Der Nürnberger Trichter
Der Nürnberger Trichter
Das Andenken der Nürnberger hat sich aber nicht bloß im obigen Verslein und in mehreren Redensarten, die übrigens keiner Erklärung weiter bedürfen, sondern auch im Nürnberger Trichter erhalten. Wenn man als Lehrer einem Jungen gegenüber sitzt, der Manches nicht begreift, in dessen Schädel mit allem Reden nichts hineinzubringen ist, so rufen wir in unserer Angst und Verzweiflung den „Nürnberger Trichter“ zu Hilfe, wenn er noch was nützt.
Wem schwebt da nicht, ehe er noch über Sinn und Ursprung der Redensart nachgedacht hat, das Bild des Eingießens vor Augen, wie man es so bequem mit einem Trichter vollbringen kann, und wer zweifelt an der Vortrefflichkeit der Metapher, mit der wir anzeigen, dass es sich ja auch bei dem vernagelten Jungen nur ums Eingießen handle? Und dieser Nürnberger Trichter war gewiß für derlei Operationen ganz besonders tauglich und als solcher weltgeschichtlich berühmt.
Das ist einfach die logische Gedankenfolge, der wir uns vor dieser Redensart hingeben. Allein die zwei historischen Aufklärungen, die sich überdies selbst feindlich bekämpfen, erlauben uns nicht auf einer vorgefassten Meinung zu beharren. Nach der einen Deutung wäre der Nürnberger Trichter durchaus nicht ein wirklicher Trichter, sondern nur der Titel eines Büchleins gewesen, welches Georg Philipp Harsdörfer um das J. 1650 zu Nürnberg drucken ließ und worin er die Anleitung gab, wie man Verse und Reime handwerksmäßig machen könne. Er nannte es daher: Poetischer Trichter, und offenbar dachte auch der gute Harsdörfer dabei ans Eingießen, und wir sehen ihn nicht ohne Befriedigung in unserm Lager.
Eine andere, wie sie sich selbst nennt, minder beschränkte Deutung ist folgende:
Um das J. 1671 erfand der Engländer Morland das Sprachrohr. Es war des Materiales (sehr dehnbares Kupferblech) wegen sehr teuer und nur für die Reichen zu haben. Da kam der Nürnberger Bürger Johannes Gründler auf den Gedanken, das Instrument aus wohlfeilem Materials und in beliebigen Größen zu verfertigen und in Menge loszuschlagen. Es gelang ihm, er machte deren aus Weißblech, auch aus Pappe mit bemalter Außenseite, und bald fand man Sprachrohre auch bei den ärmsten Leuten. Die Anwendung des Werkzeuges wovon es größere und kleinere Exemplare gab, war eine doppelte: man sprach in das größere durch die engere Öffnung, wodurch der Schall in die Ferne sich verbreitete; bei der kleineren hielt man dessen Spitze in das Ohr eines Andern und sprach durch die weite Öffnung, damit der Schall gegen die enge Mündung sich kondensierte und um so gewaltiger an das Trommelfell donnerte.
In welcher Beziehung nun der Nürnberger Trichter zu jenem Jungen steht, für den wir nach dem Nürnberger Trichter gerufen haben, dürfte nicht mehr schwer zu erraten sein.
„Jegliche Art Lehre und Unterricht, die sich in Worte fassen lassen, konnte ohne Ausnahme und mit donnerndem Laut durch dieses Werkzeug Anderen hörbar mitgeteilt werden, und wessen Ohr für diese Töne unempfänglich blieb, der galt mit vollem Recht für stocktaub.“
Auch bedarf es kaum einer Erklärung oder gar Bestätigung, dass wegen der Ähnlichkeit dieser Rohre mit einem Trichter und nach dem Erzeugungsorte Nürnberg — wie etwa einst die Uhren „Nürnberger Eier“ hießen — dieselben Nürnberger Trichter genannt wurden. Der Umstand, dass im 15. und 16., selbst in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts diese Redensart nirgends angewendet und auch in den Sammlungen von Idiotismen und Sprichwörtern sich nicht aufgenommen findet, ist eine Bestätigung mehr für obige Ansicht. Das Wort Trichter stammt eben von dem deutschen Zeitwort trichu, troch, trachen, getrochen, woraus Trachter, Trechter gebildet worden.
Das Verb trichu hat aber in seinen Elementen ähnliche Bedeutung mit dem lateinischen traho, nur haben alle drei in ihren Begriffen verschiedene Schattierungen.
