Fünfte Fortsetzung
Sobald der Bräutigam, vom Druschka an der Hand geführt, über die Schwelle getreten ist und mit seinen Begleitern vor den Heiligenbildern der Stube unter gewohnheitsmäßigen Verbeugungen gebetet hat, macht er vor jedem Verwandten der Braut einen tiefen Bückling und schreitet nach der gemessenen Erwiderung seiner Verbeugungen durch Jene auf die Braut zu. Diese sitzt jetzt auf einer Bank in der Nähe der Heiligenbilder, nachdem sie den Tisch verlassen, oder von den Beisitzerinnen von den Palati herabgeführt worden ist. Aber sie weint noch, wie die Mädchen noch oder wieder singen. Auch umschlingen sie Jene, wie um sie zu schützen, sobald das Schellengeläute vernehmbar wird, und weinen selbst noch lauter. Da nun aber, wie sich der Bräutigam der Braut genähert hat, tritt der Vater der Letzteren heran und fordert die beiden auf «Bekannt Schaft mit einander zu machen, da sie mit dem Heiligenbilde — es ist zum ersten Mal bei der Verlobung geschehen — schon gesegnet seien. Der „junge Fürst“, welcher sich auf Veranlassung des Druschka der „Fürstin“, gegenübergesetzt hatte, steht wieder auf, auch die Braut erhebt sich, jener verneigt sich tief und gemessen, diese erwidert zeremoniell die Verbeugung, denn sie neigen beide den Kopf bis zum Gürtel. Der schweigsamen Verbeugung folgt ein Kuss und diesem ein zweiter tiefer Bückling. Darauf aber gehen beide Hand in Hand in eine andere Stube. Denn sie wohnen weder dem Abendessen, mit welchem nach einem Nowgoroder Hochzeitsliede „die letzten Überreste des jungen Dinges verzehrt werden“, noch dem Trinkgelage der Gäste bei. Der Bräutigam hat zu Hause, die Braut nach dem Bade, nach und unter wiederholten Segenssprüchen von Seiten ihrer Eltern, gegessen. Doch versorgt sie und die Sängerinnen der Druschka dort mit Speise und Trank.
Die vorstehende Schilderung, nämlich von der Einfahrt des Bräu . tigams in den Hof bis zu dem Augenblicke, wo er sich in die andere Stube begibt, beruht auf der Erzählung eines Augenzeugen, welche Schein in seiner Sammlung von Volksliedern mitteilt, und ist ein kurzgedrängter Auszug derselben. Sie betrifft speziell die Feier des Däwitschnik in einem Dorfe des Gouvernements Tula, wie sie gerade der Augenzeuge gesehen. Aber es scheint doch, dass nur die Einzelheiten örtlich und verschieden von den Gebräuchen anderer Gegenden sind, die Grundzüge der Feier sind in den großrussischen Gouvernements dieselben, wie ich aus anderen Berichten, schriftlichen wie mündlichen, vor Allem aus den Hochzeitsliedern selbst schließe.
Kurz vor dem Abendessen, nicht lange nach dem Eintritt des Bräutigams in die Hochzeitsstube, bittet der Druschka in einem Pskow'schen Liede:
Segne, Gott Christus,
Das Spiel zu spielen,
Das Hochzeitsspiel!
Gott Christus, segne
Die Tische zu stellen!
Gott Christus, segne
Das Tischtuch zu breiten!
Gott Christus, segne
Brot und Salz
Auf die Tische zu tragen,
Die Zuckergerichte
Und süßen Meth!
