Wachstum der Feinde
Wenden wir uns jetzt zu der äußeren Geschichte der Hanse zurück. Durch die erzählten glücklichen Fehden gelangte die Hanse auf die Höhe ihrer Macht. Aber bereits am Ende des 14. Jahrhunderts traten Ereignisse ein, welche für die Machtstellung der nordischen Kaufleute von der größten Beeinträchtigung waren. Im Jahre 1386 vereinigte Wladislaw Jagiello Litauen mit Polen, und dadurch ward die Herrschaft des deutschen Ordens in Preußen gebrochen. Fast zu derselben Zeit tat Russland die ersten Schritte, um die Herrschaft der Mongolen, unter der es bis dahin geseufzt hatte, zu brechen und den ersten Grund zu einer europäischen Macht zu legen. Und eben so wichtig war nach Westen hin die Bildung und das Anwachsen des neuburgundischen Herzogtums, denn dadurch wurde der Einfluss der Hansa in den Niederlanden gebrochen. Aber noch lebte die alte Kraft der seetüchtigen Kauffahrer der Nord- und Ostsee, es dauerte noch eine Reihe von Jahrzehnten, ehe der Verfall offen hervortrat. — Als Waldemar III, gestorben war, fasste seine Tochter, die Wittwe des Königs Hakon VII. von Norwegen, den Plan, mit der norwegischen und dänischen Krone, die ihr nach dem Tode ihres Sohnes Oluf zugefallen war, auch die von Schweden zu erwerben und alle drei Reiche zu einem Gesamtstaate zu vereinigen. In Schweden herrschte der König Albert aus dem Hause der mecklenburgischen Herzoge. Da er bei den Schweden wenig beliebt war, so konnte sie mit Wahrscheinlichkeit auf das Gelingen ihrer Pläne rechnen. Die Feindseligkeiten begannen. Alles ging gut, nur Stockholm leistete Widerstand. König Albert fand bei seinen Verwandten in Mecklenburg rege Teilnahme, und die Städte Wismar und Rostock gaben „Stehlbriefe“, d. h. Kaperbriefe aus, und Herzog Johann von Mecklenburg machte bekannt, dass seine Häfen Ribnitz und Golwitz diesen Freibeutern zum Zufluchtsort dienen sollten. So bildete sich aus den von allen Seiten in Wismar und Rostock zusammenströmenden Abenteurern der Verein der Vitalienbrüder, der zunächst keinen anderen Zweck hatte, als den von Margarethe belagerten Stockholmern, wo die sehr zahlreichen, des Handels wegen ansässigen und mit großen Privilegien von Seiten des Königs ausgestatteten Deutschen gemeinschaftliche Sache mit Albert gemacht hatten, Victualien zuzuführen. Um diesen politischen Wirren, worunter auch der Handel, namentlich dcr Heringshandel, sehr bedeutend litt, ein Ende zu machen, legte sich die Hansa ins Mittel, und es kam 1395 ein Vergleich zu Stande, wonach König Albert in Freiheit gesetzt und Stockholm den Hanseaten übergeben wurde. Jetzt konnte Margarethe ihren Plan zur Ausführung bringen. Sie ließ, da sie selbst kinderlos war, ihren Großneffen Erich, einen Sohn des Herzogs Wratislaw, von Stolpe aus Hinterpommern zu sich kommen und ließ ihn mit Zustimmung der Reichsräte in Dänemark, Norwegen und Schweden zum Thronerben erheben. Im Juni 1397 wurde Erich zu Calmar zum gemeinsamen König über die drei Reiche ausgerufen und vier Wochen später die Union der drei Reiche verkündet. Das Jahr darauf wurde Stockholm von den Hanseaten an Margarethe übergeben. Aus Dankbarkeit für die Unterstützung, welche Margarethen die Hanseaten erwiesen, erhielten diese die Bestätigung ihrer Privilegien, und ein gutes Verhältnis, machte sich jetzt zwischen den beiden vor wenigen Jahrzehnten noch so feindlich gesinnten Mächten geltend. Bald sollte die Zeit kommen, wo Dänemark in die Verhältnisse Lübecks eingreifen sollte. Die zerrütteten Geldverhältnisse der Stadt gaben Anlass zu einer großen demokratischen Bewegung, die wie in vielen anderen nord- und süddeutschen Städten zu dieser Zeit auf einen Umsturz der bestehenden Ratsverfassung hinzielte. Der Rat, gegen den die Masse von ihren Führern aufgereizt war, sollte in seiner Macht bedeutend beschränkt werden und die Bürgerschaft sollte in Zukunft an der Wahl der Ratsmitglieder Teil nehmen.
