Zoologischer Garten

Es ist Ihnen bekannt, dass unsere Stadt seit Jahr und Tag sich eines zoologischen Gartens zu erfreuen hat. Die Anlage und ziemlich schnelle Herstellung desselben — ganz ist er freilich auch heute noch nicht vollendet — haben wir großenteils der Energie des bereits erwähnten Freiherrn von Merck zu verdanken, welcher bis zu seinem Tode Präses des Verwaltungsrats der zoologischen Gesellschaft war. Vermutlich kommt das Denkmal, welches man dem um Hamburg so verdienten Manne zu errichten gedenkt, in diese Gartenanlage zu stehen.

In Bezug auf räumliche Ausdehnung dürften die meisten andern zoologischen Gärten Deutschlands den unsrigen übertreffen. Das Territorium der Republik ist nicht so groß, dass sie verschwenderisch mit demselben umgehen kann. Jeder Fuß breit Erde ist Goldes wert und wird auch wirklich mit Gold ausgewogen, und je mehr sich die Stadt über die Grenzen der Tore hinaus erweitert, desto kostspieliger wird die Scholle. Zudem musste bei der Anlage gerade dieses Gartens darauf Rücksicht genommen werden, dass er dem Kern der Stadt nicht zu weit entrückt würde. Der schließlich gewählte und der Gesellschaft vom Staate aus eine bedeutende Anzahl von Jahren überlassene Platz entsprach den Anforderungen, die man zu machen hatte, und dass man den gegebenen Raum aus das Zweckmäßigste zu benutzen verstand, das beweisen die Anlagen und Baulichkeiten, welche in verhältnismäßig kurzer Zeit aus demselben erstanden sind. Der ursprünglich wüste Raum, der wenig mehr als eine sterile Weide war, hat sich in einen blühenden Park verwandelt, dem landschaftliche Reize mannigfacher Art, grüne Höhen und Talsenkungen, Teiche, malerisch angelegte Holzbrücken, lauschige Boskets, felsiges Geklipp, bergiges Terrain, künstliche Ruinen, Grotten und selbst ein brausender Wassersturz nicht fehlen. An seltenen Tieren nimmt er es wohl mit jedem andern ähnlichen Garten wenigstens in Deutschland auf. Einzelne, äußerst schwer zu bekommende Tierarten hat er nur mit den gleichen Anlagen in London oder Paris gemein. Einzig dagegen dürfte das erst neuerdings fertig gewordene, grandiose Aquarienhaus sein, das sowohl was dessen Anlage wie die Bevölkerung der Bassins betrifft, einen wunderbaren, wahrhaft fesselnden, seenhaften Eindruck macht. Auf eine Beschreibung des in diesen Aquarien befindlichen Tiergewimmels muss ich hier verzichten, um nicht zu weitläufig zu werden. Vielleicht gestatten Sie, dass ich in einem besondern Artikel, der sich ganz allein mit diesem Gegenstande beschäftigen soll, später ausführlich darauf zurückkomme. Es gehört dazu ein wiederholter Besuch und ein längeres Verweilen in dieser, der Natur gleichsam entwendeten Geheimwelt des Tierlebens; denn nur dann hat der Beschauende Genuss von dem, was ihm hier geboten wird, wenn er das seltsame Treiben dieses stummen Tiergewimmels bei hellem Tage, wie in abendlicher Dämmerung still beobachtend belauschen kann.


Der Besuch des zoologischen Gartens ward anfänglich weniger bemittelten Familien durch den etwas hohen Eintrittspreis verleidet. Diesem Übelstande half aber der Verwaltungsrat sehr bald ab, indem er den Garten jedermann durch Herabsetzung des Preises an gewissen Sonn- und Feiertagen zugänglich machte. Das Publikum benützt denn auch in der Regel dieses humane Entgegenkommen der zoologischen Gesellschaft, um sich einige Stunden an dem Spiel und Scherz der vielen Tiere zu ergötzen, die es in ihren Gewohnheiten zu beobachten sich volle Muße gönnen kann. Am vergangenen zweiten Pfingstfeiertage, wo der Garten für billiges Entrée geöffnet war, stieg die Zahl der Besucher auf mehr als 16.000, wobei die Gesellschaft ungeachtet des niedrigen Preises ein glänzendes Geschäft machte.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Hamburg, Juni. 1864