Das Abendessen, welches auch für sich im Besonderen Däwitschnik genannt wird, nahmen, nach dem Berichte jenes Augenzeugen, die Gäste nach einem Gebete vor den Heiligenbildern in drei Abteilungen ein. Die erste bilden die Verwandten der Braut. Diese werden auf Kosten des Bräutigams bewirtet. Die dazu nötigen Speisen mit dem Bier und dem Branntwein haben, wie es allgemein Sitte ist, seine Eltern und zum Teil die zum Schmause beisteuernden Verwandten mitgebracht, oder schon vorher ins Brauthaus schaffen lassen. Darunter befinden sich zwei Pirogen aus Weizenmehl, welche Schein für ein Symbol der Vereinigung der beiden Verlobten hält, und Snegirow geradezu mit dem, bei der römischen Confarreatio üblichen Kuchen, den das Brautpaar gemeinsam verzehrte, in Beziehung bringt. Doch vorläufig sollen sie nur zur Ausschmückung des Hochzeitstisches dienen. Denn gegessen werden sie erst am zweiten Tage nach der Trauung, nämlich beim „Fürstenmittag“, eine Schmauserei, welche der junge Mann den Verwandten seiner Frau gibt.
Der Druschka hat alle Hände vollauf zu tun. Denn wie er sich am Auftragen der Speisen beteiligt, so reicht er, da das Essen mit Branntwein eingeleitet wird, jedem Gaste persönlich sein Glas. Auch vermittelt er mit einem Trünke den Übergang zur zweiten Schüssel und stellt Jedem abermals ein gefülltes Glas zu, wenn die dritte, und wiederum einen Trunk Branntwein, sobald die vierte Schüssel aufgetragen wird.
Während die Verwandten der Braut essen, kehren „die süßen Sängerinnen“ zu den Gästen zurück, um von Neuem zu singen. Doch stimmen sie keine Klagen mehr an. Jetzt preisen sie vielmehr Jene in langen Lobliedern und erwarten als Lohn dafür „ein Geldchen“. Aber es darf doch nicht zu klein sein. Denn sie fordern gewöhnlich in den Schlussversen den Gast auf , nicht knickrig zu sein, und bitten, da sie als „Sängerinnen Viel für rote und weiße Schminke brauchen“, bald um eine goldene Griwna, bald um einen ganzen Rubel. Im Liede selbst führen die Mädchen aus, wie reich und begütert der Gast sei, den sie preisen, und lassen ihm also kaum die Möglichkeit eines allzu kargen Geschenkes. Wir lassen ein Preislied aus dem Gouvernement Tula folgen:
Am Berg', am kleinen Berge,
Auf seiner rechten Seite,
Da saß ein Taubenpärchen
Zwei Tauben, bläulich schillernd:
Hielten mit einander Zwiesprache
Von dem jungen mutbeseelten Burschen,
Von Fedoljens Sohn Michail:
Er ist reich, er ist ein reicher Mann,
Reicher noch als er ist keiner,
Trat von einer Griwna auf die andre,
Warf mit halben Rubeln in der Stadt,
Schloss das Tor mit einem ganzen Rubel.
Aus der Knechtschaft löste er die Waisen,
Ach ihr Waisen, ach ihr armen Waisen,
Mit Gebeten fleht zu Gott für mich,
Fleht für mich, den kühnen Jüngling,
Für Fedotjens Sohn Michail!
Ein Preislied aus der Stadt Pskow gilt der Mutter des Trauvaters, der den leiblichen Vater der Braut bei der Trauung vertritt, ein Lied, durch welches zugleich jener selbst gerühmt werden soll.
Weiß war ihr Leib —
Schwanenknochen —
Unter echten Perlen
Senkte ihr Haupt sich.
Ohrringe von Hyacinth, —
Das Gesicht erglühend, —
Edelsteine erhellten
Das ganze Zimmer.
Goldene Halsbänder
Schmückten den ganzen Hals.
Schuhe aus Goldstoff,
Vergoldete Schnallen,
Die Schnallen geschmiedet,
In der Stadt Jaroßlaw,
Vergoldet mitten
Im schönen Moskau.