Hierauf konnte und wollte dieser nicht eingehen, und nicht mächtig genug, dem drohenden Sturme zu widerstehen, zog die Mehrzahl seiner Mitglieder es vor, Lübeck zu verlassen. Ein neues Regiment aus den Zünften und dem Kaufmannsstande ward eingesetzt, das sich bis 1415 im Besitze seiner Macht erhielt. Um sich die Gunst des Kaisers Sigmund zu sichern, hatten diese neuen Ratsherren einen Vertrag abgeschlossen des Inhalts, dass dieser gegen eine Summe von 25.000 Gulden die vorläufige Versicherung erteilte, dass der alte Rat niemals nach Lübeck zurückkehren und die Herrschaft bei dem neuen Rate bleiben solle. Diese Bestimmungen würden aber nur dann in Kraft treten, wenn der Kaiser sich nicht im Stande sähe, die benannte Summe den Lübeckern zurückzugeben; zugleich war ein bestimmter Zahlungstermin festgesetzt. Noch ehe die festgesetzte Zeit ablief, wurde die Summe vom dänischen Könige angeboten, aber von den Lübeckern zurückgewiesen. Die Folge war, dass König Erich 400 Lübecker Bürger in Schonen aufgreifen und verkünden ließ, er werde die Gefangenen nicht eher freigeben, als bis die Stadt Lübeck sich wieder mit ihrem Rate ausgesöhnt habe. Durch kaiserlichen Schiedsspruch musste der neue Rat auf die Regierung verzichten und die in der Verbannung lebenden Mitglieder des alten hielten darauf ihren Einzug in die Stadt und die alte Verfassung ward wieder hergestellt. Es dauerte nicht lange, so hatten die Lübecker Gelegenheit, dem Dänenkönige ihre Ergebenheit durch die Tat zu beweisen. In einem Kampfe zwischen Dänemark und Holstein um das Herzogtum Schleswig nahm Lübeck Partei für ersteres, und als der Kampf 1417 eine ungünstige Wendung für Erich nahm, erschienen Abgeordnete von Lübeck, Wismar, Rostock und Lüneburg und machten Vorschläge zu einem Waffenstillstände, nach welchem die Streitfrage einem schiedsrichterlichen Spruche übergeben werden sollte. Als beide Teile darauf eingingen, wurden Schleswig und Tondern den Hanseaten zur Besetzung übergeben. Jedoch der Waffenstillstand wurde von beiden Seiten nicht streng innegehalten, Erich betrachtete die Hanseaten nicht mehr als Vermittler, sondern als seine Feinde und suchte sich an ihnen wegen ihres vermeintlichen Treubruches in der Weise zu rächen, dass er die zum Bunde gehörigen holländischen Städte durch Begünstigungen aller Art an sich zog und sie endlich zum Abfall von der Hansa zu bewegen wusste. Diese holländischen Städte, etwa zwanzig an der Zahl, hatten trotz ihrer den Ostseestädten in den Jahren 1368 und 69 geleisteten Unterstützungen nur wenig Dank geerntet; sie waren fast ganz ausgeschlossen von dem Handel östlich vom Sunde. Und doch konnten die niederländischen Städte die Ostseestädte nicht entbehren. Da die Niederlande selbst nicht hinreichendes Getreide erzeugten, so wurde ihnen das fehlende von den kornreichen Küstenländern der Ostsee zugeführt. Als man ihnen Schwierigkeiten machte, ihren Kornbedarf auf eigenen Schiffen von den baltischen Häfen zu holen, so nahmen sie zum Schleichhandel ihre Zuflucht. Die gegen die niederländischen Kaufleute von Seiten der Seestädte getroffenen Maßregeln erbitterten jene auf das Äußerste und diese Missstimmung wusste König Erich auf das Beste auszubeuten. Er räumte den Holländern neue Handelsvorrechte auf Schonen ein, ermunterte sie zur Feindschaft gegen ihre früheren deutschen Bundesgenossen und suchte sie zu bewegen, ganz auf seine Seite zu treten. Der Zwiespalt zwischen den Holländern und der Hanse ward immer größer und es wurden eine Menge von Maßregeln getroffen, um den Handel der Holländer zu vernichten. Andererseits löste sich auch das Verhältnis der Hanse zu König Erich vollständig. Als ihre Vorschläge zur Schlichtung der schleswigschen Angelegenheit