Baukonstruktion. Baumaterial

Auch die Baukonstruktion und Baumaterialien sind von wesentlichem Einfluss auf die Gesundheit. Bei Letzteren kommt besonders die Porosität, die Luftdurchlässigkeit, Permeabilität, das Wasserfassungs- und Wasserleitungsvermögen, sowie die Wärmekapazität in Frage. Die Luftdurchlässigkeit der Baumaterialien ist geringer, als gemeinhin angenommen wird. Die Lufterneuerung in geschlossenen Räumen findet zumeist auf anderem Wege statt. Durch Winddruck wird der Luftdurchtritt vermehrt, durch Feuchtigkeit vermindert. Die Wärmekapazität ist bei den dichteren Baumaterialien größer als bei den poröseren, ebenso die Wärmeleitungsfähigkeit. Für die gesundheitliche Beurteilung eines Baumaterials oder einer Baukonstruktion sind im Wesentlichen die Wärmebeständigkeit und das Verhalten gegen Feuchtigkeit maßgebend. Beides wird vornehmlich durch die Porosität bestimmt. Alle diese Fragen der Hygiene der Baumaterialien und der Baukonstruktionen können hier nur gestreift werden, zu eingehenden Studien müssen Specialwerke herangezogen werden.

Dichte, für Wasser nicht oder wenig durchlässige Materialien eignen sich besonders für die Herstellung von Grundmauern, während für die aufgehenden Wände Porosität bis zu einem gewissen Grade keineswegs schädlich ist. Meist gute Wärmeleiter, vermögen die ersteren auch gewöhnlich wenig Wasser aufzusaugen, weshalb sich das in der Luft befindliche Wasser oft in beträchtlicher Menge innen und außen an ihnen niederschlägt; sie sind für aufgehende Mauern zu nass und kalt. Diese Wirkung wird durch die Mörtelbänder allerdings sehr abgeschwächt, da dieselben stark luftdurchlässig und hygroskopisch sind. Stark lufthaltige und wasserdurchlässige Gesteinsarten, wie Kalktuff, vulkanischer Tuff, großporiger Sandstein, Raseneisenstein etc., eignen sich für aufgehende Wände nicht sehr oder bedürfen doch nach der Wetterseite meist eines Schutzes gegen den Schlagregen. Den Hauptanteil an den Ring- und Innenwänden wird wohl der Backstein behalten, dessen Brauchbarkeit von dem guten Tonmaterial und dem Brande desselben abhängig ist; für Zwischenwände kommt auch der Lehmstein an Stellen, wo dessen Trockenhaltung gewährleistet ist, in Frage, da er sehr schlechter Wärme- und Schallleiter ist. An der Luft erhärteter Portlandzementmörtel, Zementbeton und Schlackensteine haben relativ hohe Luftdurchlässigkeit, sind also vom Standpunkte der Gesundheitspflege aus einwandfrei. Für den Bindemörtel empfiehlt sich ein geringer Zusatz von Trass oder langsam bindendem Zement, für den Putzmörtel ein Zusatz von Gips. Holz ist schlechter Wärmeleiter, daher sehr wärmebeständig, aber wenig luftdurchlässig (Eichenholz fast gar nicht). Feuchtigkeit wird vom Holz lange und in großer Menge festgehalten. Sogenanntes lufttrockenes Holz enthält noch 10 Gewichtsprozente Feuchtigkeit und veranlasst die unangenehmen Eigenschaften desselben, das Werfen und das Schwinden. Eisen ist sehr guter Wärme- und Schallleiter, gibt also leicht Veranlassung zur Bildung von Schwitzwasser.


