Hamburg - Niedersachsen
Städtestudien
Autor: Alfred Lichtwark (1852-1914), Erscheinungsjahr: 1897
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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Hamburg, Niedersachsen, Städtestudien, Kunst, Kultur, Bildung, Kunsthalle, Förderer, Unterstützer, Organisation, Kaufleute, Institute, Bildersammlungen, Geschichte, Schulen,
VORWORT Erst nach der Drucklegung der beiden hier zusammengestellten Aufsätze, die zuerst im Pan erschienen sind, lernte ich Gildemeisters inhaltreiche Rede auf Bürgermeister Johann Smidt von Bremen kennen (Essays, 2. Band). Obschon sie an der Hand der Charakteristik des großen hanseatischen Staatsmannes zunächst bremische Dinge beleuchtet, hat sie für den, der die Probleme der wundersamen Geschichte der Hansestädte in unserem Jahrhundert kennen lernen will, die größte Wichtigkeit, und ich wüsste keinen besseren Weg, eine Anschauung von dem geschichtlichen Wesen der modernen Hansestädte zu bekommen, als die Vertiefung in dieses knappe Werk. — Die Studie über Hamburg ist für den Wiederabdruck in verschiedenen Abschnitten überarbeitet und erweitert.
. . . Aber will jemand es bestreiten, dass die Macht des deutschen Handels und der deutschen Industrie, welche sich nunmehr stark genug zeigt, um die Gesetzgebung und die Verwaltung nach den Bedürfnissen des Verkehrs zu lenken, solche Stärke gewonnen hätte, ohne die Impulse, welche fünfzig Jahre lang unablässig von den Hansestädten ausgingen, ohne den Sporn ihres Beispiels, ohne den Neid, den ihre Freiheit — mit Recht — erweckte, ohne die Hilfe ihrer Kapitalkraft, ohne jenen Kranz kaufmännischer Kolonien, mit welchen sie alle Küsten der Erde umsäumten?
Gildemeister, Rede auf Johann Smidt.
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. . . Aber will jemand es bestreiten, dass die Macht des deutschen Handels und der deutschen Industrie, welche sich nunmehr stark genug zeigt, um die Gesetzgebung und die Verwaltung nach den Bedürfnissen des Verkehrs zu lenken, solche Stärke gewonnen hätte, ohne die Impulse, welche fünfzig Jahre lang unablässig von den Hansestädten ausgingen, ohne den Sporn ihres Beispiels, ohne den Neid, den ihre Freiheit — mit Recht — erweckte, ohne die Hilfe ihrer Kapitalkraft, ohne jenen Kranz kaufmännischer Kolonien, mit welchen sie alle Küsten der Erde umsäumten?
Gildemeister, Rede auf Johann Smidt.
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Inhaltsverzeichnis
Der preußische Gesandte bei den Hansestädten und den Höfen Mecklenburg und Oldenburg hat, seinen Sitz in Hamburg, was zugleich die zentrale Lage und die wirtschaftliche und soziale Bedeutung der jüngst entwickelten unter den drei letzten Hansestädten beleuchtet. In der Tat bildet Hamburg noch heute in mancher Beziehung den Mittelpunkt für das ganze Gebiet, den es im vergangenen Jahrhundert, wo es kulturell wohl die erste Stadt Deutschlands war, für einen noch weiteren Umkreis ausgemacht hat.
