Was sagt die Philosophie von der Handlung?

„Es gibt kein naseweiseres Volk in der Welt (sagt Friedrich II. in seinen hinterlassenen Werken) als die Philosophen, denn sie bekritteln alle Geschöpfe, von dem Kaiser an bis zur Stubenfliege.“

Der weise König hatte Recht; denn wirklich gibt es nichts in der Welt, was die Philosophen nicht schon getadelt haben; auch die Kaufleute mussten sehr oft das Bittere ihrer philosophischen Galle empfinden. In einer Zeitschrift, die besonders, dem Titel nach, für zwei Handelstädte bestimmt ist, kann die Prüfung solcher philosophischen Meinungen nicht uninteressant sein.


Verschiedene französische und englische Schriftsteller versuchten von jeher, die gute Meinung, die man von der Handlung hatte, troz allen Erfahrungen, zu widerlegen, und behaupteten gradezu: Die Handlung sei an allen Übeln Schuld, worunter die Menschheit jemals geschmachtet habe.

Eine so harte Anklage verdient geprüft zu werden. Ihre Beweise lauteten so: Ohne die Handlung wären die Menschen mit den Gütern, welche die Natur jedem Lande zugeteilt hat, zufrieden, und sie würden überhaupt glüklicher sein, als jetzt, nachdem ihren Begierden unzählige Quellen geöffnet sind. Durch sie wurden so manche Grausamkeiten begangen; man unterdrückte Nationen, die Niemand beleidigten; man unterdrückt sie noch immer, und der Geiz wird Nie aufhören, Ungerechtigkeit und Grausamkeit zu veranlassen. Westindien ist entvölkert; Millionen unschuldiger wehrloser Menschen sind vertilgt, weil die Handlung den Spaniern eine neue Welt entdeckte.“

Diese und andre Gründe werden mit solcher Beredsamkeit vorgetragen, dass man leicht in Versuchung geraten könnte, den Handel überhaupt zu verwünschen, wenn man solche Sätze als richtig annimmt.

Was uns Rousseau und andre Verteidiger des Systems wider die Handlung von der Unschuld und der liebenswürdigen Einfalt der Wilden erzählt haben, klingt überaus angenehm: aber es fragt sich nur, sind sie weiter etwas, als artige Träume? —

Man rühmt uns einzelne großmütige Taten ungesitteter Menschen; aber man verschweigt auch die Menge Grausamkeiten, die solche Menschen mit kaltem Blute begehen.

Können wir uns wohl in einem rohen Zustande, wo der Mensch nur auf seine notwendigsten Bedürfnisse eingeschränkt ist, wo keine Wissenschaften unsern Verstand erhellen, und der bloße Naturtrieb unser Gesetz ist, können wir uns wirklich in diesem Zustande ein dauerhaftes Glück denken? Das sind diese Philosophen mit ihren süßen Träumereien nie zu beweisen im Stande.

Lieber denke ich mir das Erdenglück in den Süßigkeiten der Geselligkeit, in dem steten Umgange, den die Handlung veranlasst, in den Beweisen der Menschlichkeit, welche durch sie entstehen, und in dem Fleiß, den sie durch die daraus fließenden Belohnungen, rege macht, und ich denke, die Menschheit befindet sich dabei weit besser.

Das ist wahr, dass Nahrung und Kleider unsre eigentlichen Bedürfnisse sind, und wenn man diese beiden Dinge bis zur möglichsten Einschränkung herunter setzt, so bedarf der Mensch in der Tat einer Kleinigkeit, um leben zu können. Allein eben diese Kleinigkeit ist doch bei weitem nicht hinreichend, um glüklich leben zu können.

Der Mensch hat einen angebornen Trieb, seinen Zustand zu verbessern, und daher suchte er sich andre Nahrungsmittel und andre Kleidungsstücke, als die gewöhnlichen. Er fand beides; seine Lebensart wurde dadurch bequemer und folglich auch glüklicher. Aus der Vergleichung der mancherlei entdecken Bequemlichkeiten entstanden eine unendliche Menge neuer Bedürfnisse, die im Grunde freilich wohl zu entbehren wären, die aber doch dem Ganzen mehr zuträglich als schädlich sind. Der Luxus missbraucht diesen Vorrat von Gütern des Lebens, und schafft auf der andern Seite dem Fleiße neuen Zufluss.

Wer leugnet, dass durch die Handlung eine Menge neuer Bedürfnisse erfunden werden; aber wer kann auch beweisen, dass grade diese Bedürfnisse unserer Natur schädlich sind? —

Was auch Ärzte oder andre Sonderlinge wider den Kaffee, Zucker und die Gewürze einwenden; so sagt uns doch die Erfahrung, dass wir uns bei dem Gebrauch dieser Dinge nicht eben schlimmer als unsre Vorfahren befinden. Sollten wir den Grönländer bei seinem Fischtran beneiden, und können wir im Ernst glauben, dass er darum glüklicher als wir sei, weil er weniger Bedürfnisse kennt?

Der Mensch ist geschaffen, um sich über alle Teile unsrer Erdkugel auszubreiten, und Alles, was er auf den selben findet, zu benutzen. Je mehr wir genötigt sind, die Produkte in entfernten Gegenden aufzusuchen, je weitläufiger wird das Band der menschlichen Gesellschaft, und je stärker vereinigt es uns von einem Pole zum andern, indem wir wechselsweise mittelst der Handlung ein Bedürfnis gegen das andre umtauschen. Dass sich in diese große Kette eine Menge Übel mit einmischen, vielleicht gar durch die Handlung erzeugt werden, ist gar nicht zu leugnen; allein man vergleiche solche mit dem Nutzen, und dieser wird sicher überwiegend sein.

Man hat der Handlung noch einen Vorwurf gemacht, der, wenn er gegründet, nicht unwichtig. wäre, und gesagt: eine Nation, die sich mit der Handlung beschäftige, würde weichlich, und verlöre allen Mut, sich gegen ihre Feinde zu verteidigen; aber die Erfahrung aus der ältern sowohl, als neuern Geschichte widerlegt von selbst diese Beschuldigung. Die Phönizier, Carthaginienser und andre Völker waren eben so mächtig als tapfer, ob sie gleich der Handlung oblagen. Waren es nicht Kaufleute, die das harte Joch der Spanier abschüttelten, und die die kühnsten Unternehmungen wagten? Wem sind die Eroberungen der englischen Kompagnie unbekannt? und haben nicht selbst die Hamburger — es versteht sich in älteren Zeiten, nicht in unserem Jahrzehnd — Proben der Tapferkeit an den Tag gelegt? Kurz, der Nutzen der Handlung ist einleuchtend, man mag solche, von welcher Seite man wolle, betrachten, und die Einwürfe einiger Philosophen, so wichtig sie auch scheinen, sind leicht zu widerlegen.

Das Beste bei dem allen ist, dass man nicht Ursache hat, sehr ängstlich auf Widerlegung solcher Einwürfe zu sinnen, weil troz aller Meinungen, die man auf die Bahn bringt, die Handlung doch immer ihren Gang ruhig fortgehen wird. —

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Hamburg und Altona - Band 2 Heft 4