Die Schlacht bei Jena war verloren.

Die Schlacht bei Jena war verloren, den 14. October 1806; der General Blücher kam, von Bernadotte, Soult und Murat verfolgt, nach Lübeck; am 6. November wurde die Stadt genommen; am 7. capitulirte Blücher bei Ratkau; „weil ich weder Munition noch Brod noch Fourage habe,“ schrieb er bei seinem Namen, da er die Capitulation unterzeichnete. Er selbst kam, als Gefangener, nach Hamburg und blieb hier, bis er am 18. März 1807 gegen den französischen General Victor ausgewechselt wurde.

Dies war die erste Veranlassung, daß französische Truppen auf hamburgisches Gebiet kamen. Der Oberst Almeille erschien mit einem Corps reitender Jäger, das Gefangene und Verwundete transportirte, am 16. November in Ham; er quartirte sich dort im Gartenhause des Senator Gräpel ein, verkaufte einen Theil der in Lübeck gemachten Beute, drohte die Stadt zu besetzen, größeres Unglück wurde nur abgewandt durch Unterhandlungen, die der Stadt 368.000 Franken kosteten.


Drei Tage später, am 19. November 1806, kam von dem Marschal Mortier, der bis dahin jenseits der Elbe Hannover besetzt hatte, ein Schreiben aus Bergedorf an „Die Mitglieder des Senates von Hamburg.“ „Meine Herren, ich komme im Namen Seiner Majestät des Kaisers und Königs, meines Herrn, von Ihrer Stadt Besitz zu nehmen. Sagen Sie Ihren Mitbürgern im Voraus, daß sie ohne Sorge sein können; die allerstrengste Mannszucht wird von den Truppen, die ich commandire, beobachtet werden. Nehmen Sie die Versicherung meiner ausgezeichnetsten Hochachtung, Ed. Mortier.“

Der Senat berief sogleich die Bürgerschaft, proponirte zur Vermeidung größeren Unglücks dem Einrücken der französischen Truppen keinen thatsächlichen Widerstand entgegenzusetzen, sondern aus jedem Kirchspiel vier Männer zu ernennen, um mit dem Senat zusammen die nöthigen Maßregeln zu treffen, und, wo möglich, die Einquartirung in der Stadt zu hindern. Die Bürgerschaft stimmte bei. Am Nachmittage zogen die Franzosen ein. „Die Einnahme ging friedlich ab, schrieb Perthes an Jacobi, und wurde wie ein Schauspiel behandelt.“ Einige Unordnungen fielen wohl vor; die Sache war zu neu und zu wenig vorbereitet. Der General–Quartirmeister forderte Quartir und Stallung für 2.000 Mann italienische Infanterie und 600 holländische Cavallerie. Die Bürger–Capitäne, welche die Soldaten unterzubringen hatten, wußten sich nicht zu helfen; es währte bis in die Nacht, bis daß die letzten ein Unterkommen gefunden hatten; in St. Georg suchten die Soldaten sich schon selbst einzuquartiren. Späterhin waren die Hamburger besser geübt, fremden Truppen Wohnungen anzuweisen; schon am 15. October 1807 wurde durch Rath und Bürgerschluß eine eigne Einquartirungs–Commission eingesetzt.

So ganz überraschend konnte dieser Uebergriff der Franzosen den Hamburgern nicht sein. Hatte der Senat auch erst den 13. November 1806 der Bürgerschaft die Anzeige gemacht, daß Seiner Kaiserlichen Majestät vermittelst Manifestes vom 6. August die deutsche Kaiserkrone niedergelegt und dadurch die in der Verbindung der Stadt mit dem Reiche begründete Beschränkung der Souverainität aufgehört habe, die Stadt also in Zukunft statt „kaiserlich freien Reichsstadt“ die Benennung einer „freien Hansestadt“ führen werde, so hatte die Stadt doch schon mehrere Proben empfangen, wie wenig ihre Selbstständigkeit geachtet wurde, und nicht allein von den Franzosen, sondern von ganz anderen Regirungen!

England, als Souverän zur See, hatte den Grundsatz: „Freies Schiff macht freies Gut“ nicht anerkennen wollen; die Gewaltmaßregeln, welche es, im Kriege mit Frankreich, gegen die neutralen Schiffe ausgeübt, hatten den Kaiser Paul von Rußland bewogen, mit Schweden, Preußen und Dänemark in Verbindung zu treten, die neutrale Flagge zu schützen; und am 24. März 1801 ward dem Senat von Hamburg gemeldet, daß politische Rücksichten es durchaus erforderten, daß ein Theil des Gebietes der Stadt durch preußische Truppen besetzt würde. Während der Senat noch mit Preußen unterhandelte, empfing er am 28. ein Schreiben aus Pinneberg von dem Feldmarschall der dänischen Truppen, dem Prinzen Carl von Hessen, in welchem dieser die Anzeige machte, er werde morgen, in aller Frühe vor dem Millernthor sein, die Stadt anfordern, ihn einzulassen, und im Fall der Weigerung sich den Eingang erzwingen. Der Prinz erklärte zugleich, daß für die Verfassung der Stadt und für das Eigenthum der Bewohner nichts zu besorgen sei, die Truppen auch nicht einquartirt werden sollten. Der Senat berief sogleich die Bürgerschaft; diese will anfangs nichts davon hören, daß dem Prinzen die Thore geöffnet werden sollten; allein der preußische Gesandte räth zu, nicht Widerstand zu leisten. Die Stadt war so wenig gegen einen Ueberfall geschützt, daß einige Tage vorher das letzte Pulver aus dem Arsenal nach Altona hin verkauft war; als die Bürgerschaft dennoch nicht einwilligen wollte, rückten, während die Bürger beriethen, dänische Kanonenböte gegen die Stadt vor; endlich gaben die Bürger nach. Am Palmsonntag 1801 zogen die Dänen in die Stadt und besetzten die Wälle. Der Prinz verlangte die Angabe des in Hamburg befindlichen englischen Eigenthums und die Verpflegung seiner Truppen, 12.000 Mann mit 3.000 Pferden, die täglich 9.100 Thaler erforderte. Erst als Kaiser Paul gestorben war und Alexander den Frieden zwischen England und Dänemark vermittelt hatte, zogen die ungebetenen Gäste am Pfingstabend, den 23. Mai, wieder ab. Der Besuch kostete der Stadt 555.555 Thaler 15 Gr..

