Bernd Besekes Händel auf Neuwerk

Wenn man den Teufel an die Wand malt, so ist er da! Noch in demselben Jahre kamen fünftausend Landsknechte ins Hadeler Land, unter dem Abenteurer Übelacker, ihrem obersten Hauptmann. Derselbige, welcher schon früher dem Grafen Christoph von Oldenburg gegen Dänemark gedient hatte, sollte nun von dem abgesetzten Lübischen Bürgermeister Jürgen Wullenweber ebenfalls gegen Dänemark in Soldgenommen sein.*) Es begab sich nun, dass einem Mann im Hadelnschen dreißig bis vierzig Stück Ochsen diebischerweise genommen wurden. Der Räuber kam mit seiner Beute über's Watt zu Bernd nach Neuwerk und sprach ihn um Schutz an. Ob er ihm offen gesagt, dass es gestohlenes Vieh sei, weiß man nicht, aber Bernd hat's gewisslich gemerkt. Da er nun von Natur sich gar gern in fremde Händel mengte, sich auch längst nach dergleichen gesehnt hatte, so kam ihn der Casus erwünscht; er besann sich also nicht lange, sondern sagte Jenem freies Geleite, Schutz und Schirm zu. Vorerst nahm er von ihm einen schwarzen Pelzrock dafür an, der ihm für den nächsten Winter gut däuchte, und ließ die Ochsen in der Außenweide grasen bei seinem Vieh. Der Beraubte aber, der die Spur erkundschaftet hatte, begibt sich in den Schutz der Landsknechte, die ihm sein Vieh wieder zu schaffen versprechen; sie senden also Botschafter zu Bernd und bitten ihn freundlich, dass er die Ochsen mit Güte herausgeben möchte, wo nicht, so müssten sie auf andere Wege denken. Diese Botschaft verachtete Bernd nicht allein, sondern mit ganz schmählichen Worten antwortete er den ausgesandten Soldaten.

*) Wullenweber, zwar abgesetzt als Bürgermeister, hatte dennoch als eine Art Entschädigung das Amt Bergedorf erhalten. Ehe er dasselbe antrat, empfing er jedoch Kunde von des Grafen Christophs, seines Verbündeten, Bedrängnis in Kopenhagen. Da die Stadt Lübeck bei jetzigen veränderten Umständen nicht ferner gegen Dänemark Krieg führen wollte, so entschloss sich Wullenweber, dem von ihm ins Unglück geführten Grafen zu Hilfe zu kommen. Er begann trotz aller Abmahnungen von einem so abenteuerlichen Zuge, in Hamburg und im Stift Bremischen ein Heer zu werben, wo er den obengenannten Übelacker und seine Landsknechte bereits gewonnen haben soll, als er von dem ihm feindlichen Landesherrn, dem Erzbischof von Bremen, gefangen, und dessen Bruder, dem Herzog Heinrich v. Braunschweig überliefert wurde. Am 24. Sept. 1537 endete er daselbst unter des Nachrichters [Scharfrichter] Schwert.


