Ein gut Mahl ist Henkens wert

Ein gut Mahl ist Henkens Wert

Man sagt auch: ein gut Amt ist Henkenswert. Um diese haarsträubende Redensart zu erklären, wurde bemerkt, dass statt Henkens „Hengens“ oder „Verhengenswert“ gelesen werden solle, d. h. es ist der Mühe wert, um eines guten Mahles wegen mit den Rossen frisch beizulegen und die Zügel hengen zu lassen, mit „verhengtem“ Zügel zu reiten; denn es „wäre zu grob, unseren Altvordern beizumessen, dass sie selbst um Henkens willen ein Amt oder Mahl nicht zurückzulassen ermahnt hätten.“


Wir glauben aber, dass sich die Phrase doch in ihrer ursprünglichen Lesart retten lasse. Es könnte damit, in Anspielung auf das geringgeachtete Amt des Henkers, allerdings gemeint sein, dass kein Amt so schlecht sei, dass man nicht den erbärmlichen Dienst des Henkens, den geringsten Dienst nämlich, u. z. ehrenhalber dafür leisten müsste. Oder, mit Hinblick auf die Sitte des Henkermahles: Der Henker kann für das ihn erwartende Mahl, ist es gut obendrein, sich schon der elenden Mühe des Henkens unterziehen, so viel wenigstens ist ein gutes Mahl immerhin wert.

Aber warum sollte es nicht auch möglich sein, die von Eiselein verworfene, als eine Ehrenbeleidigung unserer „Altvordern“ aufgegebene Deutung beizubehalten? Heißt es nicht ähnlich: „Es sei der Mühe wert, ein paar Schuhe zu zerreißen, um der Primize eines jungen Priesters beizuwohnen, da sein Segen besondere Kraft haben soll?" Oder hören wir nicht so häufig den Spruch der Gourmands: Bei dieser und jener Schüssel möchte ich ein Türke werden, d. h. selbst den Glauben abschwören und Renegat werden, wenn es nöthig sein sollte, um die Lust an einem beliebten Gerichte fort und fort büßen zu können? Was ist aber schlimmer: Ein Henker oder ein solcher Türke?


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Glimpf und Schimpf in Spruch und Wort Teil 2