Über den Wert von Luftschichten im Ringmauerwerk gehen die Ansichten weit aus einander. Dass sie bei sachgemäßer Herstellung in langen, nicht durch Öffnungen unterbrochenen, aber den Winden ausgesetzten Wänden den Luftdurchtritt wesentlich vermindern, also zur Warmhaltung der Räume beitragen, dürfte aber außer Frage stehen. Dem Deckenfüllmaterial ist besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden, da dasselbe leicht gesundheitsschädlich wirken kann. Reiner, trockener Sand und Kies mit einer den Luftdurchtritt von unten verhindernden dünnen Lehmschicht darunter sind die besten Materialien dafür. Schutzvorrichtungen gegen aufsteigende Feuchtigkeit durch Isolierungen sind nie zu verabsäumen. Von den Fußböden ist leichte Reinigungsfähigkeit, geringe Abnutzung, möglichst geringe Anzahl von Fugen und gute Wärmebeständigkeit zu verlangen. Am besten scheint diese Bedingungen ein Linoleumbelag zu erfüllen. Das Dach kommt hygienisch besonders als Schutz gegen das Eindringen des Regenwassers und als Hauptfaktor bei der Wärmewirtschaft in Betracht. Von ihm ist außer der völligen Dichtigkeit gegen die Niederschläge eine genügende Wärmebeständigkeit zu verlangen, die durch ausreichende Lufträume zwischen Dach und bewohnten Räumen wesentlich vermehrt werden kann. Steile Dächer mit Ziegelbehang erfüllen diese Zwecke wohl am besten. Von Wichtigkeit ist auch die genügende und unschädliche Abführung des Niederschlagswassers. Hier sind unterirdische Ableitungen aus wenig oder gar nicht wasseraufnahmefähigen Materialien allen anderen vorzuziehen. Den Fenstern ist in der Hauptsache die Aufgabe der Beleuchtung und der Lüftung der Räume zuzuschreiben. Weiter oben sind schon Verhältniszahlen der Fensterfläche zur Raumfläche gegeben. Natürlich werden dieselben beeinflusst durch die Art des Eintritts des Lichtes, ob direkt oder durch Reflex, ob durch senkrechte oder schräge Fenster, ob in flache oder in tiefe Räume. Die Lüftung durch die Fenster soll möglich sein, aber nicht immer selbsttätig stattfinden. Sie sollen also in den Fugen möglichst dicht, aber leicht zu öffnen sein. Besondere Dichtung verlangen die Fugen zwischen Mauerwerk und Fensterholz, da hier meist die unangenehmsten Zuglufterscheinungen auftreten. Auch die künstliche Beleuchtung hat nicht zu verkennenden Einfluss auf die Gesundheit, und es muss bekannt werden, dass die noch fast allerorts besonders für Arbeiterwohnungen übliche Petroleumbeleuchtung trotz vielfacher Verbesserungen hygienisch auf recht niedriger Stufe steht. Öffentliche Gasanstalten, die nicht als Einnahmequelle dienen, sondern zum Selbstkostenpreise billiges Blaugas abgeben würden, müssten als beträchtlicher Fortschritt betrachtet werden.

Von ganz besonderer Wichtigkeit ist die Schaffung guten Wassers in ausreichenden Mengen. Nach dem heutigen Stande der hygienischen Forschung kann die Reinlichkeit, sowohl in Bezug auf den Körper, als auch auf die Luft, das Haus und seine Umgebung als die wichtigste Bedingung für das Wohlbefinden des Menschen, als das beste Mittel zur Verhinderung oder Dämpfung ansteckender Krankheiten angesehen werden. Den Arbeiterwohnungen sollte also dieses in erster Linie und zwar so bequem wie möglich zugeführt werden. Bei Anlagen von mehreren Etagen ergibt sich die Herstellung einer zentralen Wasserversorgung daher von selbst. Bedingung dafür ist die gleichzeitige Herstellung einer genügenden Wasserableitung, also Kanalisation. Beide Leitungen, besonders aber die Kanalisationsleitung müssen völlig dicht sein, und auch die Ausgussstellen müssen so eingerichtet sein, dass ein Ausströmen der Grubengase der Kanalisation nicht stattfinden kann.

Ferner hat die Art und Zeit der Bauausführung Einfluss auf die hygienische Beschaffenheit des Hauses. Der Baubeginn im Frühjahr und die Beschaffung des inneren Ausbaues im Winter ist die beste Zeitfolge. Der Zeitpunkt, zu welchem ein neues Gebäude so weit ausgetrocknet ist, dass es ohne Schädigung der Gesundheit bezogen werden kann, ist von der Witterung während des Baues, den Baumaterialien und der Bauart so sehr abhängig, dass einheitliche Nonnen nicht gegeben werden können. Die von den Baupolizeiordnungen auferlegten Trockenfristen sind daher anfechtbar. Doch werden auch die andererseits vorgeschlagenen Untersuchungen des Wassergehaltes der Wände von der Witterung zur Zeit der Vornahme derselben und anderen Umständen beeinflusst, so dass auch diese wohl kaum immer ein richtiges Resultat ergeben. Die Benutzung abgelegener Orte eines Neubaus Seitens der Arbeiter zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse sollte unter allen Umständen verhindert werden.

Die Entfernung der Fäkalien wird weiter unten noch näher belegt. Die Aufbewahrung der Abfallstoffe geschieht in den meisten Fällen in Kisten oder Tonnen, entweder für jede Haushaltung getrennt oder für mehrere zusammen. Die Entleerung geschieht mittelst Fuhrwerks in längeren oder kürzeren Zeiträumen. Dass hierbei hygienisch sehr ungünstige Verhältnisse eintreten können und in der Tat auch oft genug eintreten, liegt auf der Hand. Dieser Frage der Wohnungshygiene sollte daher die größte Aufmerksamkeit zugewendet werden. Die Desinfektion der Müllgruben oder Kästen, die Abholung in sehr kurzen Zeiträumen mittelst geschlossener Fuhrwerke, die größte Vorsicht beim Ausschütten der Abfälle in die Fuhrwerke etc. wäre Bedingung für die möglichst unschädliche Aufbewahrung und Entfernung der Abfälle.

