Das Badeleben

Das Zentrum des Badelebens ist das genannte Konversationshaus im Unterlande, unter dessen Neubauten es die Hauptzierde vorstellt, mit einer hübschen Fronte, einem italienischen Dach und kleinen Gartenanlagen. Früher stand hier das Commercium während jener für Helgoland so wichtigen Periode des Schmuggelhandels, als Napoleon die Continentalsperre eingeführt hatte. Dänemark verweigerte im Jahr 1809 das Bündnis mit England, und eines schönen Morgens lag eine kleine englische Flotte vor Helgoland, mit der Bitte um Kapitulation; denn ernsthafter konnte man mit einem schwachen Invalidencorps und seinem alten blinden Kommandanten unmöglich sprechen. Derselbe soll zwar eilfertig aus seinem Bett gewatschelt sein und gerufen haben: „Wo ist die Schanze?“ Allein die Engländer geleiteten den Mann freundlich wieder nach Haus und Helgoland war englisch. Jetzt kreuzten aber die Franzosen um die Insel herum, bohrten die Helgoländischen Fahrzeuge in den Grund und bittere Armut nagte an den Unglücklichen, obwohl England ein ganzes Schiff mit Lebensmitteln schickte.

Auf einmal jedoch schienen goldene Berge aufzusteigen. Man erkannte die treffliche Lage dieser Felseninsel, und sie wurde der Mittelpunkt des Schmuggelhandels zwischen England und dem Kontinent. Im Nu entstanden Häuser, große Kauffahrteischiffe kamen und gingen, ungeheure Warenlager wurden auf dem kleinen, einsamen Punkte angelegt, und es regnete Geld. Noch lebt der kühne Schiffsmann, der damals die englischen Depeschen unter den Mündungen der französischen Kanonen nach dem Kontinent schmuggelte, der alte Claus Reimers, ein hochverdienter Mann. Aber wie gewonnen, so zerronnen, hieß es bald auf Helgoland. Der Krieg ging zu Ende, die reich gewordenen Fremden zogen ab mit ihren Schätzen und ließen ihre gastfreien Wirte in der bittersten Armut zurück, und was noch schlimmer, in einem durch die Schmuggelkünste entsittlichten Zustande. Nichts ist schrecklicher, als wenn die Schäden der Zivilisation vor ihren Früchten zeitigen, ihr Gift allein, ohne das in ihr liegende Präservativ zu wirken beginnt. Das sahen patriotische Männer der alten guten Zeit mit Schmerzen an der welken Jugend, und ganz besonders der auch als Schriftsteller bekannte Andersen Siemens war es, der mit der fruchtbaren Idee eines Seebads Hilfe schaffte. Mit Englands Unterstützung verwandelte sich das alte Commercium in ein Konversationshaus, das nach verschiedenen Metamorphosen jetzt den Bedürfnissen der Kurgäste immerhin entspricht. Sehr gut bestellte Table d'Hôte, Restauration, Zeitungen, Billard, Klavier lassen nichts zu wünschen übrig, als mehr Raum, und — wer sollte es glauben von diesem einsamen, traulichen Asyle? — im anstoßenden Zimmer ertönt an den grünen Tischen die klanglose Stimme des Bankiers: rien ne va plus! Es besteht auch eine Damenroulette. Einige mal kam es vor, dass Leute, die ihrer Gesundheit wegen angekommen waren, schon, am andern Morgen wieder abreisten, weil sie ihre ganze Barschaft verloren hatten. Wie sehnt man sich von diesem hohläugigen, todblassen Spiele hinweg nach dem lebendigen Wogenspiel, aus dieser Bleikammer hinaus in die frische Meeresluft, nach einem Spaziergange auf dem Strande, wenn der Mond seine Streiflichter über die Wasser hinsendet und eine endlose Weite den Blick ins Unendliche fortträgt! Es ist dies gewiss überhaupt kein geringer Vorzug von Helgoland, dass alle etwaige Blasiertheit und Albernheit der Badegesellschaft nicht im Stande ist einem den Aufenthalt zu verbittern oder langweilig zu machen. Angesichts der großen und mannigfaltigen Natur fühlt man nur sehr wenig das Bedürfnis nach Umgang mit den Badegästen, die, wie in allen Bädern, vornehmen und niedern Pöbel, Schnurrbartbewusstsein und Philistertum reichlich repräsentieren. Angenehm war es jedoch, mit Menschen von den verschiedensten Zungen sich unterhalten zu können. Schweden, Ungarn, Rheinländer, Franzosen, von Deutschen besonders Hamburger, Berliner, Leipziger und Westphalen, auch Österreicher waren zu finden. Die Zahl der Badegäste mag gegen dreihundert betragen haben.