Im Jahre 1803 zeigten die Franzosen, wie sie Hamburgs Selbstständigkeit ehrten! Im November erschien hier General Berthier und ein Herr Possek, um mit der Autorisation des ersten Consuls ein Anleihen für die dringenden Bedürfnisse der französischen Armee zu negociiren. Der General Mortier commandirte damals schon die französischen Truppen in Hannover und fand, daß das arme Land, das zur Unterhaltung des Heeres erforderliche Geld nicht aufbringen könne. Hamburg sträubte sich, aber die französischen Deputirten drängten und drohten, eine Armee von 36.000 Mann stünde in der Nähe, wenn sie einrücke, würde das Geld bald zusammengebracht sein. Sie forderten nur 4.000.000 Livres als eine Anleihe der hannoverschen Stände, für die der erste Consul garantire. Hamburg mußte wohl die Anleihe machen und hatte noch 1.200.000 Frcs. an Nebenausgaben zu bezahlen. Ja, es war noch kein Jahr verflossen, als sich die Bürgerschaft dazu verstehen mußte, den hannoverschen Ständen noch einmal 300.000 vorzuschießen. Man hoffte dadurch die freie Elbschifffahrt, wie die Neutralität zu bewahren, und eine Veränderung der Besatzung in Ritzebüttel herbeizuführen. Die Unterhandlung kostete außer der Provision von 5 pCt. 24.000 Frcs. an Nebenausgaben für die Franzosen.

Aber auch auf andere Art verhöhnten die Franzosen Hamburgs Freiheit. In der Nacht vom 24. auf den 25. October 1804 setzte plötzlich eine Abtheilung von ungefähr 250 französischen Soldaten von Harburg über die Elbe, landete auf dem Hamburgerberge und überfiel den englischen Geschäftsträger beim Niedersächsischen Kreise, Rumbold, in seinem Landhause auf dem Grindel, nahm ihm alle seine Papiere weg und führte ihn ab – nach Paris. Durch die Dazwischenkunft des Königs von Preußen, als Vorstand des Niedersächsischen Kreises, wurde er freilich später freigegeben, aber erst, als die Franzosen ihren Willen erreicht hatten.

Trotz dieser Gewaltstreiche offenbarte Napoleon bald eine Fürsorge für den Fortbestand der Hansestädte. Als er im folgenden Jahre den Rheinbund gestiftet, und Kaiser Franz die Reichskrone niedergelegt hatte, eröffnete er Verhandlungen mit den Hansestädten, sie zu vermögen, dem Rheinbunde beizutreten. Sie sollten den französischen Adler in ihr Wappen nehmen; die haute police dem Kaiser, als Protector des Rheinbundes, überlassen, und einem kaiserlichen Syndicus Sitz und Stimme in ihrem Senate zugestehen. Die Städte lehnten den Beitritt ab. Napoleon bedauerte es, aber schwieg; sein Plan war noch nicht reif. Doch als nun der preußische Minister Haugwitz die Idee hatte, einen nördlichen Staatenbund in Deutschland zu bilden und den Hansestädten den Antrag machte, einzutreten – sie sollten neutral und conscriptionsfrei bleiben, dafür nur eine Charitativ–Subsidie zahlen – ließ Napoleon erklären, daß er nicht zugeben könne, daß in den gegenwärtigen Verhältnissen der Hansestädte etwas geändert werde. Er hatte in den Unterhandlungen, die er mit England pflog, die Hansestädte nicht vergessen. Einmal hatte er sie als eine Versorgung für den abgesetzten König von Neapel vorgeschlagen; dann den Engländern angeboten, sie zugleich mit Hannover zu besetzen und zu behalten, wenn sie den König von Neapel anders entschädigen wollten; als er aber dann wieder hatte hinfallen lassen, daß etwa Preußen die Hansestädte zur Entschädigung für Hannover bekommen könne, und der englische Gesandte bestimmt erklärt hatte, daß der König von England nie zugeben könne, daß der König von Preußen die Hansestädte erhalte, versprach Napoleon, die Unabhängigkeit und der gegenwärtige Bestand der Hansestädte solle nicht angetastet werden. Solches geschah am 24. Juli 1806. Am 13. August stand schon im Moniteur ein Schreiben aus Hamburg, Preußen suche die Hansestädte in seinen nordischen Bund zu ziehen, aber man versichere, daß Frankreich, Rußland und England einmüthig dahin wirken, die Städte unabhängig unter dem Schutze des gesammten Europa zu erhalten. Darum begründete Napoleon Einsprache bei Preußen am 25. August nicht nur mit den Handelsinteressen Frankreichs und des südlichen Deutschlands, welche die Freiheit der Hansestädte forderten, sondern auch damit, daß jede Veränderung in der Lage der Hansestädte ein Hinderniß für den allgemeinen Frieden sein werde.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Hamburg unter dem Drucke der Franzosen 1806 - 1814