Aus welchen Gründen begann Gustav Adolf den Krieg gegen Kaiser und Reich und was wollte er in Deutschland?
Nach der früher gewöhnlichen Annahme entschloss sich Gustav Adolf zum deutschen Krieg in Folge des sogenannten Restitutionsediktes, durch welches Kaiser Ferdinand II. im Jahre 1629 die Zurückerstattung aller seit dem Passauer Vertrag (1552) von den Protestanten in Besitz genommenen Kirchengüter verlangte; er kam, sagte man, nach Deutschland „dringend eingeladen“ von protestantischen Reichsfürsten, die durch jenes Edikt ihren Glauben bedroht sahen und die völlige Ausrottung des Protestantismus befürchten mussten.
Aber die Dinge liegen anders.
Der dreißigjährige Krieg begann bekanntlich in Böhmen, wo tschechische Feudalherren den Pfälzer Friedrich V. als „königliches Werkzeug“ gegen das deutsche Reich benutzen wollten und zum Sturze Habsburgs mit den holländischen Generalstaaten, mit Türken und Tataren Verbindungen angeknüpft hatten. Nachdem die siegreichen Waffen Tillys diese revolutionäre Auflehnung zu Boden geschlagen (1620) erhoben sich die ruchlosen Freibeuter Ernst von Mansfeld und Christian von Braunschweig, welche wie Würgengel sengend und brennend durch deutsche Gebiete zogen und von Protestanten, wie Katholiken gleichmäßig verabscheut wurden. Tilly trieb auch diese zu Paaren und der Krieg schien beendet; man träumte am kaiserlichen Hofe von einer Periode eines „neuen glücklichen Friedens“.
Aber damals hatte in Frankreich Kardinal Richelieu das Staatsruder ergriffen und suchte die Politik des französischen Königs Heinrichs IV., die auf eine Zerrüttung und Zerstückelung des deutschen Reiche hinzielte, zu verwirklichen. Während er mit erbarmungsloser Härte in Frankreich ein unumschränktes Königtum aufrichtete und die Zentralisation aller Macht erstrebte, wollte er in Deutschland keine kräftige Kaisergewalt aufkommen lassen und durch Beförderung innerer Unruhen, durch Schärfung aller kirchlich-politischen Parteigegensätze, Elsaß und Lothringen und das ganze Reichsgebiet auf der linken Rheinseite an Frankreich annexieren. Schon bevor er „allmächtiger Minister“ geworden, hatte er diesen Plan im Einzelnen entworfen und brachte im Jahr 1624 ein geheimes Bündnis zwischen Frankreich und England, den Generalstaaten, Venedig und Savoyen gegen das deutsche Kaiserhaus zu Stande. Um die Religion handelte es sich bei diesem Bunde wahrlich nicht, denn die kalvinistischen Holländer, die den katholischen Kardinal gegen den katholischen Kaiser Deutschlands unterstützen sollten, unterstützten ihn auch mit ihrer Flotte gegen die französischen Kalvinisten und suchten gegen diese ihre Glaubensbrüder auch das protestantische England zu bewaffnen.
Es handelte sich bei diesem Bünde um einen rein politischen Krieg gegen Deutschland, der den Verbündeten im Jahr 1624 als eine beschlossene Sache galt. Nur die Wahl des Feldherrn, der an die Spitze treten sollte, kam noch in Frage. Richelieu richtete seine Blicke nach Kopenhagen und Stockholm, und wie König Christian IV. von Dänemark, so war auch König Gustav Adolf von Schweden damals schon zum Kriege gegen Deutschland bereit.
Gustav Adolf hatte am kriegerischen Hofe seines Vaters eine durchaus soldatische Erziehung erhalten und war so frühzeitig von militärischem Ehrgeiz erfüllt, dass er, kaum sechzehn Jahre alt, von seinem Vater sich den Oberbefehl in einem Kriege gegen die Russen erbat. Kriegsruhm, sagte er, ist der höchste Ruhm, und Tapferkeit und Unerschrockenheit das beste Erbe des Mannes. Nachdem er im frühesten Jünglingsalter den Thron bestiegen, focht er zuerst gegen die Dänen, besiegte die Russen, die er unter Eroberung wichtiger Provinzen von der Ostsee ausschloss, und stürzte sich dann auf Polen, dessen Krone er mit der seinigen vereinigen wollte. Seinem Reiche die Hegemonie über alle Staaten des Nordens zu verschaffen, war der Lieblingsgedanke seines Lebens, der ihn von einem Schlachtfelde aufs andere trieb. Dazu kamen andere Beweggründe. Nur allein durch auswärtige Kriege konnte er den in ihm lebendigen altnormannischen Geist, die Lust an kühnen Fahrten befriedigen und zugleich den Adel seines Landes von innern gewohnten Meutereien zurückhalten und durch fremde Lehen und Güter dauernd an seinen Thron fesseln. Deshalb waren alle seine Einrichtungen im Staate nur auf Krieg und Kriegsführung berechnet, und er drückte seinem Reiche so sehr das Gepräge einer Militärmonarchie auf, dass er jeden 13. bis 14. Bewohner als „Soldaten sich zueignete“. Wenn ihm die Gelegenheit zu einem Kriege günstig schien, so störten ihn keine Rechtsbedenken, so galten keine Verträge, so galt nur der Grundsatz, den er einst den Gesandten seines Schwagers, des Kurfürsten von Brandenburg, aussprach: „Die Kraft der Szepter fällt ganz, wenn sie, was Rechtens sei, beginnt zu erwägen.“