Die Braut, welcher übrigens derselbe Schmuck durch die Preislieder zugedacht wird, ist nach einem Pskow'schen Hochzeitsliede „das weiße Schwänchen, ein Kind des Ufers, welches bisher Semmel gespeist und nur Honigwasser getrunken hat“. Ähnlich lässt sich ein Lied aus dem Gouvernement Rjasan aus. Denn nach diesem ist sie „bei Väterchen aufgewachsen, von Mütterchen verzärtelt worden und hat Wein, Honig, Zucker und Rosinen als Nahrung gehabt“. Verglichen wird die Braut mit einem Täubchen, welches ein silbernes Köpfchen habe, mit einer Ente, mit einem Schwälbchen, ferner mit Erdbeeren, mit Waldbeeren, hochroten Blümchen und, wegen seiner Schlankheit, mit einem Stengel Hanf. Der geläufigste Vergleich ist der mit einem Schwane. Denn wiewohl die russische Volkspoesie überhaupt auf Mädchen und Frauen diese und noch andere Vergleiche anwendet, so ist es doch in den Hochzeitsliedern vor Allen die Braut, welche mit vielen Tieren, Pflanzen, Bäumen und Blumen, wegen deren Anmut und Zierlichkeit, zusammengestellt wird. Zugleich hat dieselbe einen so hohen Wert, dass der Bruder „für die teure Schwester tausend Rubel und ganze Hauptstädte“ fordern soll. Ein Lied der Stadt Pskow lautet:
Von ihren Brauen läuft ein Zobel,
Von den Augen fliegt ein Falke,
Wie ein Eichhorn seufzt die Braut
Und redet wie ein Marder.
Sie seufzt für hundert Rubel
Und spricht ein Wort für tausend.
Die Männer sehen sich, wie wegen ihres Reichtums, auch noch gepriesen, weil sie schöne und teure Kleider trügen, weil sie dem Zaren gedient und sein Kind in einer goldenen Wiege, in seidenen Windeln geschaukelt hätten, oder weil sie über die Straße einherschritten, wie ein rasender Wind brause und an das Tor „wie eine Donnerwolke klopfen“, am häufigsten aber wegen ihrer Frauen, welche sie „an das weiße Händchen nehmen, auf den Mund küssen und anreden: mein liebes Seelchen“. Wer aber noch nicht verheiratet ist, den fragen singend die Mädchen, warum er denn keine Frau nehme, ob er noch keine vom Gottesschicksal Bestimmte habe, oder ob diese noch nicht erwachsen wäre. Dabei wird ihm auch vorgestellt, dass er ja habe, was zur Hochzeit erforderlich wäre; „jungen Käse in Tassen, süßen Honig in Gläschen, starken Wein in Fläschchen, Weinbeeren auf Tellerchen“. Auch fehle es ihm nicht an Hopfen. Allein „die vom Gottesschicksal Bestimmte ist verheiratet“, lautet gewöhnlich die Antwort, übrigens durch das Lied selbst gegeben, und so schließen die Sängerinnen, wie nachstehend in einem Lobgesange der Stadt Pskow, mit der Aufforderung, dass er doch zu ihnen käme, um eine Schönheit zu empfangen, oder selbst sich eine Frau zu wählen.
Wähl’ dir aus vierzig
Die Allerschönste,
Welche schlank ist, hoch,
Weiß und rotwangig,
Mit scharfen Augen
Und schwarzen Brauen.
Die Sängerinnen erwidern eine karge Gabe auch wohl mit einem Spottliede, besonders, wie es scheint, die Gabe des Druschka, ein Spottlied, welches gewöhnlich dahin ausläuft, dass der Gast einen halben Rubel in Aussicht gestellt, aber nur drei Kopeken gegeben habe; einer größeren Gabe aber lassen sie ein Danklied folgen. Aber noch teurer, als die großen Geschenke, sei ihnen die Ehre, die ihnen der Geber erweise, seine tiefen Verbeugungen und freundlichen Worte. Dem Hausherrn danken sie für Brot und Salz und machen dabei singend namhaft, was sie genossen hätten, vor Allem aber „süße Gerichte und Honiggetränke, Pfefferkuchen, Knacknüsschen und Zuckeräpfelchen.“ Denn bald hätten sie gegessen, bald getrunken. Der Zubiss des Hausherrn sei ganz von Zucker gewesen, ihre Seele sei zuckersüß geworden.
