Einen hinters Licht führen

Einen hinters Licht führen

Eiselein meint, der Sinn dieser Redensart: Einen überlisten und betrügen[/b], dass er's kaum merkt, rühre daher, „weil man hinter dem Lichte viel minder vorwärts über das Licht hinaus sieht, als wenn dasselbe hinter uns aufgestellt ist, oder von unserm Rücken her in die Richtung einfällt, nach welcher auch unsere Augen sich wenden, wie wir z. B. Morgens Früh beim Sonnenscheine viel besser und klarer nach Westen, so wie Abends mit dem Rücken der untergehenden Sonne zugekehrt, viel deutlicher nach Osten sehen.“


Wir glauben, dass hier die richtige Erklärung aus dem innersten Schatz der Sprache und von schwanken Analogien hergenommen werden müsse. Es gilt die eigentliche Bedeutung des Wortes, [i]„hinter“
in dieser Redensart herauszubringen. Da glauben wir nun, annehmen zu dürfen, dass „hinter“ hier entschieden nur das Gegenteil vom Licht, nämlich das Dunkel, die Finsternis zu charakterisieren habe, nicht das, was hinter einem andern Gegenstande noch immer sichtbar stehen kann, sondern was gleichsam wie auf Münzen, die Aversseite bildet. „Hinters Licht führen“ wäre demnach nicht bloß in eine unpassende, unangenehme Stellung zum Lichte, sondern ganz aus dem Lichte bringen.

Man sehe nur die Redensart: „Ans Licht bringen.“ Was heißt das? Doch offenbar: aus der Finsternis zum Lichte bringen, aus der Finsternis, die hinten zurückblieb, das „hinten“ obendrein in seiner moralischen Unterwürfigkeit unter das im Vordergrunde stehende, aufgefasst. „Hinters Licht führen,“ also: dorthin führen, wo das Licht nicht ist, also auch nichts ans Licht kommen kann.

Für die Auffassung des hier so entscheidenden Vorwortes haben wir auch noch ein bekanntes Reimlein als Gewähr:

Sechs mal sechs ist sechs und dreißig,
Ist der Mann auch noch so fleißig,
Ist die Wirtin lüderlich,
Geht die Wirtschaft hinter sich.“


D. h. sie fällt in Nacht und Nichts, das direkte Gegentheil von Gedeihen und Florieren. Die Negation ist deutlich genug.

In alten französischen Spruchsammlungen heißt es:

Die Kerze, die vorn geht, leuchtet besser, als jene, die hinten geht.

La chandelle qui va devant éclaire mieux que celle qui va derrière.


Es ist aber darunter ein sehr schöner Sinn verborgen, nämlich obige Redensart bezieht sich auf das Almosengeben, wenn es rasch, freudig und ohne Reue geschieht. Das Geld, welches man voraus gibt, tut nicht weh. Vorauszahlen ist besser als nachzahlen.



Dieses Kapitel ist Teil des Buches Glimpf und Schimpf in Spruch und Wort Teil 2