Schon im Jahr 1614 war Gustav Adolf von dem reichsverräterischen Landgrafen Moritz von Hessen-Kassel aufgefordert worden, sich zu einem Kampf gegen den deutschen Kaiser bereit zu halten, und er verlor seit dem Beginn des dreißigjährigen Krieges die deutschen Angelegenheiten nicht aus den Augen. Er billigte die Auflehnung der böhmischen Feudalherren gegen Kaiser Ferdinand II., unterstützte den Winterkönig mit Kriegsvorrat und Munition, trat mit den aufrührerischen Ständen von Ober- und Niederösterreich in Verbindung und ließ in Konstantinopel die Pforte zu Gunsten des Reichsfeindes Bethlen Gabor von Siebenbürgen bearbeiten. Mit Bethlen Gabor hatte er, wie uns sein Briefwechsel belehrt, einen Einbruch in deutsches Reichsgebiet bereits vier Jahre früher, bevor er ihn ausführte, verabredet. So oft aber von irgend einem Unternehmen gegen den deutschen Kaiser Rede war, wurden immer die Worte Religion und evangelisches Wesen gebraucht und man war wenig sparsam mit biblischen Ausdrücken und Zitaten. Gustav Adolf sprach frühzeitig von seiner ,,evangelischen Mission“ und wurde frühzeitig als neuer Josua oder Gideon beglückwünscht. Alle Eroberungssüchtigen führen zu ihrer Legitimierung hochtönende Worte im Munde, die zu jeder Zeit auf die große Masse des Volkes einen gewaltigen Eindruck hervorbringen. Aber in verschiedenen Zeiten lauten diese Worte verschieden. Wer im Sechzehnten und Siebzehnten Jahrhundert Revolutionen anzetteln und Eroberungen machen wollte, hielt die Maske der Religion vor und missbrauchte das noch lebendige und leicht entzündliche religiöse Gefühl der Völker; im achtzehnten Jahrhundert eroberte man behufs „Aufrechthaltung des politischen Gleichgewichts“, während der französischen Revolution im Namen der „Freiheit und Gleichheit“, zum Schutz der „unveräußerlichen Menschenrechte“, und in unserer Zeit führt man Eroberungskriege und macht Annexionen für ,,die Idee der Nationalität“.
Da Gustav Adolf lange schon auf deutsche Eroberungen sann, so fanden die Anträge Richelieus, der ihm im Jahr 1624 zu einem Kriege gegen Ferdinand II. reiche Subsidien anbot, williges Ohr. Der König erklärte, dass er „die Mannschaften in eigener Person befehligen werde und gesonnen sei, seine ganze wohleingeübte Armee nach Deutschland hinüberführen“. Aber er verlangte für sich nicht bloß als erste Beute einen deutschen Hafen an der Ostsee und einen an der Nordsee, sondern auch die Übertragung eines „unbeschränkten Kriegsdirektoriums“, und so zerschlugen sich die Unterhandlungen mit Frankreich, England und den Generalstaaten und statt seiner trat sein Nebenbuhler Christian IV., König von Dänemark und Herzog von Holstein, lüstern nach dem Besitz der benachbarten Stifte -Bremen, Verden usw., an die Spitze des Krieges. Den Deutschen spiegelte man vor, es handele sich dabei um die Religion, um den ,,freien evangelischen Glauben“, den der Kaiser auszurotten beabsichtige, denn die Deutschen, sagt Richelieu, muss man mit „hohen Worten“ fangen. Aber die deutschen ließen sich damals noch nicht fangen. Sie erkannten noch keinen ,,evangelischen Helden“ in Christian IV., der ein Bündnis mit dem katholischen König Siegmund von Polen gegen Gustav Adolf schließen wollte, und noch keinen uneigennützigen Kämpfer für die evangelische Glaubensfreiheit“ in Gustav Adolf, der durch seinen Gesandten Gabriel Oxenstierna die protestantischen Fürsten Deutschlands von einer Teilnahme an Christians Unternehmen abraten ließ. Am wenigsten hatte der protestantische Kurfürst von Brandenburg Gelegenheit zur Anerkennung der „evangelischen Mission“ seines Schwagers, des Schwedenkönigs, als dieser ihm mitten im tiefen Frieden den Hafen von Pillau wegnahm (1626), das Herzogtum Preußen zum Hauptsitz seines Krieges gegen Polen machte und die preußischen Untertanen auf alle Weise misshandelte. Gustav Adolf vergaß damals die „evangelische Mission“ und trug sogar, zur Zeit wo der deutsche Protestantismus nach der Besiegung Christians IV. bei Lutter am Barenberge völlig darniederlag, dem katholischen deutschen Kaiser ein Bündnis gegen Dänemark an, wenn ihm Norwegen und derjenige Teil von Dänemark, den er erobern werde, zugesichert würde. Und noch im Herbst 1627 wiederholte sein Kanzler Oxenstierna dasselbe Anerbieten.