Als der zweite Tisch , an welchem die Brauteltern die Gäste des Bräutigams bewirten, bis zum letzten Glase und Gerichte gelangt war, kehrte die Braut, wie jener Augenzeuge berichtet, in die Hochzeitsstube zurück. Sogleich wendet sich ihr Vater an sie. „Tochter“, sagt er, „du wirst bald Hausfrau sein. Aber jetzt handle mit Branntwein und sammle auf Quasten!“ Er überreicht ihr einen Teller und ein Glas, dem Bräutigam, welcher mit ihr gekommen ist, eine große Flasche Branntwein. Dieser füllt das Glas. Die Braut tritt damit zu einem Gaste, wahrscheinlich wie ich vermute, zu der ersten Ehrenperson, welche als solche den Heiligenbildern am nächsten sitzt, ihrem Taufvater, und bietet ihm das Glas an. Sie bittet, der Bräutigam verbeugt sich schweigend. Darauf gießt er wieder ein, denn der zweite Gast soll trinken, die Taufmutter der Braut. So machen beide den Rundgang um den ganzen Tisch, dann reichen sie auch den übrigen Gästen, welche schon gegessen haben oder erst am dritten Tische bewirtet werden sollen, endlich auch den Sängerinnen, kurz Allen und Jedem ein Glas Branntwein und sammeln „auf Quasten“. Denn jeder legt, sobald er getrunken, ein Geldstück auf den Teller oder „vergoldet den Boden des silbernen Branntweingläschens“.
Zum Schluss der Feier und nach Aufhebung „der allgemeinen Tafel“, an welcher „die in der Reihe wohnenden Nachbarn“ und die Gäste bewirtet werden, welche in keiner verwandtschaftlichen Beziehung zu den Brautleuten stehen, beschenkt die Braut, oder in ihrem Namen die Mutter, die Verwandten des Bräutigams. Die Geschenke bestehen aus Hand- und Taschentüchern. Doch ersetzen die Beschenkten die Kosten, wenn sie dieselben nicht mehrfach erstatten. Denn Jeder macht eine Gegengabe in Geld.
Wenn die Gäste endlich auseinandergehen und auch der Bräutigam aufsteht, um sich zu entfernen, erheben die Mädchen noch einmal ihre Stimme zur Klage oder gar zu einem Vorwurfe gegen den Brautvater, weil er seine Tochter — vertrunken habe. Es ist dies ein Hinweis auf die Verlobung, welche geradezu „das Vertrinken der Braut“ genannt wird. Die vertrunkene, die verlobte Braut ist gleichbedeutend. Denn die Verlobung , wenigstens das vorläufige Versprechen, besiegelt bei den Landleuten, wenn der durch die Freiwerberin vermittelte Antrag angenommen wird, eine Flasche Branntwein, welche diese den Brauteltern zustellt. In den Dörfern des Gouvernements Tula singen die Mädchen, wenn sich die Gäste entfernen:
O Trinker, Vertrinker,
Awdoljas Väterchen,
Vertrankst deine Tochter
Beim Fässchen Wein,
Vertrankst dein Kind
Beim Schälchen Wein,
Veraßest dein Töchterchen
Beim leckeren Mahle!
Die vorstehende Schilderung, nämlich von der Einfahrt des Bräu . tigams in den Hof bis zu dem Augenblicke, wo er sich in die andere Stube begibt, beruht auf der Erzählung eines Augenzeugen, welche Schein in seiner Sammlung von Volksliedern mitteilt, und ist ein kurzgedrängter Auszug derselben. Sie betrifft speziell die Feier des Däwitschnik in einem Dorfe des Gouvernements Tula, wie sie gerade der Augenzeuge gesehen. Aber es scheint doch, dass nur die Einzelheiten örtlich und verschieden von den Gebräuchen anderer Gegenden sind, die Grundzüge der Feier sind in den großrussischen Gouvernements dieselben, wie ich aus anderen Berichten, schriftlichen wie mündlichen, vor Allem aus den Hochzeitsliedern selbst schließe.
Kurz vor dem Abendessen, nicht lange nach dem Eintritt des Bräutigams in die Hochzeitsstube, bittet der Druschka in einem Pskow'schen Liede:
Segne, Gott Christus,
Das Spiel zu spielen,
Das Hochzeitsspiel!