Trotz großer Selbständigkeit der einzelnen Provinzen hat dieser diplomatisch zusammengelegte Nordwest doch einen einheitlichen Charakter sowohl durch die Gleichartigkeit des Volkstums wie durch die verwandten sozialen Charakterzüge. Überall liegt das niedersächsische Volkstum zu Grunde. Doch wird es an den drei äußeren Enden im Osten, Westen und Norden durch fremde Einflüsse deutlich gefärbt. Im Osten, in Mecklenburg, das durch die Niedersachsen kultiviert und dem plattdeutschen Sprachgebiet gewonnen wurde, spürt man die Beimischung westslawischen Blutes. Der Mecklenburger ist lebhaft und von allen Plattdeutschen der Sprachgewandteste, er ist namentlich ein hochbegabter Erzähler und Schilderer. Fritz Reuter stellt den Idealtypus dieses scharfcharakterisierten Volksschlages dar. Der Schleswig-Holsteiner vermittelt uns skandinavisches Wesen, obwohl er bis auf die Grenzbewohner ein guter Niedersachse ist. Im Westen spricht das friesische und holländische Element bereits sehr stark mit. Schon in Bremen lassen sich holländische Züge wahrnehmen.
Hamburg nimmt eine Stellung für sich ein. Der früher mächtige englische Einfluss hat sehr abgenommen. In vielen einflussreichen Hamburger Familien macht sich in neuerer Zeit durch die Beziehungen zu Südamerika die Beimischung spanischen Blutes und spanischen Wesens sehr fühlbar, und hier allein im ganzen Nordwest gibt es altansässige Judenfamilien, die, in Leben und Anschauung Hanseaten geworden, auf das öffentliche Leben erheblichen Einfluss ausüben.
Das ist der Untergrund des Volkstums. Die alte einheimische Kultur stammt aus niederländischer Wurzel und hat hier und da eigenartige lokale Schösslinge getrieben, deren Zusammenhang mit dem Mutterstock jedoch immer fühlbar bleibt. Niedersächsisch ist das überall durch die Fürstenzeit des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts gerettete freiheitliche Wesen des Bauern und Bürgers, in Mecklenburg wenigstens der Städte und des Adels. Nirgend hat in Stadt und Land der Fürst jemals alle Kräfte sich dienstbar machen können. Niedersachsen ist etwas wie die Schweiz Norddeutschlands.
Derselbe Umstand hat auch verhindert, dass dies niedersächsische Gebiet zu irgendeiner Zeit für eine gemeinsame Kulturarbeit zusammengefasst worden wäre. Auch die Hansa hatte wesentlich eine politische Funktion. In Kunst und Literatur hat sich der Nordwest noch nicht ausgegeben.
Diese bäuerische und städtische Atomisierung der Volkskraft äußert sich am deutlichsten im Verhältnis zur höheren Bildung. Es gibt auf dem ganzen Gebiet keine Malerakademien und polytechnischen Hochschulen, Universitäten nur in Kiel und Rostock.
Auch die ökonomischen Verhältnisse sind sehr gleichartig. Zahlreiche Seestädte mit reichentwickelten Handelsbeziehungen sitzen in einer ackerbauenden Bevölkerung des Landes und der Landstädte. Residenzen von beherrschender Stellung gibt es nicht, und die Fabriktätigkeit ist sehr jung. Hier kommt außer Hamburg, das mit Altona und Harburg in der letzten Generation, ehe es sich dessen recht versehen, eine sehr bedeutende Fabrikstadt geworden ist, kein Platz in Betracht. Städte wie Neumünster mit seiner großen Tuchindustrie bilden eine seltene Ausnahme. Der Landmann, der Kaufmann, der Seefahrer, der Fischer, das sind die Berufstypen des Volkes.
Trotz großer Selbständigkeit der einzelnen Provinzen hat dieser diplomatisch zusammengelegte Nordwest doch einen einheitlichen Charakter sowohl durch die Gleichartigkeit des Volkstums wie durch die verwandten sozialen Charakterzüge. Überall liegt das niedersächsische Volkstum zu Grunde. Doch wird es an den drei äußeren Enden im Osten, Westen und Norden durch fremde Einflüsse deutlich gefärbt. Im Osten, in Mecklenburg, das durch die Niedersachsen kultiviert und dem plattdeutschen Sprachgebiet gewonnen wurde, spürt man die Beimischung westslawischen Blutes. Der Mecklenburger ist lebhaft und von allen Plattdeutschen der Sprachgewandteste, er ist namentlich ein hochbegabter Erzähler und Schilderer. Fritz Reuter stellt den Idealtypus dieses scharfcharakterisierten Volksschlages dar. Der Schleswig-Holsteiner vermittelt uns skandinavisches Wesen, obwohl er bis auf die Grenzbewohner ein guter Niedersachse ist. Im Westen spricht das friesische und holländische Element bereits sehr stark mit. Schon in Bremen lassen sich holländische Züge wahrnehmen.