Die „evangelische Mission“ trat wieder in den Vordergrund, seitdem die kaiserlichen Fahnen siegreich von der Ostsee bis nach Jütland wehten und Kaiser Ferdinand im Jahr 1628 an die Errichtung einer deutschen Reichskriegsflotte dachte, um das Ansehen des Reichs auf den „beiden deutschen Meeren“ wieder herstellen. Gustav Adolf wollte den Kaiser um keinen Preis festen Fuß an der Ostsee fassen lassen, weil dann die Macht Schwedens in ihren Grundlagen wäre erschüttert worden, er rüstete zum Kriege und enthüllte sofort seine Eroberungspläne in einem im Juli 1628 mit Stralsund abgeschlossenen Vertrag, worin stipuliert ward: „Die Stadt verbleibe inskünftig beständig bei König und Krone von Schweden.“ Der König besetzte Stralsund als Schlüssel der Ostsee und ließ sich von den deutschen Truppen daselbst den Eid der Treue schwören. Durch den Besitz des Hafens von Stralsund, schrieb er an Oxenstierna, „werden wir unser Ansehen auf der Ostsee behaupten, und gelingt es uns das einliegende Land in Besitz zu nehmen, so werden wir vermittelt dieses Hafens die ganze Küste von Deutschland in Furcht halten und aus diesem Reich alle unsere Bedürfnisse erhalten können. Um aber Stralsund zu schützen, müssen wir uns nicht in Schweden verkriechen, sondern mit einer Armee nach Deutschland gehen“. Solche Gründe sollten den Kanzler von der Notwendigkeit des Krieges überzeugen, denn Oxenstierna war nicht für den deutschen Krieg; er riet vielmehr dem König dringend von demselben ab, weil er in Deutschland keine Unterstützung finden würde. Aber Gustav Adolf blieb fest bei seinem Entschluss. Er könne, schrieb er dem Kanzler im März 1629, nicht gerade leugnen, dass „auf keine Mittel in Deutschland zu hoffen wäre“, aber er rechne auf die Hilfe Englands und der Generalstaaten und „wenn wir in Deutschland, sagt er, die Oberhand bekämen, glaube ich nicht, dass es da so leer sei, dass nicht irgend Hilfsmittel aufzufinden wären. Die Hansestädte sind unschlüssig. Wenn irgend Glück von unserer Seite sich neigt, ist an der Hilfe nicht zu verzweifeln“. Man sieht: Einladungen an den König und Anerbietungen zur Hilfe waren von deutscher Seite nicht ergangen. Kein deutscher Fürst rief den Schweden, Niemand bot ihm Unterstützung an. Kein Wunder deshalb, dass nicht bloß Oxenstierna, sondern auch die Kriegsräte, die der König wegen seines deutschen Eroberungszuges befragte, vor dem Kriege warnten. Die Macht des Kaisers, betonten sie, sei ungeheuer und die Hilfsmittel Schwedens seien in Folge der ununterbrochenen Kriege gänzlich erschöpft. Und zudem habe der deutsche Kaiser noch keine rechtmäßige Ursache zum Kriege gegeben. Aber der letztere Grund der Warnung wirkte am wenigsten auf Gustav Adolf, der mit dem Schwerte in der Hand sich um Subtile Untersuchungen über Rechtsfragen nicht kümmerte. Als in seiner Gegenwart im Senate zu Upsala im Oktober 1629 die Worte fielen, dass sich ihm die deutschen, selbst wenn er siegreich wäre, nicht anschließen würden, sagte er kurz und bedeutungsvoll: „Wenn ich Sieger bin, so sind sie meine Beute.“ Mit diesem Ausspruch erschloss der König dem Senate das Geheimnis was er eigentlich in Deutschland wollte. In der Eroberung Deutschlands, soweit sie sich ermöglichen ließ, wenigstens in der Eroberung Pommerns und der Seeküste bestand die „evangelische Mission“ des Schwedenkönigs, und darum sagte auch Oxenstierna später im Jahr 1644 im Reichsrate zu Stockholm: ,,Pommern und die Seeküste sind gleich einer Bastion für die Krone Schwedens und besteht darin unsere Sicherheit gegen den Kaiser, und war die vornehm sie Ursache, welche Seine sel. Majestät in die Waffen brachte.“
Gustav Adolfs Krieg war ein politischer Eroberungskrieg, aber man würde sich täuschen, wenn man glauben wollte, dass er nicht auch religiöse Zwecke verfolgt habe. Wie ihm die Religion als Mittel diente um zu erobern, so gedachte er, wie wir sehen werden, die gemachten Eroberungen zu benutzen zur Ausbreitung seines lutherischen Glaubensbekenntnisses.
Am deutlichsten lernen wir, was Gustav Adolf erstrebte und mit welchen Mitteln er seine Eroberungspläne in Deutschland durchführen wollte, aus einem von ihm selbst vor seiner persönlichen Beteiligung am Kriege diktierten Aktenstücke kennen, welches zu den wichtigsten jener Zeit gehört.
„Das höchste und letzte Ziel aller Handlungen, sagt Gustav Adolf , ist ein neu evangelisch Haupt“ - d. h. wie unsere spätere Auseinandersetzung zeigen wird, die Absetzung Kaiser Ferdinands und die Erhebung des Schweden auf den Kaiserthron – „das vorletzte: neue Verfassung unter den evangelischen Ständen und solchem Haupt“ - also der Umsturz der bisherig Reichsverfassung. Um dies zu erreichen, wird dann ausführlich erörtert, ist vor allem notwendig, die allgemeine unumschränkte Leitung des Krieges. Die deutschen Fürsten müssen sich dem schwedischen Schutz- und Schirmrecht unterwerfen, die festen Plätze einräumen oder abtreten und sich besonders verpflichten, ,,die festen Städte (d. h. die Reichsstädte), welche nicht unter ihrer Herrschaft stehen, nach Vermögen durch freundliche Unterhandlung oder mit Hilfe der Waffen, besonders durch Verhinderung des Handels dahin zu bringen, dass sie dem Feinde d. h. dem deutschen Kaiser nicht allein alle Hilfe verweigern, sondern auch zur Partei der Evangelischen und des Direktors des Krieges mit aufrichtiger Gesinnung sich wenden. Darin besteht die vorzüglichste Macht des Krieges im Reich.“