Die Bekanntschaften werden meistens zu Wasser gemacht, bei der Überfahrt nach der Düne, und hier ist es auch, wo gewöhnlich dem ganzen Tage sein Ziel ausgesteckt wird. Schon von sechs Uhr Morgens beginnt am Strande ein reger Verkehr zwischen dem Lande — wie die Helgoländer ihre Insel schlechtweg nennen — und der Düne, die gegen Osten, eine Viertelstunde weit ab, wie eine plötzlich in blendend weißen Sand verwandelte Wogenflut sich darstellt. Zur Flutzeit hat sie die Form einer gegen Südost sich zuspitzenden Ellipse, bei der Ebbe dagegen entsteht gegen Nordwestnord ein flacher, sandiger Strand. Sie besteht aus Sandhügeln, deren größte Höhe 27 — 33 Fuß beträgt, so dass die höchste Flut nur ihren Fuß bespült, und ruht auf einem festen Kalksteinfundament im Meere. Der Sand ist silberweiß und wird vom Wind und den Spritzwellen bald so, bald anders geformt und hin- und hergeworfen; das Miniaturbild von schweizerischen Schneekuppen ist oft täuschend vollendet. Nur wenige Muscheln, dagegen wunderschöne Kiesel von allen möglichen Farben bergen sich im sandigen Boden, und hohe, blassgrüne Schilfhalme suchen das Auge vergebens gegen das blendende Weiß zu schützen. Früher haben im Sande Kaninchen genistet, die von dem Gouverneur hierher verpflanzt worden; allein die Helgolander Büchsen haben längst den Weg zu ihnen gesunden. Das Nordende der Düne, das aber seit Jahren unter Wasser liegt, diente ehemals als Begräbnisstätte für angetriebene Leichen und wurde deshalb „Olde Hösen“ genannt. An dieses Nordende schließt sich weiter eine dreifache Reihe von Klippen an, die bei der Ebbe zuweilen teilweise hervortreten, jedenfalls als lange schwarze Streifen auf dem Meere sich unterscheiden lassen. Sie werden Brunnen genannt, z. B. Andebrunnen, Witklaubrunnen, Sellebrunnen etc. Ursprünglich haben wohl alle diese Klippen mit der Düne ein Ganzes ausgemacht, und diese wiederum mittelst eines Steinwalls mit dem Felsen. Erst 1721 wurden die letzteren bei einem furchtbaren Orkane von einander gerissen und ein großer Theil der Düne vom Wasser verschlungen.

Diese Düne nun, von den Eingeborenen „de Hallem“ genannt, ist der Badeplatz, und als solcher für Helgolands Existenz sehr wichtig. An, Felsen selbst kann nicht gut gebadet werden, weil das Wasser vom roten Gestein schmutzig gefärbt und der Grund sehr steinig ist. Nur sehr gebrechliche Leute, die das Übersetzen schwer nehmen, oder solche, die zur Seekrankheit sehr geneigt sind, pflegen hier zu baden. Geht jedoch die Verminderung der Düne durch die Abschwemmungen in dem Maße fort, wie bisher alljährlich geschehen ist, so sind die Tage ihres Lebens gezählt. Und helfen lässt sich hier sehr schwer; der Grund ist ganz klippig, und so wird Sand nur ab-, nicht auch wieder zugeschwemmt. Man trägt sich bereits mit Planen, wie für den Fall des gänzlichen Untergangs dem badelustigen Publikum dennoch ein gutes Bad bereitet werden könnte. So hat der Zimmermeister Ohlsen an eine an der Nordwestseite schwebende Badeanstalt gedacht, zu der man in Körben hinabgelassen würde. Indessen bis dahin möge noch mancher auf der Düne so vergnügte Stunden verleben, wie sie mir da zu Teil wurden!

