Die Turnpause

Die Turnpause. Wen der Weg an einem „höheren Schulhof“ zur Zeit einer Schulpause vorbeiführt, der sieht seit einigen Wochen hier und da in preußischen Landen ein ungewohntes Bild. Längst hat es geläutet und der Schwarm hat sich verlaufen, aber eine Klasse ist zurückgeblieben. Freiübungen werden gemacht, es sieht etwas nach „Müllern“ aus, aber der Turnlehrer ist nicht dabei, sondern ein richtiger Professor. Und siehe da, jetzt hat der würdige Herr sich sogar in Trab gesetzt und die ganze Gesellschaft läuft hinter ihm her! Will der Herr seinen Schülern die olympischen Spiele der Griechen erklären, oder ist er Naturwissenschaftler und will einen physiologischen Versuch machen? Er wird doch nicht etwa die kostbare Zeit eines Hauptfaches auf Allotria verwenden!

Ja, das tut er doch! An seiner Anstalt wird nämlich der Versuch gemacht, den Schülern täglich einige körperliche Ausbildung zu geben. An den Tagen, wo keine Turnstunde ist, wird im Anschluss an eine Pause 10 Minuten lang geturnt: Arm-Strecken, Rumpf-Drehen, Trichter-Kreisen der Arme usw., und zum Schluss 2 Minuten Dauerlauf oder Kniebeugen.


Diese Neuerung ist wohl erst unter dem neuen Minister lebensfähig geworden. Sie bedeutet sicherlich einen großen hygienischen Fortschritt und wird hoffentlich bald allgemein eingeführt werden, sollte auch wirklich das Gespenst des unerledigten Pensums einmal sichtbar werden. Würde es denn schaden, wenn der sesshafte Schulfleiß und die Masse abfragbaren Wissens sich etwas verminderten? Oberlehrer Junge, Berlin.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Gesundheit und Erziehung 1908