Aber wie die protestantischen deutschen Fürsten gewinnen? Gustav Adolf unterschätzte die Schwierigkeiten dieses Unternehmens nicht. Er wusste, wie sein Schwager von Brandenburg, dem er mitten im Frieden Pillau genommen, zu ihm stand; er kannte die Gesinnungen des Pommernherzogs Bogislav, der ihn flehentlichst hatte bitten lassen nicht nach Pommern zu kommen; er wusste, dass selbst die vertriebenen Herzoge von Mecklenburg sich nicht mit ihm gegen Kaiser Ferdinand verbinden wollten, sondern, wie sie ihm erklärten ,,den Austrag ihrer Sache von dem Rechtsspruch des obersten Richters im Reich erwarteten. Darum gab auch der König dem französischen Gesandten Charnacé, der im Auftrag Richelieus ihn zum Kriege spornte, französische Hilfsgelder und ein „Kaisertum im Osten“ in Aussicht stellte und ihm vorgaukelte, „er werde in ganz Deutschland wie ein Messias erwartet“, die bezeichnende Antwort. „Er habe über die Stimmung der deutschen Fürsten ganz andere Berichte“. Bei Brandenburg, Pommern und Mecklenburg setzte Gustav Adolf wenigstens kein feindliches Auftreten voraus, und deshalb sprach er mit dem Franzosen über diese Fürsten nicht. Aber den lutherischen Kurfürsten von Sachsen erwähnte er, denn dieser, sagte er zu Charnacé, „habe ihm sagen lassen, dass er sich, wenn er nach Deutschland übersetze, mit dem Kaiser gegen ihn vereinigen würde.“
Nichtsdestoweniger hoffte der König die protestantischen Fürsten auf seine Seite zu ziehen, und zwar, wie er in seiner erwähnten politischen Denkschrift auseinandersetzt, zunächst durch das ausgedehnteste Versprechen, „die alte Freiheit der evangelischen Stände zu erhalten, die festen Plätze wieder zurückzugeben“ u. s. w. Dann durch die „Errichtung eines besonderen gemeinschaftlichen Staats- und Kriegsrates, der beständig und auf dem Fuße dem Lager des Königs folgen müsste“. Aber diese Behörde sollte nur eine beratende Stimme haben, die unbeschränkte Kriegsleitung müsse dem König verbleiben. Die deutschen Fürsten sollten also zu dem Schweden dasselbe Verhältnis einnehmen, in welchem in unserem Jahrhundert die Rheinbundfürsten zu Napoleon standen.
Um dies desto besser zu erreichen, fährt Gustav Adolf in seiner Denkschrift fort, „könnte man als Hauptgrund Setzen: welcher Gestalt die Absichten der Katholiken und Evangelischen so scharf einander entgegen wären, dass der für töricht zu halten, der nicht ungezweifelt erkennen und bekennen müsste, dass ein Teil den andern durch die Waffen zu Grunde richten müsste, keinen Mitteldingen aber z. B. der gütlichen Begleichung getraut werden könnte.“ Dies ist die bemerkenswerteste Stelle des Aktenstückes. Schon elf Jahre lang hatte man in Böhmen und Deutschland blutige Kämpfe geführt und schon oft genug war der Ruf erschollen, man müsse für die Rettung des protestantischen Glaubens zum Schwerte greifen, aber noch immer glaubten die Vertreter des deutschen Luthertums nicht dem betrüglichen Vorgeben einer kalvinistischen Umsturzpartei und standen noch treu zum Kaiser: nicht bloß der Kurfürst von Sachsen, sondern auch der Landgraf von Darmstadt, der Herzog von Braunschweig-Lüneburg, ferner die konservativen Korporationen, die Ritterschaften und die Magistrate der Städte in den Ländern der niedersächsischen Fürsten. Jetzt sollte es anders werden. Auch das Luthertum sollte jetzt nach den Plänen des Schwedenkönigs in einen unversöhnlichen Religionskrieg hineingezogen werden, in welchem der „eine Teil den andern durch die Waffen zu Grunde richten müsste“, und als dessen Zweck der völlige Umsturz aller bisherigen Reichsordnung mit klaren Worten angegeben wurde.
Da aber die Fürsten unter sich uneinig seien, von Versammlungen und Verhandlungen, heißt es in der Denkschrift weiter, nichts Sicheres zu hoffen stehe, „weil leider in Deutschland, was die Beschlüsse und Beratungen betrifft, immer Tag und keine Nacht, in Hinsicht auf die Ausführung immer Nacht und kein Tag“, so sei es hochnötig, dass der König einen Stand nach dem andern gewinne, und mit jedem besondere Verträge schließe. Und zwar müsse zuerst der kurfürstliche Schwager von Brandenburg durch eine persönliche Zusammenkunft „zu gutem Vertrauen gebracht werden“, weil dieser „gewiss den Übrigen eine Fackel und Posaune und die Brücke sein würde, Kursachsen recht beizukommen“. Letzterem wäre zu bedeuten, dass „die Last des Krieges leider in sein Land gewälzt werden müsse“, wenn er sich nicht mit dem König verbinde und die Festung Wittenberg öffne. „Schließlich ist zu bedeuten,“ sagt Gustav Adolf, „wofern Brandenburg und Sachsen sich im Übrigen wohl fügen, dass man über die Verteilung der Kriegskosten, Pommern ausgenommen (denn diese deutsche Provinz betrachtete der Schwede schon als Eigentum), mit Glimpf reden kann, weil ihnen und ihren Landen doch dieselben ohnehin meistenteils an den Hals wachsen werden.“
So das Programm König Gustavs für den deutschen Krieg, den er, englischer und holländischer Unterstützung versichert und mit der gegründeten Hoffnung auf französische Hilfsgelder, im Juni 1630 begann. Ohne Kriegserklärung setzte er eine feindliche Armee auf deutschen Reichsboden und erließ erst später, um seinen Einbruch zu rechtfertigen, ein Manifest voll so nichtssagender Gründe, dass König Friedrich II. von Preußen es als ein „Meisterstück königlicher Sophistik“ bezeichnet. Von der Religion, von einer Befreiung des Protestantismus, die man ihm später angedichtet, sprach er in seinem Manifeste nicht. Er führte nur politische Gründe seines Krieges an und diese Gründe nennt Friedrich II. frivol, und fragt. „Ist es Recht, für solche Könige, wie Gustav Adolf sie vorbrachte, das menschliche Geschlecht dem Blutvergießen zu weihen, um den Ehrgeiz und die Laune eines einzigen Menschen zu befriedigen?“ dieser gewiss unverdächtige Ausspruch eines Urteilsberufenen charakterisiert treffend die ganze Sachlage und gibt den wahrhaften Kommentar zu der Äußerung, die Gustav Adolf einst im Schwedischen Reichsrat fallen ließ „Für mich gibt es keine Ruhe mehr, es sei denn die ewige Ruhe.“
Aber die Dinge liegen anders.
