Schildaer — Schildbürgerstreiche

Schildbürger-Streiche

Von Jemanden, dem man Alles mit dem Nürnberger Trichter eingießen mußte, ist es nicht weit zu dem, der Schildbürger Streiche macht. Der Gelehrte mit dem Nürnberger Trichter und fashionable Schildaer können immerhin Freunde sein.


Mit dem Worte Schildbürger bezeichnet man einen lächerlichen Kumpan, und unter Schildbürgerstreiche versteht man dasselbe, was mit den in der Rede noch häufiger vorkommenden Schwabenstreichen, Hirschauerstückchen usw. gemeint ist. Man will die Schildbürgerstreiche von den Bewohnern der Stadt Schilda bei Torgau herleiten. Wir wollen es aber versuchen die Schildaer von dem ihnen mit Unrecht zugefügten Spotte zu reinigen. Die Schildbürger kommen ebensowenig aus Schilda, als die Spieß- und Pfahlbürger und Andere. Der Verfasser einer im 17. Jahrhundert erschienenen Sammlung von Lächerlichkeiten und Schwabenstreichen nannte seine Helden Schildbürger, und diesen Namen hängte man später — es schien so bequem — den Schildaern an, und es ist demnach auch nur richtig, wenn man von Schildbürger- und nicht von Schildaerstreichen spricht. Auch haben die Schildaer allerdings Recht, wenn sie sagen: „Schildaer Streiche sind Albernheiten, die man anderswo begeht, und ,nach unserem Städtchen benennt‘ “. Was übrigens zu Gunsten der Schildaer spricht, ist der freilich nur zufällige Umstand, dass der edle August Neid hard Graf von Gneifenau daselbst das Licht der Welt erblickte (28. Okt. 1760), als ihn auf einer Durchreise seine Mutter, eine Offiziersfrau, dort gebar. Wenn es mit Schilda so stünde, wie das Sprichwort meldet, so müsste es schon durch Gneisenaus Geburt zu Ehren gekommen sein. Weniger glücklich als die Schildaer, die mit einem deutschen Mann den Witz parieren können, sind eine Menge anderer Orte, wie Pollwitz in Schlesien, Bopfingen in Schwaben, Schoppenstädt in Braunschweig, Teterow in Mecklenburg, Büsum im Lande Dithmarschen, und wie sie alle heißen mögen, nach denen dumme Streiche getauft werden. Die Juden haben das Gleichgewicht hergestellt und ihre Schildbürger wohnen in ganz stattlichen Städten, und die Juden von Prag, Worms, Frankfurt, Metz und Fürth sind die jüdischen Schildaer. „Der Dorf-Narr zu Prag sein“ heißt es von einem dummen Prager Juden; die Wormser werden als wundergläubig verspottet, woran das bekannte „Wormser Máase — Nissim“ (es sind dies Erzählungen von Wundern, welche sich in Worms zugetragen), Schuld trägt; so sagen die Juden noch immer: „e Wormser Neß“ (Wormser Wunder), nämlich im spöttischen Sinn, wenn Jemand etwas, woran der gesunde Menschenverstand nichts Außerordentliches findet, als außerordentlich wunderbar ansieht. Der Frankfurter Jude als Frankfurter Gees steht auch im üblen Andenken; der Stolz der dortigen Juden wird von ihren eigenen Glaubensgenossen verspottet. In Betreff der Metzer Juden erzählt man sich das Folgende: Ein berühmter Rabbi folgte einem Rufe als Rabbiner nach Metz. Man rühmte ihm nun, dass die Leute in Metz sehr alt werden. „Sehr natürlich“, entgegnete der Rabbi, „sie haben nicht vom Baume der Erkenntnis gegessen.“


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Glimpf und Schimpf in Spruch und Wort Teil 1