmen, so könnte man den Göhlenbach als einen Bach bezeichnen, der seine Quellen auf versumpften, moorigen Wiesen hat. — In Verbindung mit dem Namen Göhlenbach ist auch die Göllere, ein im Walde bei Oberwürschnitz fließender Bach zu bringen. — Es wurde vorhin angegeben, dass sich bei Ellefeld die rote und die weiße Göltzsch vereinigen. In, Anschluss daran mag hier mit erwähnt werden, dass erstere Göltzsch, die auch die östliche genannt wird, ihren speziellen Namen jedenfalls von alten Zinnwäschen erhalten hat, welche an ihr lagen; denn noch benennt man „Zinnreuth" einen Berg an ihrem linken Ufer.