Der dreißigjährige Krieg begann bekanntlich in Böhmen, wo tschechische Feudalherren den Pfälzer Friedrich V. als „königliches Werkzeug“ gegen das deutsche Reich benutzen wollten und zum Sturze Habsburgs mit den holländischen Generalstaaten, mit Türken und Tataren Verbindungen angeknüpft hatten. Nachdem die siegreichen Waffen Tillys diese revolutionäre Auflehnung zu Boden geschlagen (1620) erhoben sich die ruchlosen Freibeuter Ernst von Mansfeld und Christian von Braunschweig, welche wie Würgengel sengend und brennend durch deutsche Gebiete zogen und von Protestanten, wie Katholiken gleichmäßig verabscheut wurden. Tilly trieb auch diese zu Paaren und der Krieg schien beendet; man träumte am kaiserlichen Hofe von einer Periode eines „neuen glücklichen Friedens“.
Aber damals hatte in Frankreich Kardinal Richelieu das Staatsruder ergriffen und suchte die Politik des französischen Königs Heinrichs IV., die auf eine Zerrüttung und Zerstückelung des deutschen Reiche hinzielte, zu verwirklichen. Während er mit erbarmungsloser Härte in Frankreich ein unumschränktes Königtum aufrichtete und die Zentralisation aller Macht erstrebte, wollte er in Deutschland keine kräftige Kaisergewalt aufkommen lassen und durch Beförderung innerer Unruhen, durch Schärfung aller kirchlich-politischen Parteigegensätze, Elsaß und Lothringen und das ganze Reichsgebiet auf der linken Rheinseite an Frankreich annexieren. Schon bevor er „allmächtiger Minister“ geworden, hatte er diesen Plan im Einzelnen entworfen und brachte im Jahr 1624 ein geheimes Bündnis zwischen Frankreich und England, den Generalstaaten, Venedig und Savoyen gegen das deutsche Kaiserhaus zu Stande. Um die Religion handelte es sich bei diesem Bunde wahrlich nicht, denn die kalvinistischen Holländer, die den katholischen Kardinal gegen den katholischen Kaiser Deutschlands unterstützen sollten, unterstützten ihn auch mit ihrer Flotte gegen die französischen Kalvinisten und suchten gegen diese ihre Glaubensbrüder auch das protestantische England zu bewaffnen.
Es handelte sich bei diesem Bünde um einen rein politischen Krieg gegen Deutschland, der den Verbündeten im Jahr 1624 als eine beschlossene Sache galt. Nur die Wahl des Feldherrn, der an die Spitze treten sollte, kam noch in Frage. Richelieu richtete seine Blicke nach Kopenhagen und Stockholm, und wie König Christian IV. von Dänemark, so war auch König Gustav Adolf von Schweden damals schon zum Kriege gegen Deutschland bereit.
Gustav Adolf hatte am kriegerischen Hofe seines Vaters eine durchaus soldatische Erziehung erhalten und war so frühzeitig von militärischem Ehrgeiz erfüllt, dass er, kaum sechzehn Jahre alt, von seinem Vater sich den Oberbefehl in einem Kriege gegen die Russen erbat. Kriegsruhm, sagte er, ist der höchste Ruhm, und Tapferkeit und Unerschrockenheit das beste Erbe des Mannes. Nachdem er im frühesten Jünglingsalter den Thron bestiegen, focht er zuerst gegen die Dänen, besiegte die Russen, die er unter Eroberung wichtiger Provinzen von der Ostsee ausschloss, und stürzte sich dann auf Polen, dessen Krone er mit der seinigen vereinigen wollte. Seinem Reiche die Hegemonie über alle Staaten des Nordens zu verschaffen, war der Lieblingsgedanke seines Lebens, der ihn von einem Schlachtfelde aufs andere trieb. Dazu kamen andere Beweggründe. Nur allein durch auswärtige Kriege konnte er den in ihm lebendigen altnormannischen Geist, die Lust an kühnen Fahrten befriedigen und zugleich den Adel seines Landes von innern gewohnten Meutereien zurückhalten und durch fremde Lehen und Güter dauernd an seinen Thron fesseln. Deshalb waren alle seine Einrichtungen im Staate nur auf Krieg und Kriegsführung berechnet, und er drückte seinem Reiche so sehr das Gepräge einer Militärmonarchie auf, dass er jeden 13. bis 14. Bewohner als „Soldaten sich zueignete“. Wenn ihm die Gelegenheit zu einem Kriege günstig schien, so störten ihn keine Rechtsbedenken, so galten keine Verträge, so galt nur der Grundsatz, den er einst den Gesandten seines Schwagers, des Kurfürsten von Brandenburg, aussprach: „Die Kraft der Szepter fällt ganz, wenn sie, was Rechtens sei, beginnt zu erwägen.“
Schon im Jahr 1614 war Gustav Adolf von dem reichsverräterischen Landgrafen Moritz von Hessen-Kassel aufgefordert worden, sich zu einem Kampf gegen den deutschen Kaiser bereit zu halten, und er verlor seit dem Beginn des dreißigjährigen Krieges die deutschen Angelegenheiten nicht aus den Augen. Er billigte die Auflehnung der böhmischen Feudalherren gegen Kaiser Ferdinand II., unterstützte den Winterkönig mit Kriegsvorrat und Munition, trat mit den aufrührerischen Ständen von Ober- und Niederösterreich in Verbindung und ließ in Konstantinopel die Pforte zu Gunsten des Reichsfeindes Bethlen Gabor von Siebenbürgen bearbeiten. Mit Bethlen Gabor hatte er, wie uns sein Briefwechsel belehrt, einen Einbruch in deutsches Reichsgebiet bereits vier Jahre früher, bevor er ihn ausführte, verabredet. So oft aber von irgend einem Unternehmen gegen den deutschen Kaiser Rede war, wurden immer die Worte Religion und evangelisches Wesen gebraucht und man war wenig sparsam mit biblischen Ausdrücken und Zitaten. Gustav Adolf sprach frühzeitig von seiner ,,evangelischen Mission“ und wurde frühzeitig als neuer Josua oder Gideon beglückwünscht. Alle Eroberungssüchtigen führen zu ihrer Legitimierung hochtönende Worte im Munde, die zu jeder Zeit auf die große Masse des Volkes einen gewaltigen Eindruck hervorbringen. Aber in verschiedenen Zeiten lauten diese Worte verschieden. Wer im Sechzehnten und Siebzehnten Jahrhundert Revolutionen anzetteln und Eroberungen machen wollte, hielt die Maske der Religion vor und missbrauchte das noch lebendige und leicht entzündliche religiöse Gefühl der Völker; im achtzehnten Jahrhundert eroberte man behufs „Aufrechthaltung des politischen Gleichgewichts“, während der französischen Revolution im Namen der „Freiheit und Gleichheit“, zum Schutz der „unveräußerlichen Menschenrechte“, und in unserer Zeit führt man Eroberungskriege und macht Annexionen für ,,die Idee der Nationalität“.