Gott Christus, segne
Die Tische zu stellen!
Gott Christus, segne
Das Tischtuch zu breiten!
Gott Christus, segne
Brot und Salz
Auf die Tische zu tragen,
Die Zuckergerichte
Und süßen Meth!
Das Abendessen, welches auch für sich im Besonderen Däwitschnik genannt wird, nahmen, nach dem Berichte jenes Augenzeugen, die Gäste nach einem Gebete vor den Heiligenbildern in drei Abteilungen ein. Die erste bilden die Verwandten der Braut. Diese werden auf Kosten des Bräutigams bewirtet. Die dazu nötigen Speisen mit dem Bier und dem Branntwein haben, wie es allgemein Sitte ist, seine Eltern und zum Teil die zum Schmause beisteuernden Verwandten mitgebracht, oder schon vorher ins Brauthaus schaffen lassen. Darunter befinden sich zwei Pirogen aus Weizenmehl, welche Schein für ein Symbol der Vereinigung der beiden Verlobten hält, und Snegirow geradezu mit dem, bei der römischen Confarreatio üblichen Kuchen, den das Brautpaar gemeinsam verzehrte, in Beziehung bringt. Doch vorläufig sollen sie nur zur Ausschmückung des Hochzeitstisches dienen. Denn gegessen werden sie erst am zweiten Tage nach der Trauung, nämlich beim „Fürstenmittag“, eine Schmauserei, welche der junge Mann den Verwandten seiner Frau gibt.
Der Druschka hat alle Hände vollauf zu tun. Denn wie er sich am Auftragen der Speisen beteiligt, so reicht er, da das Essen mit Branntwein eingeleitet wird, jedem Gaste persönlich sein Glas. Auch vermittelt er mit einem Trünke den Übergang zur zweiten Schüssel und stellt Jedem abermals ein gefülltes Glas zu, wenn die dritte, und wiederum einen Trunk Branntwein, sobald die vierte Schüssel aufgetragen wird.
Während die Verwandten der Braut essen, kehren „die süßen Sängerinnen“ zu den Gästen zurück, um von Neuem zu singen. Doch stimmen sie keine Klagen mehr an. Jetzt preisen sie vielmehr Jene in langen Lobliedern und erwarten als Lohn dafür „ein Geldchen“. Aber es darf doch nicht zu klein sein. Denn sie fordern gewöhnlich in den Schlussversen den Gast auf , nicht knickrig zu sein, und bitten, da sie als „Sängerinnen Viel für rote und weiße Schminke brauchen“, bald um eine goldene Griwna, bald um einen ganzen Rubel. Im Liede selbst führen die Mädchen aus, wie reich und begütert der Gast sei, den sie preisen, und lassen ihm also kaum die Möglichkeit eines allzu kargen Geschenkes. Wir lassen ein Preislied aus dem Gouvernement Tula folgen:
Am Berg', am kleinen Berge,
Auf seiner rechten Seite,
Da saß ein Taubenpärchen
Zwei Tauben, bläulich schillernd:
Hielten mit einander Zwiesprache
Von dem jungen mutbeseelten Burschen,
Von Fedoljens Sohn Michail:
Er ist reich, er ist ein reicher Mann,
Reicher noch als er ist keiner,
Trat von einer Griwna auf die andre,
Warf mit halben Rubeln in der Stadt,
Schloss das Tor mit einem ganzen Rubel.
Aus der Knechtschaft löste er die Waisen,
Ach ihr Waisen, ach ihr armen Waisen,
Mit Gebeten fleht zu Gott für mich,
Fleht für mich, den kühnen Jüngling,
Für Fedotjens Sohn Michail!
Ein Preislied aus der Stadt Pskow gilt der Mutter des Trauvaters, der den leiblichen Vater der Braut bei der Trauung vertritt, ein Lied, durch welches zugleich jener selbst gerühmt werden soll.
Weiß war ihr Leib —
Schwanenknochen —
Unter echten Perlen
Senkte ihr Haupt sich.
