Vorbemerkungen

Schon in der ungemeinen Ankündigung der Vortragssammlung Glaube und Deutschtum war gesagt worden, dass hier versucht werden soll, die großen Grundgedanken unseres klassischen Idealismus für die Gegenwart, neu herauszuarbeiten und fruchtbar zu machen. Dabei ist freilich vorauszusetzen, dass diese Grundgedanken in Wirklichkeit meist sehr anders gewesen sind, als unsere heutige Tagesweisheit sich träumen lässt. Es ist kaum eine größere Verkennung, ja, ich möchte ruhig sagen: Verschandelung denkbar, als wie sie der echte wirkliche Weimarer Geist in den Festreden unserer Revolutionsparteien oder in den Grundbestimmungen der Weimarer Verfassung erlitten bat. Darum ist Aufklärung über das, was unsere Großen wirklich gewollt haben, unumgängliche Voraussetzung dafür, dass wir aus ihren Gedanken Maßstab und Richtpunkt für unseren Wiederaufbaus gewinnen.

Was Fichte, der Redner an die deutsche Nation, der Urvater und Schwurzeuge aller Sozialisten und Demokraten des 19. Jahrhunderts, wirklich gewollt hat, wie seine straffe herbe Zucht, all ihrem Treiben in Wahrheit schnurstracks entgegensteht, haben wir kürzlich wenigstens in einem schnellen Überblick uns vergegenwärtigt, nähere Ausführungen darüber für später vorbehaltend.*) Heute beginnen wir, zunächst in einer Einzelfrage, Goethes Gedanken über Volkstum und Staat zu entwickeln.


*) Siehe Max Maurenbrecher, „Glaube und Deutschtum“, 1. Jahrgang, Heft 8 („Züchtung zum Volkstum. Fichte und wir“). Einzelpreis 1 Mark. Verlag Glaube und Deutschtum. Dresden-A., Nürnberger-Straße 42.

Dass Goethe für die Besonderheiten der einzelnen Volkstümer und für die Notwendigkeiten des staatlichen Lebens keinen Blick gehabt habe, dass er als der „Olympier“ hoch über all diesen irdischen Einzelfragen geschwebt und nur im Ewigen oder Allgemein-Menschlichen gelebt habe, dass er für Deutschland der eigentliche Apostel einer Menschheitskultur statt einer völkischen Ausprägung seiner Sonderart gewesen sei, ist ein Vorurteilt, das man heute nicht nur bei Juden und Demokraten, sondern auch bei Fachgelehrten der Geschichte des deutschen Schrifttums zu hören vermag. Um dieses Vorurteil zunächst einmal an einer einzelnen Stelle zu durchbrechen, stellen wir in diesem und den folgenden Heften Goethes Aussprüche über das Judentum und die Judenfrage ausführlich zusammen.

An der Stellung, die einer heute zur Judenfrage in Deutschland einnimmt, entscheidet sich praktisch am stärksten, wie er zu Volkstum und völkischer Selbstzucht überhaupt steht. Ohne die Vergiftung unserer Arbeiterbewegung durch ihre jüdischen Führer und ohne die Zersetzung unseres Bürgertums durch jüdischen Geist in Presse, Schrifttum und Bühne, und durch jüdisches Kapital in Banken, Börsen und ebenfalls wieder in der Presse und in den politischen Parteien - ohne diese Vergiftung und Zersetzung im eigenen Inneren wären wir dem Ansturm der Feinde im Weltkrieg nicht unterlegen! Nicht durch Waffen sind wir besiegt worden, wir haben angesichts der feindlichen Umklammerung uns selber zerfleischt: „Ajax fiel durch Ajax’ Kraft“. Wollen wir je auch nur den Gedanken an eine Wiederauferstehung deutscher Art und Kraft zu denken wagen, so ist die Entgiftung des deutlichen Volkes von jüdischem Geist, Blut und Geld dazu die erste Vorbedingung. Darin liegt die dringende Bedeutung, die Goethes Stellung gerade zur Judenfrage heute für uns hat.

Denn das in das Merkwürdige, dass Goethe diese Einwirkung des Judentums auf unser Volkstum vorausgesagt hat! Er hat nichts nur, vom Anfang bis zum Ende seines Lebens das Judentum als ein besonderes eigengeartetes Volkstum empfunden. Er hat auch gewusst, dass dieses Volk jedes andere Volk und jeden Staat notwendig zersetzt, in dessen Mitte es eine Heimat findet. Er hat in der zweiten Hälfte seines Lebens jedem einzelnen Schritt der sogenannten Judenemanzipation widersprochen, hat bei jedem Gesetz, das den Juden die staatsbürgerliche Gleichberechtigung mit den anderen „Konfessionen“ verlieh, die böse Wirkung vorausgesagt, hat gelegentlich in leidenschaftlicher Erbitterung getobt, gelegentlich mit mildem oder beißendem Spott die Entwicklung verfolgt. Er hat, einflusslos, wie er dem öffentlichen Leben gegenüber war, die Entwicklung nicht aufhalten können. Aber es ist wichtig, dass wir heute, wo wir in den Abgrund gestürzt sind, wenigstens nachträglich erkennen, dass wir gewarnt waren, dass Deutschlands umfassendster und klarstblickender Geist dieses Unheil vorausgesehen hat.