Morgens fährt man hinüber, wo möglich zur Flutzeit. Stets liegt am Ufer eine Zölle bereit, und die reizende Fahrt wird hinüber und herüber mit vier Schillingen sehr billig bezahlt. Bei klarem Wasserspiegel lässt die organische Welt auf dem stillen Meeresgrunde ihre Farben heraufschillern und verwandelt ganze Strecken des Meers in bunte Blumenbeete. Am Nordende des Strands stehen die Badewagen der Damen, am entgegengesetzten die der Männer, falls nicht der Wind von Osten kommt, wo die Karren auf die Ostseite geschoben werden, damit die Badenden um so stärkeren Wellenschlags genießen mögen. In diesen auf zwei Rädern ruhenden Badehäuschen wird man von zwei kräftigen Helgoländern ins Wasser hineingeschoben und ist so vor Erkältung und Beschmutzung der Füße wohl gesichert; auch lässt die innere Einrichtung derselben kein Bedürfnis unbefriedigt. Freilich, dieses Bad ist das Teuerste von allem auf Helgoland: es kostet auch im Abonnement zwölf Schillinge. Aber wenn man mit wärmeatmendem, kraftdurchzucktem Leibe aus diesen reinen, frischen Wassern zurückkommt und die günstige Wirkung schon beim erstenmal wie mit Händen zu greifen meint, so sagt man: es ist nicht zu bezahlen! Aus den Armen des Meeres sich loszureißen kostet immer Selbstüberwindung, und doch soll man Anfangs nur zwei bis drei, später höchstens sechs Minuten im Wasser bleiben, weil das Bad sehr aufregend wirkt. — Die Größe der Wellen hängt ganz von der Stärke des Windes ab, weshalb die Badegäste sich immer nur stürmisches Wetter und nichts weniger als heitern Sonnenschein wünschen. In der Regel aber sind die Wellen so, dass sie ordentlich den Rücken abbürsten. Oft gehen sie drei bis vier Fuß hoch über dem Kopfe weg und man hat Mühe, sich auf den Füßen zu halten. Aber ein Moment, und die Welle ist schon wieder fortgerauscht. An sich ist das Meerwasser sehr kalt, die höchste Temperatur war zwölf Grade; aber der Salzgehalt, verbunden mit der Wellenbewegung, durchwärmt den Leib so sehr, dass man beim Herauskommen meint, der Wagen sei unterdessen geheizt worden.

Nichts schöner als nach dem Baden der Spaziergang auf der Düne. Man legt sich von Zeit zu Zeit in den warmen Sand, auf dasselbe Niveau mit dem Wasser, während die Wellen wie lustige Gesellen um einen tanzen und springen und singen, oder man sucht sich einige Muscheln und Seesterne, kann aber auf einmal durch die wachsende Flut auf einer einsamen Düneninsel stehen, und hat nun das Vergnügen, die übrige Gesellschaft unsere zierlichen Zehenschritte durch das Wasser hindurch belachen zu hören. Nach der Promenade geht es zum zweiten Frühstück in den Dünenpavillon, wo eine sehr gute Restauration eingerichtet ist. Das war immer das herrlichste dolce far niente des Tags, alle Sorgen waren abgewaschen, und frei und ledig schlürfte die Brust mit vollen Zügen die reine Luft in sich. So herrlich auch auf ganz Helgoland die Luft ist, am reinsten ist sie doch hier auf der Düne, ganz und gar Seeluft. Deshalb wird von Doktor v. Aschen, dem Badearzte, der Aufenthalt auf der Düne sehr angeraten; er soll gerade so gut sein, als das Verweilen auf der See bei Segelpartien, während auf Helgoland selbst schon manche Gerüche influenzieren.

Beim Herüberfahren von der Düne geniert man sich gegenseitig nicht, im schlechtesten Negligé vor einander zu erscheinen; selbst die Damen verzichten auf jedweden Schmuck und tragen ihre Haare aufgelöst, lang hinabwallend. Ein Mann, dem diese Mode wohl noch in keinem Journale vorgekommen war, flüsterte mir daher einmal ernstlich verblüfft zu: „Um Gottes willen, sagen Sie mir doch, was sind denn das für Landsleute?“ Er meinte sie in irgend eine Barbarei Hinterasiens verlegen zu müssen.