Ohrringe von Hyacinth, —
Das Gesicht erglühend, —
Edelsteine erhellten
Das ganze Zimmer.
Goldene Halsbänder
Schmückten den ganzen Hals.
Schuhe aus Goldstoff,
Vergoldete Schnallen,
Die Schnallen geschmiedet,
In der Stadt Jaroßlaw,
Vergoldet mitten
Im schönen Moskau.
Die Braut, welcher übrigens derselbe Schmuck durch die Preislieder zugedacht wird, ist nach einem Pskow'schen Hochzeitsliede „das weiße Schwänchen, ein Kind des Ufers, welches bisher Semmel gespeist und nur Honigwasser getrunken hat“. Ähnlich lässt sich ein Lied aus dem Gouvernement Rjasan aus. Denn nach diesem ist sie „bei Väterchen aufgewachsen, von Mütterchen verzärtelt worden und hat Wein, Honig, Zucker und Rosinen als Nahrung gehabt“. Verglichen wird die Braut mit einem Täubchen, welches ein silbernes Köpfchen habe, mit einer Ente, mit einem Schwälbchen, ferner mit Erdbeeren, mit Waldbeeren, hochroten Blümchen und, wegen seiner Schlankheit, mit einem Stengel Hanf. Der geläufigste Vergleich ist der mit einem Schwane. Denn wiewohl die russische Volkspoesie überhaupt auf Mädchen und Frauen diese und noch andere Vergleiche anwendet, so ist es doch in den Hochzeitsliedern vor Allen die Braut, welche mit vielen Tieren, Pflanzen, Bäumen und Blumen, wegen deren Anmut und Zierlichkeit, zusammengestellt wird. Zugleich hat dieselbe einen so hohen Wert, dass der Bruder „für die teure Schwester tausend Rubel und ganze Hauptstädte“ fordern soll. Ein Lied der Stadt Pskow lautet:
Von ihren Brauen läuft ein Zobel,
Von den Augen fliegt ein Falke,
Wie ein Eichhorn seufzt die Braut
Und redet wie ein Marder.
Sie seufzt für hundert Rubel
Und spricht ein Wort für tausend.
Die Männer sehen sich, wie wegen ihres Reichtums, auch noch gepriesen, weil sie schöne und teure Kleider trügen, weil sie dem Zaren gedient und sein Kind in einer goldenen Wiege, in seidenen Windeln geschaukelt hätten, oder weil sie über die Straße einherschritten, wie ein rasender Wind brause und an das Tor „wie eine Donnerwolke klopfen“, am häufigsten aber wegen ihrer Frauen, welche sie „an das weiße Händchen nehmen, auf den Mund küssen und anreden: mein liebes Seelchen“. Wer aber noch nicht verheiratet ist, den fragen singend die Mädchen, warum er denn keine Frau nehme, ob er noch keine vom Gottesschicksal Bestimmte habe, oder ob diese noch nicht erwachsen wäre. Dabei wird ihm auch vorgestellt, dass er ja habe, was zur Hochzeit erforderlich wäre; „jungen Käse in Tassen, süßen Honig in Gläschen, starken Wein in Fläschchen, Weinbeeren auf Tellerchen“. Auch fehle es ihm nicht an Hopfen. Allein „die vom Gottesschicksal Bestimmte ist verheiratet“, lautet gewöhnlich die Antwort, übrigens durch das Lied selbst gegeben, und so schließen die Sängerinnen, wie nachstehend in einem Lobgesange der Stadt Pskow, mit der Aufforderung, dass er doch zu ihnen käme, um eine Schönheit zu empfangen, oder selbst sich eine Frau zu wählen.
Wähl’ dir aus vierzig
Die Allerschönste,
Welche schlank ist, hoch,
Weiß und rotwangig,
Mit scharfen Augen
Und schwarzen Brauen.
