Anpreisung einer neuen Mode

Bei der herrschenden Nachahmungssucht der Deutschen, kann es unsern Modejournalen nicht an Stoff fehlen, ihre Hefte zu füllen.

In England und Frankreich ist man erfinderisch genug, täglich entweder neue Moden zu erdenken, oder die älteren so auszupuzzen, dass sie das Ansehen einer ganz neuen erhalten.


Mit solchen Beschreibungen allein können Bogen angefüllt werden, und im Fall diese nicht zureichen sollten, würden die Erzählungen, wie und auf welche Art die Deutschen französische und englische Moden benuzzen, sie verändern oder verbessern, ein reichhaltiges Feld für unsre Modejournalisten abgeben.

Hierzu kommt noch, dass wir diesen Autoren mit Recht Scharfsinn zutrauen können, im Fall Mangel ausländischer Moden einreißen sollte, selbst dergleichen zu erfinden, ganz in Bittermanns Manier, der aus Hang zu Neuigkeiten, in deren Ermangelung, so sinnreich war, die Korrespondenz selbst zu fabrizieren.

Demohnerachtet ist der Fall denkbar, dass die Moden nicht schnell genug wechseln, um das Pubkikum zu unterhalten, und die Modeautoren zu neuen Erfindungen eben nicht aufgelegt sind; in dieser Voraussetzung gedenke ich hier einen kleinen Beitrag zu liefern, und zwar aus der grauen Vorzeit, denn die Mode, die ich so eben beschreibe, ist aus dem vierzehnten Jahrhundert genommen, und scheint jezt seit vierhundert Jahren ganz vergessen zu sein; wenigstens erinnere ich mich nie, etwas davon gelesen zu haben.

Die Kleiderpracht in der Schweiz hatte so sehr überhand genommen, dass die Polizei in Zürich sich genötigt sah, im Jahre 1370 eine Kleiderordnnng herauszugeben, um dem Luxus damaliger Zeit etwas Einhalt zu tun.
Um den Lesern einen Begriff von diesem Luxus zu machen, will ich ein Paar Stellen dieser vierhundertjährigen Kleiderordnung hier anführen.

„Den Frauen, von was für Stande sie sind, wird hierdurch verboten, an seidenes oder garnenes Tuch, Faden zu setzen, sie sollen es so tragen, wie es gewebt worden.“

„Weder Verheiratete noch Unverheiratete sollen das Obergewand auf den Achseln mehr als zwein Finger breit ausschneiden, und es soll nicht geknöpfet sein“

„Eine Frau soll keinen Schwanz an ihren Rock machen, der länger sei als eine Elle.“

„Weder Frau, noch Mann, noch Junge, noch Tochter, sollen Schuhe tragen, die Spitzen haben, in welche man etwas schieben möchte.“

„Jede Mannsperson soll das Oberkleid so lang machen, dass es ihr bis an die Knie schlägt.“

„Niemand soll gestreifte Hosen tragen, sondern sie sollen von einer Farbe sein.“

„Weder Frau noch Jungfrau sollen genestelte Schuhe tragen.“

Dieser letzte Artikel ist es eigentlich, den ich unter allen am merkwürdigsten halte, um ihn zur Nachahmung, als die neueste der Moden zu empfehlen. Nur fragt es sich, was sind genestelte Schuhe, von denen so vieles in alteren Schriften erwähnt wird?

Es ist hier nicht der Ort, die Abstammung dieses Worts aufzusuchen. Ich überlasse solches kritischen Sprach- und Wortforschern, und begnüge mich, hier nur folgende Erklärung zu liefern: Genestelte Schuhe waren solche, die vorne so aufgeschnitten waren, dass die Zehen durchblickten, und diese pflegte man mit Ringen und Edelsteinen zu zieren.

Kaum sollte man glauben, dass man in ältern Zeiten die Eitelkeit so hoch getrieben habe!