Begleiten wir den Tag der Badegäste vollends bis zu seiner Neige, so ist das nächste epochemachende Moment die Table d'Hôte. Sehnsüchtig wird der Schlag drei Uhr erwartet, und nun erscheinen die glänzendsten Toiletten. Der Preis des Mittagessens ist fast durchgängig anderthalb Mark. Eine sehr beliebte Restauration ist das Gasthaus zum Fremden-Willkomm am Ende der Bindfadenallee. Der Abonnementspreis ist fast überall derselbe, so dass man besser tut, sich nirgends zu binden. Die Speisen sind meist sehr gut, wenn auch ohne viele Abwechslung. Einen Hauptgang bilden natürlich die trefflichen Seefische, Steinbutten, Dorsche, Makrelen, Hummer u. s. w. Für einen Südländermagen sind sie freilich so fett, dass er ohne den französischen Wein, der hier nicht teuer ist (die Flasche zu zehn, zwölf Schillingen bis eine Mark und darüber), schwerlich zurecht käme.

Dreimal in der Woche kommen je zwei Dampfschiffe von Hamburg mit Briefen und neuen Passagieren; deshalb versammelt sich dann die ganze Badegemeinde um vier Uhr auf dem Strande und trinkt in den Pavillons den Kaffee. Auch die löblichen Musiker erscheinen und empfangen jedes landende Boot mit ihrem Geklapper. — Unter solchen Studien ist es unmerklich Abend geworden. Nun geht's noch auf eine Segel- oder Fischfangpartie nach den Seehundsklippen, von wo man mit dem Bewusstsein zurückkommt, um ein Haar einen gesehen, wenn nicht geschossen zu haben, oder auf den Makrelenfang, von wo wir einmal nach vierstündiger Fahrt mit der reichen Beute von sechs Stücken überglücklich zurückkamen. Am schönsten ist immer das Segeln, wenn die Wellen das Schifflein von der Höhe in die Tiefe schleudern, auch zu allgemeiner Heiterkeit sich hier und da den Spaß erlauben, ins Boot hereinzuspritzen, und fröhliche Lieder zum Takt der Ruderschläge erschallen. Eine solche Fahrt ist mir noch immer in frischem Andenken. Ein schon bejahrter, würdiger Pastor stimmte das Lied an: Gaudeamus igitur etc., und als wir uns der Reihe nach, nach unserer Heimat fragten, waren es ein Rheinländer, ein Sachse, ein Schleswig-Holsteiner, ein Ungar, ein Schwabe, ein Helgoländer, die hier einmütig in Freude sich die Hände reichten. Es kam mir das Uhland'sche Lied in den Sinn:

Ein Schifflein ziehet leise
Den Strom hin seine Gleise. —
Die Rudrer auch sich regen
Mit taktgemäßen Schlägen,
Das Schiff hinunter flieget,
Von Melodie gewieget. —
Wann treffen wir uns, Brüder,
Auf einem Schifflein wieder?


Sehr oft hat man auf Helgoland Gelegenheit, das Meerleuchten zu beobachten, welches die Schiffer nach einem schwülen Tag und bei bedecktem Himmel schon zum voraus ansagen. Funken um Funken lässt sich aus dem Wasser schöpfen und Stern an Stern traulich in die Hand fassen. Bald aber bricht der Mond neidisch durch die Wolken und die ganze Sternenwelt zerfließt wie ein Traum vor dem unerbittlichen Himmelslichte.