Die Sängerinnen erwidern eine karge Gabe auch wohl mit einem Spottliede, besonders, wie es scheint, die Gabe des Druschka, ein Spottlied, welches gewöhnlich dahin ausläuft, dass der Gast einen halben Rubel in Aussicht gestellt, aber nur drei Kopeken gegeben habe; einer größeren Gabe aber lassen sie ein Danklied folgen. Aber noch teurer, als die großen Geschenke, sei ihnen die Ehre, die ihnen der Geber erweise, seine tiefen Verbeugungen und freundlichen Worte. Dem Hausherrn danken sie für Brot und Salz und machen dabei singend namhaft, was sie genossen hätten, vor Allem aber „süße Gerichte und Honiggetränke, Pfefferkuchen, Knacknüsschen und Zuckeräpfelchen.“ Denn bald hätten sie gegessen, bald getrunken. Der Zubiss des Hausherrn sei ganz von Zucker gewesen, ihre Seele sei zuckersüß geworden.
Als der zweite Tisch , an welchem die Brauteltern die Gäste des Bräutigams bewirten, bis zum letzten Glase und Gerichte gelangt war, kehrte die Braut, wie jener Augenzeuge berichtet, in die Hochzeitsstube zurück. Sogleich wendet sich ihr Vater an sie. „Tochter“, sagt er, „du wirst bald Hausfrau sein. Aber jetzt handle mit Branntwein und sammle auf Quasten!“ Er überreicht ihr einen Teller und ein Glas, dem Bräutigam, welcher mit ihr gekommen ist, eine große Flasche Branntwein. Dieser füllt das Glas. Die Braut tritt damit zu einem Gaste, wahrscheinlich wie ich vermute, zu der ersten Ehrenperson, welche als solche den Heiligenbildern am nächsten sitzt, ihrem Taufvater, und bietet ihm das Glas an. Sie bittet, der Bräutigam verbeugt sich schweigend. Darauf gießt er wieder ein, denn der zweite Gast soll trinken, die Taufmutter der Braut. So machen beide den Rundgang um den ganzen Tisch, dann reichen sie auch den übrigen Gästen, welche schon gegessen haben oder erst am dritten Tische bewirtet werden sollen, endlich auch den Sängerinnen, kurz Allen und Jedem ein Glas Branntwein und sammeln „auf Quasten“. Denn jeder legt, sobald er getrunken, ein Geldstück auf den Teller oder „vergoldet den Boden des silbernen Branntweingläschens“.
Zum Schluss der Feier und nach Aufhebung „der allgemeinen Tafel“, an welcher „die in der Reihe wohnenden Nachbarn“ und die Gäste bewirtet werden, welche in keiner verwandtschaftlichen Beziehung zu den Brautleuten stehen, beschenkt die Braut, oder in ihrem Namen die Mutter, die Verwandten des Bräutigams. Die Geschenke bestehen aus Hand- und Taschentüchern. Doch ersetzen die Beschenkten die Kosten, wenn sie dieselben nicht mehrfach erstatten. Denn Jeder macht eine Gegengabe in Geld.
Wenn die Gäste endlich auseinandergehen und auch der Bräutigam aufsteht, um sich zu entfernen, erheben die Mädchen noch einmal ihre Stimme zur Klage oder gar zu einem Vorwurfe gegen den Brautvater, weil er seine Tochter — vertrunken habe. Es ist dies ein Hinweis auf die Verlobung, welche geradezu „das Vertrinken der Braut“ genannt wird. Die vertrunkene, die verlobte Braut ist gleichbedeutend. Denn die Verlobung , wenigstens das vorläufige Versprechen, besiegelt bei den Landleuten, wenn der durch die Freiwerberin vermittelte Antrag angenommen wird, eine Flasche Branntwein, welche diese den Brauteltern zustellt. In den Dörfern des Gouvernements Tula singen die Mädchen, wenn sich die Gäste entfernen:
O Trinker, Vertrinker,
Awdoljas Väterchen,
Vertrankst deine Tochter
Beim Fässchen Wein,
Vertrankst dein Kind
Beim Schälchen Wein,
Veraßest dein Töchterchen
Beim leckeren Mahle!
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Hochzeitsgebräuche des russischen Landvolks. I. Der Däwitschnik.