Das Andenken der Nürnberger hat sich aber nicht bloß im obigen Verslein und in mehreren Redensarten, die übrigens keiner Erklärung weiter bedürfen, sondern auch im Nürnberger Trichter erhalten. Wenn man als Lehrer einem Jungen gegenüber sitzt, der Manches nicht begreift, in dessen Schädel mit allem Reden nichts hineinzubringen ist, so rufen wir in unserer Angst und Verzweiflung den „Nürnberger Trichter“ zu Hilfe, wenn er noch was nützt.
Wem schwebt da nicht, ehe er noch über Sinn und Ursprung der Redensart nachgedacht hat, das Bild des Eingießens vor Augen, wie man es so bequem mit einem Trichter vollbringen kann, und wer zweifelt an der Vortrefflichkeit der Metapher, mit der wir anzeigen, dass es sich ja auch bei dem vernagelten Jungen nur ums Eingießen handle? Und dieser Nürnberger Trichter war gewiß für derlei Operationen ganz besonders tauglich und als solcher weltgeschichtlich berühmt.
Das ist einfach die logische Gedankenfolge, der wir uns vor dieser Redensart hingeben. Allein die zwei historischen Aufklärungen, die sich überdies selbst feindlich bekämpfen, erlauben uns nicht auf einer vorgefassten Meinung zu beharren. Nach der einen Deutung wäre der Nürnberger Trichter durchaus nicht ein wirklicher Trichter, sondern nur der Titel eines Büchleins gewesen, welches Georg Philipp Harsdörfer um das J. 1650 zu Nürnberg drucken ließ und worin er die Anleitung gab, wie man Verse und Reime handwerksmäßig machen könne. Er nannte es daher: Poetischer Trichter, und offenbar dachte auch der gute Harsdörfer dabei ans Eingießen, und wir sehen ihn nicht ohne Befriedigung in unserm Lager.
Eine andere, wie sie sich selbst nennt, minder beschränkte Deutung ist folgende:
Um das J. 1671 erfand der Engländer Morland das Sprachrohr. Es war des Materiales (sehr dehnbares Kupferblech) wegen sehr teuer und nur für die Reichen zu haben. Da kam der Nürnberger Bürger Johannes Gründler auf den Gedanken, das Instrument aus wohlfeilem Materials und in beliebigen Größen zu verfertigen und in Menge loszuschlagen. Es gelang ihm, er machte deren aus Weißblech, auch aus Pappe mit bemalter Außenseite, und bald fand man Sprachrohre auch bei den ärmsten Leuten. Die Anwendung des Werkzeuges wovon es größere und kleinere Exemplare gab, war eine doppelte: man sprach in das größere durch die engere Öffnung, wodurch der Schall in die Ferne sich verbreitete; bei der kleineren hielt man dessen Spitze in das Ohr eines Andern und sprach durch die weite Öffnung, damit der Schall gegen die enge Mündung sich kondensierte und um so gewaltiger an das Trommelfell donnerte.
In welcher Beziehung nun der Nürnberger Trichter zu jenem Jungen steht, für den wir nach dem Nürnberger Trichter gerufen haben, dürfte nicht mehr schwer zu erraten sein.
„Jegliche Art Lehre und Unterricht, die sich in Worte fassen lassen, konnte ohne Ausnahme und mit donnerndem Laut durch dieses Werkzeug Anderen hörbar mitgeteilt werden, und wessen Ohr für diese Töne unempfänglich blieb, der galt mit vollem Recht für stocktaub.“
Auch bedarf es kaum einer Erklärung oder gar Bestätigung, dass wegen der Ähnlichkeit dieser Rohre mit einem Trichter und nach dem Erzeugungsorte Nürnberg — wie etwa einst die Uhren „Nürnberger Eier“ hießen — dieselben Nürnberger Trichter genannt wurden. Der Umstand, dass im 15. und 16., selbst in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts diese Redensart nirgends angewendet und auch in den Sammlungen von Idiotismen und Sprichwörtern sich nicht aufgenommen findet, ist eine Bestätigung mehr für obige Ansicht. Das Wort Trichter stammt eben von dem deutschen Zeitwort trichu, troch, trachen, getrochen, woraus Trachter, Trechter gebildet worden.
Das Verb trichu hat aber in seinen Elementen ähnliche Bedeutung mit dem lateinischen traho, nur haben alle drei in ihren Begriffen verschiedene Schattierungen.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Glimpf und Schimpf in Spruch und Wort Teil 1