Da Gustav Adolf lange schon auf deutsche Eroberungen sann, so fanden die Anträge Richelieus, der ihm im Jahr 1624 zu einem Kriege gegen Ferdinand II. reiche Subsidien anbot, williges Ohr. Der König erklärte, dass er „die Mannschaften in eigener Person befehligen werde und gesonnen sei, seine ganze wohleingeübte Armee nach Deutschland hinüberführen“. Aber er verlangte für sich nicht bloß als erste Beute einen deutschen Hafen an der Ostsee und einen an der Nordsee, sondern auch die Übertragung eines „unbeschränkten Kriegsdirektoriums“, und so zerschlugen sich die Unterhandlungen mit Frankreich, England und den Generalstaaten und statt seiner trat sein Nebenbuhler Christian IV., König von Dänemark und Herzog von Holstein, lüstern nach dem Besitz der benachbarten Stifte -Bremen, Verden usw., an die Spitze des Krieges. Den Deutschen spiegelte man vor, es handele sich dabei um die Religion, um den ,,freien evangelischen Glauben“, den der Kaiser auszurotten beabsichtige, denn die Deutschen, sagt Richelieu, muss man mit „hohen Worten“ fangen. Aber die deutschen ließen sich damals noch nicht fangen. Sie erkannten noch keinen ,,evangelischen Helden“ in Christian IV., der ein Bündnis mit dem katholischen König Siegmund von Polen gegen Gustav Adolf schließen wollte, und noch keinen uneigennützigen Kämpfer für die evangelische Glaubensfreiheit“ in Gustav Adolf, der durch seinen Gesandten Gabriel Oxenstierna die protestantischen Fürsten Deutschlands von einer Teilnahme an Christians Unternehmen abraten ließ. Am wenigsten hatte der protestantische Kurfürst von Brandenburg Gelegenheit zur Anerkennung der „evangelischen Mission“ seines Schwagers, des Schwedenkönigs, als dieser ihm mitten im tiefen Frieden den Hafen von Pillau wegnahm (1626), das Herzogtum Preußen zum Hauptsitz seines Krieges gegen Polen machte und die preußischen Untertanen auf alle Weise misshandelte. Gustav Adolf vergaß damals die „evangelische Mission“ und trug sogar, zur Zeit wo der deutsche Protestantismus nach der Besiegung Christians IV. bei Lutter am Barenberge völlig darniederlag, dem katholischen deutschen Kaiser ein Bündnis gegen Dänemark an, wenn ihm Norwegen und derjenige Teil von Dänemark, den er erobern werde, zugesichert würde. Und noch im Herbst 1627 wiederholte sein Kanzler Oxenstierna dasselbe Anerbieten.