im Jahre 1426 zurückgewiesen wurden, ward der Krieg beschlossen. Im März 1427 begann der Krieg, anfänglich mit Glück, aber vergebens suchte man den Dänen Flensburg zu entreißen. Noch erwartete man die preußischen und bayischen Handelsflotten, d. h. diejenigen Schiffe, welche aus den westlichen Meeren kommend, die Produkte Südeuropas den baltischen Häfen zuführten. Lübeck, Hamburg, Rostock, Wismar, Stralsund und Lüneburg hatten für die übrigen Bundesstädte die Schiffe gestellt; alles vorzügliche Fahrzeuge, hinreichend versehen mit Proviant und Waffen. Zum obersten Anführer der ganzen Flotte war der Lübecker Ratsherr Tidemann Steen ernannt; er sollte nicht eher den Sund verlassen, als bis jene beiden Flotten den Sund passiert hätten. Hier lagen auch die dänischen und die mit ihnen verbündeten schwedischen Schiffe. Die dänische Flotte suchte, ehe noch die ihrer Gegnervollzählig war, den Kampf herbeizuführen. Das Handgemenge ward bald allgemein und die Hamburger wurden zuerst eine Beute ihrer Gegner. Glücklicher kämpften zwar die Lübecker, aber ihr Anführer gab, als die Seinen im vollen Siegen waren, den Befehl zum Rückzüge. Unmittelbar darauf kam die bayische Flotte an und ward nach furchtbarem Kampfe vollständig vernichtet. Tidemann Steen ward verhaftet und ins Gefängnis geworfen. Zu diesem Unfalle gesellten sich noch andere harte Schläge. In Nowgorod waren um 1423 bedenkliche Händel zwischen den Deutschen und Russen ausgebrochen, welche eine langdatiernde Geschäftsstille zur Folge hatten. In London ging man damit um, die Zölle auf Reis, Salz u. s. w. zu erhöhen; auch in Spanien waren die Handelsbeziehungen nicht mehr so günstig. Das Schlimmste aber war, dass der Hering auf Schonen nicht mehr in bisheriger Trefflichkeit und Menge erschien, und seit 1425 nahm er seinen Hauptzug nach der Westsee, und der glänzende Gewinn, der früher den Hanseaten aus diesem Erwerbszweige erwachsen war, fiel jetzt den Holländern und Flamländern zu. Im Jahre 1427 begann man nochmals den Krieg gegen König Erich, aber mit wenig Glück. Endlich kam 1430 ein Friede zu Stande, wonach den Hanseaten ihre früheren Rechte und Zollfreiheiten in den skandinavischen Reichen bestätigt wurden und Dänemark auf Schleswig verzichtete. Weniger günstig gestalteten sich die Verhältnisse der Hanse zu den holländischen Städten. Durch eine Reihe von glücklichen Umständen hatte das neuburgundische Reich sich immer mehr nach Osten und den nördlichen Meeresgebieten ausgedehnt; 1433 kamen auch die Grafschaften Hennegau, Holland, Seeland und Westfriesland hinzu. Durch diese Verbindung mit einem mächtigen Fürstenhause gewannen die holländischen Städte unendlich an Macht und die Wirkungen davon erkannten die Hanseaten bald. Durch Freibeuterei von Seiten der Holländer erlitten die Hansestädte sehr bedeutende Verluste, bis 1441 ein Vergleich zu Kopenhagen abgeschlossen wurde. Wenn auch verschiedene Versuche gemacht wurden, die alten Beziehungen wieder herzustellen, — sie hatten wenig Erfolg und die Hauptmacht des Bundes im Westen war für alle Zeit gebrochen. Und nicht viel besser stand es im Osten. Das gute Einvernehmen der baltischen Städte mit Livland dauerte noch fort, aber durch die Schlacht bei Tannenberg (1410), welche dem politischen Übergewicht des deutschen Ordens in Preußen ein Ende gemacht hatte, war auch die Macht der Hanse in Preußen gebrochen. Nur sparsam trafen von hier die Abgeordneten zu den Tagfahrten; dazu kamen noch Streitigkeiten des Bundes mit dem Hochmeister wegen des sogenannten Pfundzolles, welchen die hanseatischen Schiffe wider alles Recht bei der Ausfuhr aus den preußischen Häfen entrichten mussten. Was endlich die binnenländischen Bundesstädte anbetrifft, so war die Mehrzahl derselben durch die steigende Macht der Landesfürsten ihrer Selbstständigkeit