Es scheint aus obigem Artikel, als wäre diese Mode nur unter Weibern und Mädchen üblich gewesen. Das ist auch leicht möglich, aber eben so gewiss, dass hundert Jahre nachher sie beim männlichen Geschlecht im Gebrauch gewesen ist, denn in einer Satzung des Cantons Bern, die 1470 gemacht wurde, heißt es ebenfalls: „Die Schwänze an Kleidern sollen nicht länger als eine Elle auf der Erde schleppen, und die Spitzen an den Schuhen nicht länger als eines fürdern Fingers Gelenke sein, auch Mädchen und Jungen solle hinfort keine genestelte Schuhe zu tragen erlaubt werden.“

Dass diese genestelten Schuhe, trotz des damaligen Polizeieifers, sich bis ins sechzehnte Jahrhundert erhalten haben, sieht man daraus, weil uns die Schweizer Geschichte von dieser Eitelkeit eines Landvogts im Thurgau erzählt, der im Jahre 1520 aufgeschnittene Schuhe getragen, und die Zehen mit goldenen Ringen besteckt durchblicken lassen.

Sollte es unsern Modejournalisten nicht möglich sein, diese veraltete Mode mit einigen Veränderungen aufs neue wieder in Gang zu bringen? Unvernünftig ist sie in keiner Hinsicht, denn da unsre Damen zuweilen alle zehn Finger ihrer Hände mit Ringen bestecken, so kann man mit Recht fragen: sind die Zehen an den Füßen wohl schlechter als die Finger an Händen? Warum sollen Erstere nicht auch mit Edelsteinen geziert werden? Warum soll eine Dame nicht auch auf diese Art ihren kleinen schönen Fuß sehen lassen?

Das Schauspiel der Mode hat von jeher in Frankreich mehr als irgendwo belustigt, weil es, wie die Bilder einer Zauberlaterne, abwechselte und nie so einförmig wurde, als unsere deutsche Nachahmung.

Man ging ehemals in Frankreich so weit, dass so, gar die Akademie der Wissenschaften Kommissaire ernannte, um einen neuen Lockenbau zu prüfen. Diese Akademie erteilte unter andern einem gewissen Garasse, der Damenspuz verfertigte, das Prädikat als Künstler, durch öffentliche Zeugnisse, und wenn mich der Charakter dieser Nation, durch ihre neue Umschaffung, in Rücksicht der Moden eine ernsthaftere Wendung genommen hat*), so bleibt Frankreich noch immer für uns Deutsche das Vaterland der Moden **).

*) Sicher nicht. Nie hat man in Frankreich frivolere Moden gesehen, als während und nach der Revolution. D. H.

**) Nicht mehr allein; England hat einen Teil dieser Herrschaft über die Welt durch den blutiggen Krieg erkauft. D. H.


Die Franzosen sind zu ehrgeizig, um ältere Moden der Deutschen aufzunehmen. Sie erfinden ihren Putze lieber selbst, als dass sie unsere Moden nach ihrer französischen Form umändern sollten. Es ist mir daher sehr erklärbar, dass auch sie die genestelten Schuhe der alten Schweizer noch nicht aufgenommen haben. Aber uns Deutschen, die wir doch einmal so gern nachahmen, und im keinen Stücke erfinden wollen, uns Deutschen käme es zu, auch die genestelten Schuhe der Alten wieder zum Vorschein zu bringen, eben so gut als die Spitzen an Schuhen, die zu gleicher Zeit herrschende Mode waren.

Unsern Modejournalisten (besonders den hamburgischen) käme es zu, so etwas auf die Bahn zu bringen, sie würden sich mehr Ehre damit erwerben, als mit dem ewigen Ausschreiben französischer und englischer Moden. —

Damen besonders, die einen kleinen schönen Fuß haben *), würden die genestelten Schuhe sehr willkommen sein, und vielleicht würde es auch dann Mode, dass unsre jungen Herren die bisher übliche Redensart: ich küsse Ihnen die Hände, dahin veränderten, ihrer Herzensgebieterin zu sagen: „Meine Teuerste! ich küsse Ihnen die Fuße!“—

Ehre genug für die Deutschen wenn sie nicht, immer Kopie der Franzosen blieben, sondern endlich auch einmal anfingen, in der Mode Original zu werden!

*) Aber die armen Geschöpfe mit großen Füßen? D. H.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Hamburg und Altona - Band 2 Heft 4