Die „evangelische Mission“ trat wieder in den Vordergrund, seitdem die kaiserlichen Fahnen siegreich von der Ostsee bis nach Jütland wehten und Kaiser Ferdinand im Jahr 1628 an die Errichtung einer deutschen Reichskriegsflotte dachte, um das Ansehen des Reichs auf den „beiden deutschen Meeren“ wieder herstellen. Gustav Adolf wollte den Kaiser um keinen Preis festen Fuß an der Ostsee fassen lassen, weil dann die Macht Schwedens in ihren Grundlagen wäre erschüttert worden, er rüstete zum Kriege und enthüllte sofort seine Eroberungspläne in einem im Juli 1628 mit Stralsund abgeschlossenen Vertrag, worin stipuliert ward: „Die Stadt verbleibe inskünftig beständig bei König und Krone von Schweden.“ Der König besetzte Stralsund als Schlüssel der Ostsee und ließ sich von den deutschen Truppen daselbst den Eid der Treue schwören. Durch den Besitz des Hafens von Stralsund, schrieb er an Oxenstierna, „werden wir unser Ansehen auf der Ostsee behaupten, und gelingt es uns das einliegende Land in Besitz zu nehmen, so werden wir vermittelt dieses Hafens die ganze Küste von Deutschland in Furcht halten und aus diesem Reich alle unsere Bedürfnisse erhalten können. Um aber Stralsund zu schützen, müssen wir uns nicht in Schweden verkriechen, sondern mit einer Armee nach Deutschland gehen“. Solche Gründe sollten den Kanzler von der Notwendigkeit des Krieges überzeugen, denn Oxenstierna war nicht für den deutschen Krieg; er riet vielmehr dem König dringend von demselben ab, weil er in Deutschland keine Unterstützung finden würde. Aber Gustav Adolf blieb fest bei seinem Entschluss. Er könne, schrieb er dem Kanzler im März 1629, nicht gerade leugnen, dass „auf keine Mittel in Deutschland zu hoffen wäre“, aber er rechne auf die Hilfe Englands und der Generalstaaten und „wenn wir in Deutschland, sagt er, die Oberhand bekämen, glaube ich nicht, dass es da so leer sei, dass nicht irgend Hilfsmittel aufzufinden wären. Die Hansestädte sind unschlüssig. Wenn irgend Glück von unserer Seite sich neigt, ist an der Hilfe nicht zu verzweifeln“. Man sieht: Einladungen an den König und Anerbietungen zur Hilfe waren von deutscher Seite nicht ergangen. Kein deutscher Fürst rief den Schweden, Niemand bot ihm Unterstützung an. Kein Wunder deshalb, dass nicht bloß Oxenstierna, sondern auch die Kriegsräte, die der König wegen seines deutschen Eroberungszuges befragte, vor dem Kriege warnten. Die Macht des Kaisers, betonten sie, sei ungeheuer und die Hilfsmittel Schwedens seien in Folge der ununterbrochenen Kriege gänzlich erschöpft. Und zudem habe der deutsche Kaiser noch keine rechtmäßige Ursache zum Kriege gegeben. Aber der letztere Grund der Warnung wirkte am wenigsten auf Gustav Adolf, der mit dem Schwerte in der Hand sich um Subtile Untersuchungen über Rechtsfragen nicht kümmerte. Als in seiner Gegenwart im Senate zu Upsala im Oktober 1629 die Worte fielen, dass sich ihm die deutschen, selbst wenn er siegreich wäre, nicht anschließen würden, sagte er kurz und bedeutungsvoll: „Wenn ich Sieger bin, so sind sie meine Beute.“ Mit diesem Ausspruch erschloss der König dem Senate das Geheimnis was er eigentlich in Deutschland wollte. In der Eroberung Deutschlands, soweit sie sich ermöglichen ließ, wenigstens in der Eroberung Pommerns und der Seeküste bestand die „evangelische Mission“ des Schwedenkönigs, und darum sagte auch Oxenstierna später im Jahr 1644 im Reichsrate zu Stockholm: ,,Pommern und die Seeküste sind gleich einer Bastion für die Krone Schwedens und besteht darin unsere Sicherheit gegen den Kaiser, und war die vornehm sie Ursache, welche Seine sel. Majestät in die Waffen brachte.“
Gustav Adolfs Krieg war ein politischer Eroberungskrieg, aber man würde sich täuschen, wenn man glauben wollte, dass er nicht auch religiöse Zwecke verfolgt habe. Wie ihm die Religion als Mittel diente um zu erobern, so gedachte er, wie wir sehen werden, die gemachten Eroberungen zu benutzen zur Ausbreitung seines lutherischen Glaubensbekenntnisses.
Am deutlichsten lernen wir, was Gustav Adolf erstrebte und mit welchen Mitteln er seine Eroberungspläne in Deutschland durchführen wollte, aus einem von ihm selbst vor seiner persönlichen Beteiligung am Kriege diktierten Aktenstücke kennen, welches zu den wichtigsten jener Zeit gehört.
„Das höchste und letzte Ziel aller Handlungen, sagt Gustav Adolf , ist ein neu evangelisch Haupt“ - d. h. wie unsere spätere Auseinandersetzung zeigen wird, die Absetzung Kaiser Ferdinands und die Erhebung des Schweden auf den Kaiserthron – „das vorletzte: neue Verfassung unter den evangelischen Ständen und solchem Haupt“ - also der Umsturz der bisherig Reichsverfassung. Um dies zu erreichen, wird dann ausführlich erörtert, ist vor allem notwendig, die allgemeine unumschränkte Leitung des Krieges. Die deutschen Fürsten müssen sich dem schwedischen Schutz- und Schirmrecht unterwerfen, die festen Plätze einräumen oder abtreten und sich besonders verpflichten, ,,die festen Städte (d. h. die Reichsstädte), welche nicht unter ihrer Herrschaft stehen, nach Vermögen durch freundliche Unterhandlung oder mit Hilfe der Waffen, besonders durch Verhinderung des Handels dahin zu bringen, dass sie dem Feinde d. h. dem deutschen Kaiser nicht allein alle Hilfe verweigern, sondern auch zur Partei der Evangelischen und des Direktors des Krieges mit aufrichtiger Gesinnung sich wenden. Darin besteht die vorzüglichste Macht des Krieges im Reich.“
Aber wie die protestantischen deutschen Fürsten gewinnen? Gustav Adolf unterschätzte die Schwierigkeiten dieses Unternehmens nicht. Er wusste, wie sein Schwager von Brandenburg, dem er mitten im Frieden Pillau genommen, zu ihm stand; er kannte die Gesinnungen des Pommernherzogs Bogislav, der ihn flehentlichst hatte bitten lassen nicht nach Pommern zu kommen; er wusste, dass selbst die vertriebenen Herzoge von Mecklenburg sich nicht mit ihm gegen Kaiser Ferdinand verbinden wollten, sondern, wie sie ihm erklärten ,,den Austrag ihrer Sache von dem Rechtsspruch des obersten Richters im Reich erwarteten. Darum gab auch der König dem französischen Gesandten Charnacé, der im Auftrag Richelieus ihn zum Kriege spornte, französische Hilfsgelder und ein „Kaisertum im Osten“ in Aussicht stellte und ihm vorgaukelte, „er werde in ganz Deutschland wie ein Messias erwartet“, die bezeichnende Antwort. „Er habe über die Stimmung der deutschen Fürsten ganz andere Berichte“. Bei Brandenburg, Pommern und Mecklenburg setzte Gustav Adolf wenigstens kein feindliches Auftreten voraus, und deshalb sprach er mit dem Franzosen über diese Fürsten nicht. Aber den lutherischen Kurfürsten von Sachsen erwähnte er, denn dieser, sagte er zu Charnacé, „habe ihm sagen lassen, dass er sich, wenn er nach Deutschland übersetze, mit dem Kaiser gegen ihn vereinigen würde.“
Nichtsdestoweniger hoffte der König die protestantischen Fürsten auf seine Seite zu ziehen, und zwar, wie er in seiner erwähnten politischen Denkschrift auseinandersetzt, zunächst durch das ausgedehnteste Versprechen, „die alte Freiheit der evangelischen Stände zu erhalten, die festen Plätze wieder zurückzugeben“ u. s. w. Dann durch die „Errichtung eines besonderen gemeinschaftlichen Staats- und Kriegsrates, der beständig und auf dem Fuße dem Lager des Königs folgen müsste“. Aber diese Behörde sollte nur eine beratende Stimme haben, die unbeschränkte Kriegsleitung müsse dem König verbleiben. Die deutschen Fürsten sollten also zu dem Schweden dasselbe Verhältnis einnehmen, in welchem in unserem Jahrhundert die Rheinbundfürsten zu Napoleon standen.