beraubt und daher in ihrer Wirksamkeit nach außen gelähmt worden. Die eigentliche Kraft der Hanse lag somit nur noch in Lübeck, Hamburg und den wendischen Städten Rostock, Wismar, Stralsund und Greifswald; doch hier überwog jetzt die Sonderpolitik die gemeinsamen Bundesinteressen. Aber auch die Machtstellung, welche die Hanse bisher noch im Osten behauptet hatte, näherte sich ihrem Ende. Unter allen Faktoreien der Hanse galt ihr Hof zu Nowgorod für diejenige Niederlassung, aus der die Bundesstädte den größten Gewinn zogen, denn hier beherrschten sie den ganzen Markt, und die fremden Kaufleute waren von allem Handel ausgeschlossen. Außerdem gab es noch einige andere Orte, in welchen es den Hanseaten vom Bunde gestattet war, mit den Russen Handel zu treiben. Dazu gehörte Vskov und die livländischen Städte Riga, Fellin, Reval und Dorpat. Aber je mehr Nowgorod an Macht wuchs, um so mehr suchte es sich der Abhängigkeit von der Hanse zu entledigen, und es kamen mancherlei Zwistigkeiten zwischen den rührigen und auf ihren Erwerb bedachten Hansemännern und den Nowgorodern vor. Aber die Tage des Glanzes der Hanse waren auch hier gezählt! im Jahre 1494 gab Iwan III., der einen unauslöschlichen Hass gegen die Deutschen hegte, den Befehl, den Hof der Hanse zu schließen. Ihre Waren und andere Besitztümer wurden mit Beschlag belegt und nach Moskau gebracht. Freilich erhielten die Hanseaten von Iwans Sohn, Wassily, einiges von dem Verlorenen wieder, aber die alte Macht war dahin. Nur in Bergen wusste sich der hanseatische Kaufmann weit in das 15. Jahrhundert im Vollgenusse aller seiner Privilegien zu halten. Hier hatten die Deutschen so dauerhafte Verbindungen mit den Eingeborenen angeknüpft, dass es nur den Letzteren zum Schaden gereicht haben würde, wenn man den Hanseaten irgend wie hemmend entgegengetreten sein würde. So war denn der ganze ehemals so stolze Bau der Hanse ins Wanken geraten.
Hierauf konnte und wollte dieser nicht eingehen, und nicht mächtig genug, dem drohenden Sturme zu widerstehen, zog die Mehrzahl seiner Mitglieder es vor, Lübeck zu verlassen. Ein neues Regiment aus den Zünften und dem Kaufmannsstande ward eingesetzt, das sich bis 1415 im Besitze seiner Macht erhielt. Um sich die Gunst des Kaisers Sigmund zu sichern, hatten diese neuen Ratsherren einen Vertrag abgeschlossen des Inhalts, dass dieser gegen eine Summe von 25.000 Gulden die vorläufige Versicherung erteilte, dass der alte Rat niemals nach Lübeck zurückkehren und die Herrschaft bei dem neuen Rate bleiben solle. Diese Bestimmungen würden aber nur dann in Kraft treten, wenn der Kaiser sich nicht im Stande sähe, die benannte Summe den Lübeckern zurückzugeben; zugleich war ein bestimmter Zahlungstermin festgesetzt. Noch ehe die festgesetzte Zeit ablief, wurde die Summe vom dänischen Könige angeboten, aber von den Lübeckern zurückgewiesen. Die Folge war, dass König Erich 400 Lübecker Bürger in Schonen aufgreifen und verkünden ließ, er werde die Gefangenen nicht eher freigeben, als bis die Stadt Lübeck sich wieder mit ihrem Rate ausgesöhnt habe. Durch kaiserlichen Schiedsspruch musste der neue Rat auf die Regierung verzichten und die in der Verbannung lebenden Mitglieder des alten hielten darauf ihren Einzug in die Stadt und die alte Verfassung ward wieder hergestellt. Es dauerte nicht lange, so hatten die Lübecker Gelegenheit, dem Dänenkönige ihre Ergebenheit durch die Tat zu beweisen. In einem Kampfe zwischen Dänemark und Holstein um das Herzogtum Schleswig nahm Lübeck Partei für ersteres, und als der Kampf 1417 eine ungünstige Wendung für Erich nahm, erschienen Abgeordnete von Lübeck, Wismar, Rostock und Lüneburg und machten Vorschläge zu einem Waffenstillstände, nach welchem die Streitfrage einem schiedsrichterlichen Spruche übergeben werden sollte. Als beide Teile