Der Puls von Linnen, der Arzt von Tuch

Der Puls von Linnen, der Arzt von Tuch

Diese Redensart, eigentlich französischen Ursprunges: "poulx de toile médecine de drap“ verdankt folgendem Vorfalle ihre Entstehung. Ein Arzt wurde zu einer kranken Dame gerufen. Als er ihr den Puls fühlen wollte, zog sie in jener falschen Verschämtheit, welche es nicht gestattet, ein entblößtes Handgelenk zu zeigen und welche einen großen Teil des schönen Geschlechts unausstehlich, aber deshalb nicht ehrlicher macht, den Ärmel ihres Nachthemds über die Hand, drehte ihn oben zu und hielt so die von Linnen verhüllte Rechte dem Arzte entgegen. Der Arzt, ein ebenso feiner als einsichtsvoller und witziger Mann, nahm nun den Zipfel seines Oberrockes, schlug denselben um seine Hand und griff mit diesem improvisierten Fäustling der Dame den Puls, die Prozedur mit den Worten erklärend: „für einen Puls von Linnen gehört ein Arzt von Tuch.“ Die Anwendung dieser neuen Redensart ist analog jener des: „Wie du mir, so ich dir,“ oder in derber Fassung der des altrömischen: „Auf harten Klotz gehört ein harter Keil.“



Dieses Kapitel ist Teil des Buches Glimpf und Schimpf in Spruch und Wort Teil 2