Um dies desto besser zu erreichen, fährt Gustav Adolf in seiner Denkschrift fort, „könnte man als Hauptgrund Setzen: welcher Gestalt die Absichten der Katholiken und Evangelischen so scharf einander entgegen wären, dass der für töricht zu halten, der nicht ungezweifelt erkennen und bekennen müsste, dass ein Teil den andern durch die Waffen zu Grunde richten müsste, keinen Mitteldingen aber z. B. der gütlichen Begleichung getraut werden könnte.“ Dies ist die bemerkenswerteste Stelle des Aktenstückes. Schon elf Jahre lang hatte man in Böhmen und Deutschland blutige Kämpfe geführt und schon oft genug war der Ruf erschollen, man müsse für die Rettung des protestantischen Glaubens zum Schwerte greifen, aber noch immer glaubten die Vertreter des deutschen Luthertums nicht dem betrüglichen Vorgeben einer kalvinistischen Umsturzpartei und standen noch treu zum Kaiser: nicht bloß der Kurfürst von Sachsen, sondern auch der Landgraf von Darmstadt, der Herzog von Braunschweig-Lüneburg, ferner die konservativen Korporationen, die Ritterschaften und die Magistrate der Städte in den Ländern der niedersächsischen Fürsten. Jetzt sollte es anders werden. Auch das Luthertum sollte jetzt nach den Plänen des Schwedenkönigs in einen unversöhnlichen Religionskrieg hineingezogen werden, in welchem der „eine Teil den andern durch die Waffen zu Grunde richten müsste“, und als dessen Zweck der völlige Umsturz aller bisherigen Reichsordnung mit klaren Worten angegeben wurde.
Da aber die Fürsten unter sich uneinig seien, von Versammlungen und Verhandlungen, heißt es in der Denkschrift weiter, nichts Sicheres zu hoffen stehe, „weil leider in Deutschland, was die Beschlüsse und Beratungen betrifft, immer Tag und keine Nacht, in Hinsicht auf die Ausführung immer Nacht und kein Tag“, so sei es hochnötig, dass der König einen Stand nach dem andern gewinne, und mit jedem besondere Verträge schließe. Und zwar müsse zuerst der kurfürstliche Schwager von Brandenburg durch eine persönliche Zusammenkunft „zu gutem Vertrauen gebracht werden“, weil dieser „gewiss den Übrigen eine Fackel und Posaune und die Brücke sein würde, Kursachsen recht beizukommen“. Letzterem wäre zu bedeuten, dass „die Last des Krieges leider in sein Land gewälzt werden müsse“, wenn er sich nicht mit dem König verbinde und die Festung Wittenberg öffne. „Schließlich ist zu bedeuten,“ sagt Gustav Adolf, „wofern Brandenburg und Sachsen sich im Übrigen wohl fügen, dass man über die Verteilung der Kriegskosten, Pommern ausgenommen (denn diese deutsche Provinz betrachtete der Schwede schon als Eigentum), mit Glimpf reden kann, weil ihnen und ihren Landen doch dieselben ohnehin meistenteils an den Hals wachsen werden.“
So das Programm König Gustavs für den deutschen Krieg, den er, englischer und holländischer Unterstützung versichert und mit der gegründeten Hoffnung auf französische Hilfsgelder, im Juni 1630 begann. Ohne Kriegserklärung setzte er eine feindliche Armee auf deutschen Reichsboden und erließ erst später, um seinen Einbruch zu rechtfertigen, ein Manifest voll so nichtssagender Gründe, dass König Friedrich II. von Preußen es als ein „Meisterstück königlicher Sophistik“ bezeichnet. Von der Religion, von einer Befreiung des Protestantismus, die man ihm später angedichtet, sprach er in seinem Manifeste nicht. Er führte nur politische Gründe seines Krieges an und diese Gründe nennt Friedrich II. frivol, und fragt. „Ist es Recht, für solche Könige, wie Gustav Adolf sie vorbrachte, das menschliche Geschlecht dem Blutvergießen zu weihen, um den Ehrgeiz und die Laune eines einzigen Menschen zu befriedigen?“ dieser gewiss unverdächtige Ausspruch eines Urteilsberufenen charakterisiert treffend die ganze Sachlage und gibt den wahrhaften Kommentar zu der Äußerung, die Gustav Adolf einst im Schwedischen Reichsrat fallen ließ „Für mich gibt es keine Ruhe mehr, es sei denn die ewige Ruhe.“
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Gustav Adolf in Deutschland