darauf eingingen, wurden Schleswig und Tondern den Hanseaten zur Besetzung übergeben. Jedoch der Waffenstillstand wurde von beiden Seiten nicht streng innegehalten, Erich betrachtete die Hanseaten nicht mehr als Vermittler, sondern als seine Feinde und suchte sich an ihnen wegen ihres vermeintlichen Treubruches in der Weise zu rächen, dass er die zum Bunde gehörigen holländischen Städte durch Begünstigungen aller Art an sich zog und sie endlich zum Abfall von der Hansa zu bewegen wusste. Diese holländischen Städte, etwa zwanzig an der Zahl, hatten trotz ihrer den Ostseestädten in den Jahren 1368 und 69 geleisteten Unterstützungen nur wenig Dank geerntet; sie waren fast ganz ausgeschlossen von dem Handel östlich vom Sunde. Und doch konnten die niederländischen Städte die Ostseestädte nicht entbehren. Da die Niederlande selbst nicht hinreichendes Getreide erzeugten, so wurde ihnen das fehlende von den kornreichen Küstenländern der Ostsee zugeführt. Als man ihnen Schwierigkeiten machte, ihren Kornbedarf auf eigenen Schiffen von den baltischen Häfen zu holen, so nahmen sie zum Schleichhandel ihre Zuflucht. Die gegen die niederländischen Kaufleute von Seiten der Seestädte getroffenen Maßregeln erbitterten jene auf das Äußerste und diese Missstimmung wusste König Erich auf das Beste auszubeuten. Er räumte den Holländern neue Handelsvorrechte auf Schonen ein, ermunterte sie zur Feindschaft gegen ihre früheren deutschen Bundesgenossen und suchte sie zu bewegen, ganz auf seine Seite zu treten. Der Zwiespalt zwischen den Holländern und der Hanse ward immer größer und es wurden eine Menge von Maßregeln getroffen, um den Handel der Holländer zu vernichten. Andererseits löste sich auch das Verhältnis der Hanse zu König Erich vollständig. Als ihre Vorschläge zur Schlichtung der schleswigschen Angelegenheit im Jahre 1426 zurückgewiesen wurden, ward der Krieg beschlossen. Im März 1427 begann der Krieg, anfänglich mit Glück, aber vergebens suchte man den Dänen Flensburg zu entreißen. Noch erwartete man die preußischen und bayischen Handelsflotten, d. h. diejenigen Schiffe, welche aus den westlichen Meeren kommend, die Produkte Südeuropas den baltischen Häfen zuführten. Lübeck, Hamburg, Rostock, Wismar, Stralsund und Lüneburg hatten für die übrigen Bundesstädte die Schiffe gestellt; alles vorzügliche Fahrzeuge, hinreichend versehen mit Proviant und Waffen. Zum obersten Anführer der ganzen Flotte war der Lübecker Ratsherr Tidemann Steen ernannt; er sollte nicht eher den Sund verlassen, als bis jene beiden Flotten den Sund passiert hätten. Hier lagen auch die dänischen und die mit ihnen verbündeten schwedischen Schiffe. Die dänische Flotte suchte, ehe noch die ihrer Gegnervollzählig war, den Kampf herbeizuführen. Das Handgemenge ward bald allgemein und die Hamburger wurden zuerst eine Beute ihrer Gegner. Glücklicher kämpften zwar die Lübecker, aber ihr Anführer gab, als die Seinen im vollen Siegen waren, den Befehl zum Rückzüge. Unmittelbar darauf kam die bayische Flotte an und ward nach furchtbarem Kampfe vollständig vernichtet. Tidemann Steen ward verhaftet und ins Gefängnis geworfen. Zu diesem Unfalle gesellten sich noch andere harte Schläge. In Nowgorod waren um 1423 bedenkliche Händel zwischen den Deutschen und Russen ausgebrochen, welche eine langdatiernde Geschäftsstille zur Folge hatten. In London ging man damit um, die Zölle auf Reis, Salz u. s. w. zu erhöhen; auch in Spanien waren die Handelsbeziehungen nicht mehr so günstig. Das Schlimmste aber war, dass der Hering auf Schonen nicht mehr in bisheriger Trefflichkeit und Menge erschien, und seit 1425 nahm er seinen Hauptzug nach der Westsee, und der glänzende Gewinn, der früher den Hanseaten aus diesem Erwerbszweige erwachsen war, fiel jetzt den Holländern und Flamländern zu. Im Jahre 1427 