Noch einmal beschickten ihn die Landsknechte um gütliche Herausgabe der Ochsen, und wiederum hieß er mit Hohn und Spott sie abziehen. Darauf kamen sie denn im hellen Haufen, um das geraubte Vieh mit Gewalt zu holen. Bernd gedachte wohl ein Probestück seiner Tapferkeit abzulegen, er stellte einige Geschütze am Strande auf, und meinte, den Haufen bald in die Flucht zu schlagen. Aber der kriegsunkundige Mann hatte seine Maßregeln ungeschickt getroffen, auch war der Haufe ihm überlegen, so dass er eilends nach seinem festen Turm floh, die Landsknechte ihm nach, vor denen er nur mit genauer Not sich salvierte. Aus den Fenstern und Schießscharten schoss und warf er mit seinen Leuten, so gut sie's verstanden, auf die Landsknechte, die aber zielten besser, schossen ihm auch eine arme Magd mausetot, nahmen dann die geraubten Ochsen, und nicht allein diese, sondern auch alles andere Vieh, sein eigenes, und das was fremde Leute bei ihm in der Sommerweide gehen hatten, und alles was sie sonst mitzunehmen gut genug fanden. Und wenn Bernd bis dahin noch etwas von seinem vorigen Wohlstande besaß, so ist er durch diese Geschichte ein ganz armer Mann geworden. Wie ein Verzweifelnder ist er darnach oftmalen am Strande auf und ab gegangen, und hat gesonnen, wie er das Verlorene wiedergewänne, denn im Hintergrunde sah er das Verderben lauern. Anstatt nun in sich zu schlagen und zu beherzigen: Wie man sich bettet, so schläft man, — und Jeder schmiedet sich selbst sein Geschick, so gebärdete sich Bernd Beseke ganz verkehrt. Sein Verlust war ihm allzu empfindlich, und da er an den Landsknechten keine Rache nehmen, noch von ihnen Schadloshaltung fordern konnte, gleichwohl aber Jemanden haben musste, dem er die Schuld zuschieben möchte, so konnte dies Niemand anders sein, als Herr Jürgen Plate, Ratmann, damals Amtmann zu Ritzebüttel, von dem er gehofft, dass er den Zug nach Neuwerk verhindern würde. Und Bernd schrieb an den Rat, berichtete sein Unglück, ohne sein Verschulden zu melden, und verklagte Herrn Jürgen mit harten Worten. Und der Rat schrieb ihm wieder, unterm 8. September 1535, einen Brief, den wir noch besitzen, worin er ihm Untersuchung und gerecht Urteil verheißt, zur Zeit, da er sich mit der Sache besaßen könne, unter Vermahnung, so lange stille zu sitzen und gegen Herrn Jürgen friedfertig zu bleiben.

Bernd aber saß nicht still und blieb nicht friedfertig, denn er kam heraufgereist nach Hamburg und erklärte öffentlich Herrn Jürgen Plate für einen Verräter, Schelm, Bösewicht und Dieb, und sprengte aus, Herr Jürgen Plate, welcher ihm von jeher ein boshafter Neider und Missgünstiger gewesen, habe den Landsknechten die Wege nach Neuwerk und zu seinem Unglück gebahnt. Ja, als er diese falsche Anklage vor E. E. Rat wiederholte, behauptete er noch dazu, Herr Jürgen habe die Kriegsknechte erkauft, um ihn, Bernd, zu verderben; denn er habe Briefe gesehen, worin der Landsknechte Hauptmann bekenne: alles was er gegen Bernd unternommen, das habe er aus Herrn Jürgen Plates Beutel bezahlt. Solches Spiel trieb Bernd, worauf E. E. Rat Herrn Jürgen schrieb, er möge zu seiner Verantwortung heraufkommen. Während dessen war Bernd wieder nach Neuwerk gezogen, und um Petri-Stuhlfeier abermals anhero gereist. Hätte sich also um diese Zeit manchmal, seinem Eide zuwider, auf dem Turme nicht finden lassen können, weder lebendig noch tot.

Herr Jürgen hatte inmittelst geschrieben, er wolle gern hier zu Recht stehen, könne aber nicht früher denn eine Woche nach Ostern kommen, und Bernd möge dann auch vorgefordert werden. Und der Rat schrieb an Bernd einen Brief vom 26. Januar 1536, den wir auch noch haben, darin bestimmte er ihm dieselbe Zeit zu erscheinen, und vermahnte ihn nachdrücklichst, mittlerweile gegen Herrn Jürgen sich jeder Feindseligkeit in Worten oder Werken gänzlich zu enthalten, dieweil es bei den schweren Zeitläuften zwiefach gefährlich sei für die Wohlfahrt der Stadt, wenn die Befehlshaber auf Ritzebüttel und Neuwerk uneins wären und einer den andern befehdete. Als aber in der Woche nach Ostern Herr Jürgen erschien, da war von Bernd nichts zu hören und zu sehen, der fürchtete nun, dass der Handel ernst würde, wenn Herr Jürgen wirklich vor ihm stünde, und alles aussagte, wie sich die Dinge eigentlich verhielten. E. E. Rat sandte Herrn Joh. Rodenborg zu ihm, und forderte ihn auf, herbei zu kommen, aber Bernd, da er wusste, dass Herr Jürgen hier war, wollte nicht kommen, sondern antwortete trotzig: er sei schon zweimal um eines Schelmen willen nach Hamburg gekommen und hätte genug Geldes seinetwegen verzehrt, und begehrte von E. E. Rat, dass er ihm seinen Schaden ersetzen möge. So war also in der Sache nichts zu tun, und Herr Jürgen zog wieder nach Ritzebüttel.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Hamburgische Geschichten und Denkwürdigkeiten