Dritte Fortsetzung

Diese Bestrebungen müssten zuerst den einheimischen Künstlern zugutekommen, denn gesunde Zustände können nicht erreicht werden, wenn nicht der eigene Boden bestellt wird. Nirgends in Deutschland haben bisher die einheimischen Künstler so schwer zu kämpfen gehabt wie in Nordwest, sie hatten nicht einmal die letzte Zuflucht des Kunsthandels. Der Nordwesten verhielt sich zu seinen Talenten wie ein Landstrich, der edelsten Wein bauen könnte, aber diesen Stoff von außen bezieht.

Über den Stand der künstlerischen Produktion ist nicht viel Allgemeines zu sagen. Ihre Schwäche geht aus den eben dargelegten Umständen hervor. Malerei, Architektur, Kunstgewerbe tragen im allgemeinen den Stempel des Importierten.


Die Architektur hat keinen selbständigen Charakter mehr. Jene eigenartige und oft höchst liebenswürdige, hie und da sogar großartige Weiterentwickelung holländischer Baugedanken, die bis zum Ende des vergangenen Jahrhunderts währte und auf dem Lande heute erst zu verdorren droht, wurde in den Städten unter dem Flugsand des Klassizismus begraben. Dann kämpften Berliner Klassizismus und Münchener Romantik, denen sich für Hamburg Pariser und Londoner Einflüsse zugesellten, bis schließlich Berliner Neurenaissance, Neubarock und Neurokoko sich mit der Backsteingotik Hannovers, der nächstgelegenen Fachschule, den Rang streitig machen. Hie und da wirken einzelne Talente, aber im ganzen Nordwesten entspricht weder die öffentliche noch die private Architektur der Wohlhabenheit und Bildung der Bewohner, und ganz ausnahmsweise knüpft sie mit Bewusstsein bei der lokalen Vergangenheit an.

Auf den Kunstausstellungen erscheint die Architektur nicht mehr, und es ist ein Zeichen der Zeit, dass der Vorstand eines großen Architektenvereins im Nordwesten beschlossen hat, von der Beteiligung abzusehen, da sich das Publikum doch nicht dafür interessiere.

In der Malerei herrscht, wie überall, der Kampf zwischen den Alten und den Jungen, und wird mit denselben Mitteln geführt. Aber ein höchst wichtiges Symptom zeigt sich überall: die Jugend will den Boden nicht mehr dauernd verlassen. In Bremen haben sich die Leute von Worpswede zusammengetan, die Künstlerschaft in Schleswig-Holstein ist geeinigt und stellt in Kiel aus, und die jüngsten Hamburger sind wenigstens darin einig, dass sie sich die Darstellung der Heimat wieder als Ziel erwählt haben. Hiermit tun sie den Schritt in ein unerschöpfliches Gebiet, denn kein anderer Landstrich in Deutschland ist malerisch, an Fülle und Mannigfaltigkeit der Motive und Stimmungen der Landschaft sowie an malerischer Vielgestaltigkeit des Lebens, dem Nordwesten auch nur annähernd zu vergleichen, der zugleich an der weichen tonigen Natur der Nordsee und der harten koloristischen der Ostsee Teil hat. — Auf die Architektur und das Kunstgewerbe ist die Malerei ohne Einfluss.

Sehr schlecht geht es überall der Skulptur. Sie hat im Bürgerhause keine Sympathie. Die wenigen Talente laufen Gefahr, von den Architekten und Maurermeistern ruiniert zu werden, denen sie die wüste Ornamentik für die Stuckfassaden zu modellieren haben.

Die Gartenbaukunst siecht unter der einseitigen Herrschaft der verkommenen englischen Tradition dahin. Von einer Rückkehr zu architektonischen Prinzipien findet sich auf dem ganzen Gebiet kaum eine Spur, der Aufwand aber, der überall mit dem Garten getrieben wird, ist ganz enorm, und wenn ein Teil davon dereinst einer Kunst des Gartenbaus dienstbar gemacht wird, brechen herrliche Zeiten an.

Das Kunstgewerbe hat dieselbe Entwickelung durchgemacht wie im übrigen Deutschland. Es hat im ganzen nicht mehr Eigenart als die Architektur, wenn auch einzelne Zweige eine selbständige Entwickelung aufweisen. Der lebenden Kunst steht es fern.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Hamburg - Niedersachsen