So ist der Zweck dieser Zusammenstellung zunächst rein geschichtlicher und darstellender Art. Wir wollen wissen, was Goethe über Judentum und Juden-Emanzipation tatsächlich gedacht hat. Gegenüber aller teils interessierten, teils gedankenlosen Verdunkelung, die auch die Fachgelehrten gerade übers diesen Gegenstand verbreitet haben, wollen wir der deutschen Nation dazu verhelfen, auf diesem Punkte wenigstens nachträglich die Wahrheit zu sehen, wie sie tatsächlich war. Ob dann der Einzelne für sich Goethes Beobachtungen und Urteile annehmen und darauf für das Staatsleben die Folgerungen ziehen will, mag seiner persönlichen Entscheidung überlassen bleiben.

Ich leugne aber nicht, dass gerade auch in fachlicher Beziehung Goethes Urteile mir wertvoll zu sein scheinen. Er hat bloß das jüdische Volkstum als solches niemals geschmäht, hat seine Zähigkeit, Kraft und Hingabe stets anerkannt, hat es uns oft als Vorbild hingestellt, hat insonderheit die hohe Bedeutung des Alten Testamentes richtig gewürdigt. Insofern kann er auch; für den Antisemiten der Gegenwart eine Warnung sein, dass er nicht mit Mätzchen und Veralberungen den klaren Ernst der schweren Frage trübe. Nur wem in gewissem Sinne die geschichtliche Kraft und Leistung des Judentums ehrwürdig ist, nur der kann die Fruchtbarkeit dieses Volkstums in seiner Wirkung auf unser Volkstum richtig ermessen.

Noch ein Wort über die Auswahl der Stellen. Ich bin wohl Goethe-Liebhaber und Goethe-Leser, aber nicht Goethe-Fachgelehrter. Ich bin auf Goethes Stellung zum Judentum erstmals aufmerksam geworden durch Houston Steward Chamberlains schönes eigen geschaut es und tiefes Buch über Goethe.*) Von da aushabe ich selbständig weitergesucht. Nach einer Dresdner Vortragsreihe von mir über „Goethes Stellung zu Volkstum und Religion“, wo ich drei Abende auch über Goethes Stellung zum Judentum gesprochen hatte, haben Freunde und Gegner mich auf weitere Stellen hingewiesen, anderes hat mir dann noch der Zufall in die Hände gespielt. So ist die folgende Sammlung zusammengekommen.

Ich erhebe nicht den Anspruch, dass sie vollständig sei. Das Meer der Gespräche, Briefe, Schriften und Entwürfe von Goethe ist vielleicht auch für den Fachgelehrten, sicher aber für den, der nur Liebhaber ist, völlig unübersehbar. Ich nenne jede Stelle, die ich kenne oder von der ich erfahren habe. Ich möchte, soweit ich kann, Vollständigkeit des Stoffes anstreben, und habe schon heute eine sehr viel größere Zahl von Stellen zusammengetragen, als sie in Zeitlers Goethe-Handbuch unter dem Stichwort Judentum zusammengetragen sind. Aber ich bitte jeden Leser, namentlich die Fachgelehrten und Sonderforscher über Goethe, mit mir weiter zu suchen und mir alle Stellen mitzuteilen, die ich etwa noch übersehen haben sollte, ich werde alles, was ich noch nachgewiesen erhalte, in einem Nachtrag zu dieser Sammlung zusammenstellen, so dass sie damit auch für die Fachwissenschaft einige Bedeutung erhalten.

*) H. St. Chamberlain, Goethe. Verlag von F. Bruckmann A.-G., München 1912 S. 688-697

Die Reihenfolge, in der ich die Stellen ordne, soll im wesentlichen die geschichtliche sein, mit den Jugend-Eindrücken beginnend und mit der Altersweisheit schließend. Am Schluss versuche ich dann, eine fachlich geordnete Zusammenstellung von Goethes Gedanken zu geben. Goethes Worte werden durchgängig angeführt nach der Cottaischen Jubiläumsausgabe in 40 Bänden, gelegentlich nach anderen Quellen, die dann jedes mal deutlich bezeichnet sind.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Goethe und die Juden