Eine weitere wichtige Frage der Wohnungshygiene ist die Wohnweise der Bewohner. Die beste Wohnung kann durch unreinliche Leute in kurzer Zeit zu einer Pesthöhle werden. Durch Fürsorge für Reinhaltung der Wohnungen und Aborte, Fernhaltung von Feuchtigkeit, schädlichen Tieren, Ungeziefer, übelriechenden Gegenständen, Instandhaltung der Wasserleitungs-, Entwässerungs-, Heiz- und Kochanlagen, genügende Lüftung, Beseitigung von Unrat etc. können die Bewohner auf eine gesundheitsgemäße Lebensführung hingewiesen und zu derselben allmählich erzogen werden.

Die Auswahl der Lage eines Bauplatzes für Arbeiterwohnungen, die Größe desselben, die Lage der Gebäude zur Himmelsrichtung, die Größe der Gebäude resp. die Anzahl der in einem Gebäude unterzubringenden Wohnungen haben wesentlichen Einfluss auf die Gesundheit der Bewohner und bedürfen eingehender Erwägung. Die Ansichten über die geeignetste Lage der Wohnungen zur Himmelsrichtung gehen weit aus einander, dieselbe ist aber auch durch das Klima wesentlich beeinflusst. Für mittlere Breitengrade wird die Süd-Nordlage, obwohl nicht ohne Mängel, doch immer die empfehlenswerteste sein, da in dieser allein die günstigste Ausnutzung der Besonnung in der langen kühleren Jahreszeit ermöglicht wird. Für die kurze Sommerzeit ist Schutz sowohl vor der Wärmewirkung als auch vor grellen Lichtwirkungen anzustreben. Zu verkennen ist aber nicht, dass die Nordseite dabei ganz der Besonnung entbehrt, also Räume, die zum dauernden Aufenthalt bestimmt sind, hygienisch ungünstig beeinflusst werden. Ferner wird eine Lage der Straßenzüge von Ost nach West bedingt, wodurch sie den vorherrschenden Winden ziemlich stark ausgesetzt sind. Der Deutsche Verein für öffentliche Gesundheitspflege empfiehlt daher die Anlage der Straßen nach der Diagonale. Doch ist auch diese nicht ohne bedeutende Mängel. Für die Südost- und Südwestlage ist die Besonnung im Sommer die ungünstigste und für die Nordost- und Nordwestlage wird eine ausreichende Besonnung im Winter nicht erreicht. Zur Milderung der angeführten Mängel können technische Hilfsmittel herangezogen werden. Die Gebäude können eine so freie Lage erhalten, dass auch die Schattenseiten genügendes zerstreutes Tageslicht erhalten. Die Fensteröffnungen können nach der Lage der Himmelsrichtung angelegt und nach Süden mit Lichtschutzvorrichtungen versehen werden. Die Wetterseite wie die Sonnenseite können gegen die Einflüsse der Feuchtigkeit wie der zu starken Bestrahlung geschützt werden und endlich kann der Grundriss eines Gebäudes so eingerichtet sein, dass Aufenthaltsräume sowohl nach der einen als nach der anderen Richtung liegen, wodurch ein Wechsel je nach der Jahreszeit ermöglicht wird.

Gesundheitlich ist die völlig offene Bauweise zweifellos die beste. Die Räume des Hauses können die ihrem Zweck am meisten entsprechende Lage zur Himmelsrichtung erhalten, sie können ausreichend mit Luft und Licht versorgt werden, und die Gebäude können durch Anlage von Gärten um sie herum trotz größter Einfachheit einen freundlichen Eindruck machen. Diesen Vorzügen stellen sich aber so wesentliche Nachteile wirtschaftlicher Natur entgegen, dass nur in seltenen Fällen die offene Bauweise wird durchgeführt werden können. Es bedarf ganz wesentlicher Mehrausgaben, nicht allein um solche Wohnungen zu erbauen und warm zu gestalten, sondern auch für die Herstellung der Straßenzüge und Leitungsnetze, die für größere Anlagen als unentbehrlich bezeichnet werden müssen. Selbst bei Arbeiterkolonien auf parkartigen Bauplätzen werden daher mehrere Wohnungen zu einer Baugruppe oder zu einer Reihe vereinigt.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Handbuch der Arbeiterwohlfahrt. Band 1