begann man nochmals den Krieg gegen König Erich, aber mit wenig Glück. Endlich kam 1430 ein Friede zu Stande, wonach den Hanseaten ihre früheren Rechte und Zollfreiheiten in den skandinavischen Reichen bestätigt wurden und Dänemark auf Schleswig verzichtete. Weniger günstig gestalteten sich die Verhältnisse der Hanse zu den holländischen Städten. Durch eine Reihe von glücklichen Umständen hatte das neuburgundische Reich sich immer mehr nach Osten und den nördlichen Meeresgebieten ausgedehnt; 1433 kamen auch die Grafschaften Hennegau, Holland, Seeland und Westfriesland hinzu. Durch diese Verbindung mit einem mächtigen Fürstenhause gewannen die holländischen Städte unendlich an Macht und die Wirkungen davon erkannten die Hanseaten bald. Durch Freibeuterei von Seiten der Holländer erlitten die Hansestädte sehr bedeutende Verluste, bis 1441 ein Vergleich zu Kopenhagen abgeschlossen wurde. Wenn auch verschiedene Versuche gemacht wurden, die alten Beziehungen wieder herzustellen, — sie hatten wenig Erfolg und die Hauptmacht des Bundes im Westen war für alle Zeit gebrochen. Und nicht viel besser stand es im Osten. Das gute Einvernehmen der baltischen Städte mit Livland dauerte noch fort, aber durch die Schlacht bei Tannenberg (1410), welche dem politischen Übergewicht des deutschen Ordens in Preußen ein Ende gemacht hatte, war auch die Macht der Hanse in Preußen gebrochen. Nur sparsam trafen von hier die Abgeordneten zu den Tagfahrten; dazu kamen noch Streitigkeiten des Bundes mit dem Hochmeister wegen des sogenannten Pfundzolles, welchen die hanseatischen Schiffe wider alles Recht bei der Ausfuhr aus den preußischen Häfen entrichten mussten. Was endlich die binnenländischen Bundesstädte anbetrifft, so war die Mehrzahl derselben durch die steigende Macht der Landesfürsten ihrer Selbstständigkeit beraubt und daher in ihrer Wirksamkeit nach außen gelähmt worden. Die eigentliche Kraft der Hanse lag somit nur noch in Lübeck, Hamburg und den wendischen Städten Rostock, Wismar, Stralsund und Greifswald; doch hier überwog jetzt die Sonderpolitik die gemeinsamen Bundesinteressen. Aber auch die Machtstellung, welche die Hanse bisher noch im Osten behauptet hatte, näherte sich ihrem Ende. Unter allen Faktoreien der Hanse galt ihr Hof zu Nowgorod für diejenige Niederlassung, aus der die Bundesstädte den größten Gewinn zogen, denn hier beherrschten sie den ganzen Markt, und die fremden Kaufleute waren von allem Handel ausgeschlossen. Außerdem gab es noch einige andere Orte, in welchen es den Hanseaten vom Bunde gestattet war, mit den Russen Handel zu treiben. Dazu gehörte Vskov und die livländischen Städte Riga, Fellin, Reval und Dorpat. Aber je mehr Nowgorod an Macht wuchs, um so mehr suchte es sich der Abhängigkeit von der Hanse zu entledigen, und es kamen mancherlei Zwistigkeiten zwischen den rührigen und auf ihren Erwerb bedachten Hansemännern und den Nowgorodern vor. Aber die Tage des Glanzes der Hanse waren auch hier gezählt! im Jahre 1494 gab Iwan III., der einen unauslöschlichen Hass gegen die Deutschen hegte, den Befehl, den Hof der Hanse zu schließen. Ihre Waren und andere Besitztümer wurden mit Beschlag belegt und nach Moskau gebracht. Freilich erhielten die Hanseaten von Iwans Sohn, Wassily, einiges von dem Verlorenen wieder, aber die alte Macht war dahin. Nur in Bergen wusste sich der hanseatische Kaufmann weit in das 15. Jahrhundert im Vollgenusse aller seiner Privilegien zu halten. Hier hatten die Deutschen so dauerhafte Verbindungen mit den Eingeborenen angeknüpft, dass es nur den Letzteren zum Schaden gereicht haben würde, wenn man den Hanseaten irgend wie hemmend entgegengetreten sein würde. So war denn der ganze ehemals so stolze Bau der Hanse ins Wanken geraten.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Hansa - Hanse