Hamburg nimmt eine Stellung für sich ein. Der früher mächtige englische Einfluss hat sehr abgenommen. In vielen einflussreichen Hamburger Familien macht sich in neuerer Zeit durch die Beziehungen zu Südamerika die Beimischung spanischen Blutes und spanischen Wesens sehr fühlbar, und hier allein im ganzen Nordwest gibt es altansässige Judenfamilien, die, in Leben und Anschauung Hanseaten geworden, auf das öffentliche Leben erheblichen Einfluss ausüben.
Das ist der Untergrund des Volkstums. Die alte einheimische Kultur stammt aus niederländischer Wurzel und hat hier und da eigenartige lokale Schösslinge getrieben, deren Zusammenhang mit dem Mutterstock jedoch immer fühlbar bleibt. Niedersächsisch ist das überall durch die Fürstenzeit des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts gerettete freiheitliche Wesen des Bauern und Bürgers, in Mecklenburg wenigstens der Städte und des Adels. Nirgend hat in Stadt und Land der Fürst jemals alle Kräfte sich dienstbar machen können. Niedersachsen ist etwas wie die Schweiz Norddeutschlands.
Derselbe Umstand hat auch verhindert, dass dies niedersächsische Gebiet zu irgendeiner Zeit für eine gemeinsame Kulturarbeit zusammengefasst worden wäre. Auch die Hansa hatte wesentlich eine politische Funktion. In Kunst und Literatur hat sich der Nordwest noch nicht ausgegeben.
Diese bäuerische und städtische Atomisierung der Volkskraft äußert sich am deutlichsten im Verhältnis zur höheren Bildung. Es gibt auf dem ganzen Gebiet keine Malerakademien und polytechnischen Hochschulen, Universitäten nur in Kiel und Rostock.
Auch die ökonomischen Verhältnisse sind sehr gleichartig. Zahlreiche Seestädte mit reichentwickelten Handelsbeziehungen sitzen in einer ackerbauenden Bevölkerung des Landes und der Landstädte. Residenzen von beherrschender Stellung gibt es nicht, und die Fabriktätigkeit ist sehr jung. Hier kommt außer Hamburg, das mit Altona und Harburg in der letzten Generation, ehe es sich dessen recht versehen, eine sehr bedeutende Fabrikstadt geworden ist, kein Platz in Betracht. Städte wie Neumünster mit seiner großen Tuchindustrie bilden eine seltene Ausnahme. Der Landmann, der Kaufmann, der Seefahrer, der Fischer, das sind die Berufstypen des Volkes.
Blick auf Hamburg - Unterelbe
Blick auf die Hamburger Binnenalster
Hamburg 04 Kontorhäuser in der Mönckebergstraße
Hamburg, Archives 1890
Hamburg, Jungfernstieg, Flower, Charles (1871-1951)
Hamburg Hafenpartie
Hamburg, Lombardsbrücke mit Binnenalster, Flower, Charles (1871-1951)
Hamburg Brandstwiete 1775
Hamburg, Hauptbahnhof, Flower Charles Edwin (1871-1951)
Hamburg 21 Börse
Hamburg 19 Umschlag im Strom
Hamburg 16 Australiakai am Indiahafen mit Doppelkränen
Burchard, Johann Heinrich Dr. (1852-1912) Hamburger Bürgermeister
Hagedorn, Friedrich von (1708-1754)
Brockes, Barthold Heinrich (1680-1747)