Helgoland im Herbst 1852

Gustav Adolph. – Die Saison
Autor: anonym aus: Morgenblatt für gebildete Leser, Erscheinungsjahr: 1852
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Helgoland, Nordsee, Insel, Badekultur, Fischerleben
Aus: Morgenblatt für gebildete Leser. 1852

Das Morgenblatt für gebildete Leser (seit 1837, vorher: Morgenblatt für gebildete Stände) ist der bedeutendste Vertreter eines neuen Zeitschriftentypus, zu Beginn des 19. Jahrhunderts.

Mit seiner Auflage von 2.500 Exemplaren, davon etwa 1.400 Abonnements, war es das führende literarische Unterhaltungsorgan in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Von 1807 bis 1865 erschien es in Stuttgart und Tübingen im Verlag der Cotta'schen Verlagsbuchhandlung, einem der einflussreichsten deutschen Verlage seiner Zeit.

Idee und Konzept zu der vier- bis sechsseitigen und bis zu sechsmal wöchentlich erscheinenden, im Zeitungsstil aufgemachten Zeitschrift stammten von dem Verleger Johann Friedrich Cotta. Der Inhalt war eine vielfältige Mischung aus Reiseberichten, Gedichten, Lebenserinnerungen, Aufsätzen zu Literatur, Geschichte, Kunst und Naturkunde, sowie Rezensionen. Die Zeitschrift hatte aufgrund der Vielzahl bedeutender Mitarbeiter schnell großen Erfolg; kaum ein wichtiger Autor der Zeit fehlte auf der Mitarbeiterliste. Die Prominenz der Mitarbeiter führte dazu, dass von dem ursprünglichen Prinzip, die Beiträge der Zeitschrift anonym erscheinen zu lassen, zusehends abgewichen wurde. Quelle: Wikipedia

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Erst mit dem August begann „die rote Klippe“ sich ansehnlicher zu füllen, meist mit Norddeutschen, zunächst aus Hamburg und den Küstenländern. Fast gar niemand aus dem Süden unseres Vaterlandes, kaum noch ein vereinzelter Sachse, desto mehr Britten, auch viele Schweden, deren hohe, schlanke Figuren entschieden vortraten. An Zelebritäten war ziemlicher Mangel. Nur ein Fremder von größter Auszeichnung traf auf der Insel ein, Gustav Adolph. Am 10. August haben sie ihn herübergeholt von der Düne, wo der mächtige Kriegsheld, mit vergebens zum Kommando ausgestreckter Hand, in kleiner Bretterbude, wie auf dem Paradebette lag, umwogt von Ultramarin, aus welchem sich die silberweiße Sandbank selbst gleich einem Zaubergabe erhebt, dem die drei schwarzen „Baaken“ - Signale, welche die Richtung von Klippen andeuten — statt Kreuzen dienen. Auf einem Floße zwischen zwei Schiffen, ähnlich jenen, mit welchen die Blankeneser in See fahren, ward er ans Ufer gebracht, Mittags, mit der Flut, in zwei Stunden, unter dem Herbeidrängen vieler Zuschauer. Nahe an hundert Menschen beschäftigte der Transport, fünfzehn auf jedem Schiffe. In einer stürmischen Oktobernacht des vorigen Jahrs um zehn Uhr strandete bekanntlich das Schiff, welches das kolossale Erzbild trug, rückwärts an der Dünenzunge, wo die stärkste Brandung tobt. Noch kurz vorher, am Abend hatte man es vom Eilande aus gewahrt. Ein halbes Jahr lag die Statue im Meere; erst im April 1852 ward sie nach ungeheurer Anstrengung und einer dreitägigen Arbeit herausgehoben, um später noch einmal unter den Wogen sich begraben zu lassen; es kam Hochwasser und riss alles, auch die Bretterhütte mit fort. Da fing die Mühe von neuem wieder an. Durch das Strandrecht fiel das schöne Werk Fogelbergs und der Münchner Kunst den Helgoländern heim, welche freilich mit äußerster Lebensgefahr die Bergung besorgt. Man weiß, dass Schweden sich weigerte den geforderten Rückkaufspreis zu zahlen. Der Matrose, welcher uns den Gustav Adolph zum erstenmal zeigte, noch auf der Düne, versicherte, das Bild habe ursprünglich 40.000 Thaler gekostet und sei von den hiesigen Bewohnern bei der üblichen Versteigerung um 2.000 Thaler erstanden worden. Das Meerwasser hat die glänzende Gestalt mit einem grünlichen Anfluge überhaucht. Das Gesicht, so nah dem unsern, erschien uns erschreckend lebendig, aber die grundehrlichen, guten Augen, die uns daraus entgegen blickten, gaben schnell das Vertrauen zurück. Was hilft jetzt das Gebieten deiner ausgestreckten Finger? Ein gebrechliches Desserttellerchen haben die Fischer auf die riesige Erzbrust des gewaltigen Königs und Feldherrn gesetzt — zum Sammeln von Trinkgeld. Jeder Eintretende wirft seine paar Schillinge dem Helden, welcher einst die Welt mit seinem Ruhme erfüllte, an den Kopf. Was haben wir nicht alles für Urteile über das Bild vom Reisepöbel hören müssen! Die Feder am Hute, Schärpe und Knöpfe waren die Bewunderung der Gaffer. Nun umschließt ein Magazin in der „Bindfadenallee“ des Unterlandes dieses durch seine Schicksale doppelt merkwürdige Bildwerk. Nicht in seinem königlichen Stockholm, am geringen Strande, mitten unter armen Schiffern soll Gustav Adolph stehen. Noch vermochte man sich nicht zu einigen über die geeignete Stelle. Die prächtigste wäre freilich hoch oben die Kante oder das Nordhorn, von wo man hinaus schaut in die Meereinsamkeit; die Wahrscheinlichkeit spricht für eine minder stolze Aufstellung, auf dem Markte, beim Konversationshause.

