Einleitung

Nur zwei Ereignisse der Folgezeit werfen ihre trüben Schatten bis in die Gegenwart; unharmonische Klange, die an die Melodien vergangener Zeiten erinnern, wenn sie auch aus dem 16. Jahrhundert erschallen.

Im Jahre 1509 wurde einigen Juden aus Bernau das Verbrechen der Hostienschändung Schuld gegeben. Der Anklage folgte bald die Entscheidung: die Angeklagten wurden getötet, und die Anschuldigung hatte die weitere Folge, dass die vorhandenen Juden überhaupt aus dem Lande getrieben wurden.


Doch eine solche Maßregel hatte in den wenigsten Fällen eine lange Entfernung der Betroffenen vom Lande zur Folge und so finden wir bald wieder eine Anzahl Juden in Berlin, die bereits in den vierziger Jahren dem Rath von Berlin Anlass zu Klagen über ihren schädlichen Einfluss gaben. Unter ihnen nahm einer, Lippold, eine sehr angesehene Stellung beim Hofe ein, war bei dem Kurfürsten Joachim II. sehr beliebt und hatte die oberste Leitung über alle jüdischen Angelegenheiten. Der Kurfürst starb plötzlich, aber auf ganz natürliche Weise, und sein Nachfolger Johann Georg, der sich sofort aller Räte seines Vaters bemächtigte, nahm auch den Lippold gefangen. Doch sollte er schon wieder freigelassen werden, als man, veranlasst durch eine im Zorn ausgesprochene Aussage seiner Frau, ihn des Mordes des verstorbenen Kurfürsten beschuldigte, Zauberbücher, die sich in seinem Besitze fanden, als angebliche Beweisstücke, gegen ihn vorbrachte, und die Zugeständnisse, die man durch grausame Folterqualen, diese allezeit wirksamsten Beweismittel, erhielt, als genügend wähnte, um den Angeklagten als Verbrecher zu richten. So starb Lippold eines schmählichen Todes, seine Familie und seine Glaubensgenossen wurden für ewige Zeiten aus dem Lande gejagt (1573).

Es ist nicht unsere Aufgabe, die hier kurz angedeuteten Ereignisse näher zu verfolgen. Sie gehören dem Mittelalter an; der Zeitraum aber, dem unsere Betrachtung gilt, ist der der neuen Zeit, die wegen ihrer Anschauungen und ihrer Taten diesen Namen wirklich verdient, die in langsamem aber stetigem, materiellem und geistigem Fortschritt Ideen der Gleichheit und Freiheit zu Tage fördert, in der aus wenigen, verachteten, nur niedriger Beschäftigung hingegebenen Ansiedlern eine mächtige, geehrte, in allen Berufsarten, Künsten und Wissenschaften reich vertretene Gemeinde entstanden ist. Ein getreues, schmuckloses Bild aus dieser schönen Entwickelung, mit Liebe zum Gegenstande, aber mit eben so großer Achtung vor der geschichtlichen Wahrheit gezeichnet, sollen die folgenden Blätter bieten.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte der Juden in Berlin