Doch wir dürfen die schöne Umfahrt um den Felsen nicht vergessen, als ein Hauptvergnügen der Badegäste. Bei der Ebbe kann man auch zu Fuß den Weg um den Felsen wagen; aber das fortwährende Abbröckeln von Steinen macht denselben gefährlich und hat erst vor wenigen Jahren einem jungen Mann das Leben gekostet; auch hat man sich wohl in Acht zunehmen, dass man nicht von der Flut übereilt wird. Die Ostseite bietet wenig Interesse dar; nur den Geologen werden die Schichtungen von rotem Sandstein, Muschelkalk, Oolith und Kreide in ihren regelmäßigen parallelen Schichten anziehen. Hier auf der Ostseite senkt sich der Felsen sichtbar ab, weshalb hier auch die Abbröckelungen am meisten zu fürchten sind. Den Grund derselben sucht Wiebel nicht in den großen Fluten, sondern in den stetig wiederkehrenden Wirkungen der atmosphärischen Wasser und der Wellen. Die wässerigen Niederschläge sind es zunächst, welche mit dem Wechsel der Temperatur die Zerbröckelung des Gesteins und die Ablösung von den Abhängen bedingen. Aber auch größere oder geringere Zerklüftung und die Neigung der Schichten kommen dabei wesentlich in Betracht und erklären den ungleichen Einfluss auf die verschiedenen Küsten. In wahrhaft großartiger Gestalt tritt dieser Zerstörungsprozess auf der Westseite hervor. Große isolierte Felsmassen, Zerklüftungen aller Art, breite Höhlungen und Bogen bieten einen äußerst imposanten Anblick dar. Sie führen alle ihre Namen: da ist der Mönch, die Kanzel, die Nonne, der zerfallene Trichter, Junkgatt, Wöhrmersgatt insbesondere, das prachtvolle Felsentor, Natürngatt, der Hengst, und wie sie alle heißen. An allen diesen Kolossen aber nagt der Zahn der Zerstörung unnachsichtlich.

Die Helgoländer haben eine tragische Sympathie mit ihrem sterbenden Felsen, ihrem dem Untergange geweihten Vaterlande. Wir werden es wohl nicht erleben, sprechen die Alten, aber wehe dann unsern Kindern und Enkeln, wenn einst nur noch eine einsame Klippe aus dem Meere ihren Finger in die Höhe streckt und zu ihnen spricht: da stand einst Helgoland!

Einmal in der Badesaison wurde vom tätigen Dr. v. Aschen eine Umfahrt um den Felsen mit Beleuchtung und Feuerwerk veranstaltet. In den Klüften brannten Teertonnen und bengalische Feuer, welch letztere sich dem Rot des Felsen vortrefflich anpassten. Die Helgoländer Jungen sprangen als kleine Teufel um das Feuer herum und kletterten mit ihren Riesenschatten an den grotesken Felsgestalten umher. Unzählige Boote bedeckten die Fläche, rauschende Musik ertönte, Gesang erscholl, Sternraketen und romanische Lichter erhellten das Dunkel und die träge Masse des Meers schien wie mit einem Zauberschlage in allen Tiefen und Weiten Ein Leben und Schaffen zu sein. Erst in später Nacht kehrten alle vergnügt und fröhlich nach Haufe. Solche Seefahrten sind, in Gesellschaft gemacht, nicht teuer, obwohl die Helgoländer Schiffer ihren gewinnsüchtigen Charakter hierbei nicht verleugnen und gerne über die Taxe fordern.

Prüft man nun von hier aus die Urteile, welche häufig über Helgoland im Schwang sind, so kann man sich nicht genug wundern. „Teuer!“ „Langweilig!“ Merkwürdig, schon von Alters her hatte Helgoland dieses Loos, für teuer und für langweilig gehalten zu werden. Die mittelalterlichen Seeräuber der Nordsee glaubten jeden Raub am „heiligen Lande“ mit einem Seeunglück oder dem Preis eines Lebens bezahlen zu müssen, und St. Ursula — wie Helgoland von den christlichen Missionären getauft wurde — ward so lange von den Deutschen als langweilig verschmäht, bis die Engländer die schöne Braut heimführten. Man kommt jetzt so leicht und spottwohlfeil von Hamburg nach der Insel (binnen eines halben Tages), man lebt eher billiger daselbst als in Ostende und Scheveningen, hat den Genuss eines echten Seelebens und einer herrlichen Seelandschaft, und es gehört die ganze Borniertheit eines übersatten Touristen dazu, um jene Urteile zu fällen und über Engbrüstigkeit beim Anblick einer unabsehbaren Wasserebene zu klagen.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Helgoland im Herbst 1852