Unmittelbar in der Nähe des letzteren, dessen Mauer Anschlagzettel aller Art trägt, Ausschreiben der Regierung, Anzeigen von frischen Austern, Hummern, Konzerten, Bällen n. d. m., spinnt sich das Treiben der Modewelt ab. Alles eilt herbei zum Tanzfeste. Als die feenhafteste von allen Vergnügungen der Saison hat sich aber wieder die Grottenbeleuchtung bewährt, in magischer Augustnacht, unter jener Klippenwelt, welche mit titanenhaften Umrissen die tausendjährige Geschichte des Strandes in den Himmel schreibt. Mit welchen Augen betrachtet indessen oft die Menge die großartigen Naturspiele! Kann man doch auch kaum irgendwo auf dieser Welt eine hübsche Aussicht haben ohne Geruch von Beefsteaks. Jene Dame, während die Sonne aus goldener Glorie sich herabsenkt, um gleich einer brennenden Rose im Meere zu verlöschen, entschuldigt sich: „Ich muss zur Table d'Hôte.“ Eine andere, in Wolken von Spitzen gehüllt, sagt zu dem neben ihr hergehenden Mann mit orangegelben Handschuhen und weißem Hute in unnachahmlichem Tone: „Die Sonne geht heute wieder ganz schlecht unter,“ wie man von der Arie einer Primadonna spricht, die nicht bei Stimme ist. Um diese Stunde pflegt das Publikum des Konversationshauses nach der Kante auszuwandern. Wie manchen schönen Abend hat uns das Geschwätz des eleganten Pöbels verdorben! Der Putz stieg in diesem Jahre auf eine lächerliche Höhe. In keiner früheren Saison soll solche Torheit mitten in der Fischeridylle so grell hervorgetreten sein. Selbst in die Läden im Unterlande drängt sich jetzt mehr Modetand, wenn auch die Sentimentalität der Erinnerungen an Helgoland — im Norden legt man beim Aussprechen dieses Namens nicht wie im Süden den Akzent auf die erste Silbe, Helgoland, sondern auf die letzte, Helgoland — noch immer die Hauptrolle spielt. Es besteht eine ganze Fabrik — Hornsmann, in der Treppenstraße — von Holzwaren mit hundert Ansichten der Insel, Eigentümlich erscheinen die leichten strohgeflochtenen Pantoffeln und Schuhe an den Schaufenstern. Man stolpert über kleine muschelverkaufende Kinder mit langem blonden, straffen Haar. Nur zwei Fragen, aber unzählige mal, hörten wir, als wir den Fuß auf „die rote Klippe“ setzten, und so weit er uns trug: „Wollen Sie Muscheln?“ — „Wollen Sie eine Wohnung?“

Auf der Überfahrt

Auf der Überfahrt

Die lange Anna

Die lange Anna

Helgoland - Süd-West-Ansicht

Helgoland - Süd-West-Ansicht

Helgoland - Biologische Anstalt und Kurhaus

Helgoland - Biologische Anstalt und Kurhaus

Helgoland - Gruß von Bord der

Helgoland - Gruß von Bord der "Cobra"

Helgoland - Herzliche Grüße

Helgoland - Herzliche Grüße

Helgoland - Unter- und Oberland

Helgoland - Unter- und Oberland