Geschichte der Juden in Berlin
Nach den Akten des Geh. Staats-, des Ministerial-, des Stadt, und des Gemeinde-Archivs, nach gedruckten Quellen und den Materialien des Herrn L. Landshuth.
Autor: Geiger, Ludwig Moritz Philipp, eigentlich: Lazarus Abraham Geiger (1848-1919) deutscher Literatur- und Kulturhistoriker sowie Vertreter des Reformjudentums, Erscheinungsjahr: 1871
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Juden, Judentum, Preußen, Berlin, Kulturgeschichte, Religion, Sozialgeschichte, Sittengeschichte
Die vorliegende Arbeit ist durch eine an mich ergangene ehrenvolle Aufforderung des Vorstandes der hiesigen jüdischen Gemeinde veranlasst worden. Der Vorstand hat dann den ersten Teil des Werkes, der in zusammenhängender Darstellung die Geschichte erzählt, als Festschrift bei der Feier des 200jährigen Bestehens der Gemeinde, am 10. September 1871, allen Mitgliedern derselben zugehen lassen; der zweite Teil, der in dieser für das größere Publikum bestimmten Ausgabe mit dem ersten vereinigt ist, wie er überhaupt in notwendiger Verbindung mit ihm steht, enthält die wissenschaftliche Begründung und Ausführung der in jenem angeführten Tatsachen und Behauptungen.
Die Quellen zu diesem Werke sind nach einer vor Beginn der Arbeit übernommenen Verpflichtung bereits auf dem Titel zusammengestellt.
[weiter unter Vorrede]
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Die Quellen zu diesem Werke sind nach einer vor Beginn der Arbeit übernommenen Verpflichtung bereits auf dem Titel zusammengestellt.
[weiter unter Vorrede]
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Inhaltsverzeichnis
- Die Gründung der Gemeinde nach Außen und Innen (1671-1714)
- Die ersten Schicksale seit der Aufnahme (1671-1688)
- Bis zur Herstellung der Synagoge
- Die eiserne Zeit (1714-1750)
- Innere Hebung und äußere Befreiung (1750-1812)
- Der Kampf gegen das General-Privilegium von 1750
- Geistige und sittliche Wiedergeburt
- Juden und Christen
- Versuche und erlangte politische Reform
- Der jüdische Bürger im preußischen Staat (1812-1871)
- Die Folgen des Edikts von 1812
- Die Neugestaltung der Gemeinde
- Erneuter geistiger und religiöser Aufschwung
- Die Gegenwart
- Zur Vertreibung der Juden aus Wien. Tobias Cohn
- Jüdische Studenten in Frankfurt. Joseph Athias
- Die ersten Ansiedler. Israel Aaron
- Kirchhof. Älteste Bestimmungen. Hofjuden
- Erste Handwerker. Unvergleitete Juden
- Die unvergleiteten Juden
- Hausvogt und Magistrat. Beschränkungen
- Bendix Levi
- Das Reglement von 1700
- Literarische Bewegungen gegen die Juden
- Das Alenugebet. Eisenmenger
- Anschuldigungen und deren Bestrafung
- Gerichtsbarkeit. Judenkommission
- Die Ältesten und die Gemeinde
- Markus Magnus und Jost Liebmann
- Familie Liebmann
- Der Bau einer Synagoge
- Die Synagoge
- Schriften von Brandes und Jablonsky
- Literarisches. Aaron ben Samuel. Buchdrucker
- Die ersten jüdischen Buchdrucker
- Kulturgeschichtliches
- Die erste Zeit Friedrich Wilhelm I.
- Untersuchung der Kassenverhältnisse der Gemeinde
- Bestimmungen der Ältesten und Rabbiner
- Tätigkeit der Ältesten
- Die Ältesten. Streitigkeiten in der Gemeinde. Gumpertz
- Materielle Lage. Besondere Privilegierung Einzelner
- Die Salzburger. Versuche zu einem neuen Reglement
- Das Reglement von 1730
- Reduktion auf 130 Familien
- Umquartierung der Juden. Rabbiner Moses Aaron
- Manitius. Erste Bestimmungen Friedrich II.
- Einzelne Bestimmungen. Ansetzung zweier Kinder.
- Fabriken. Beschränkungen des Handels.
- Asnières. Erhöhung einzelner Abgaben
- Porzellanabnahme. Kontributionen
- Ankauf des königl. Perlbettes. Naturalleistungen
- Gemeindeetat. Bankrutte
- Haftbarkeit der Gemeinde bei Diebstählen
- Solidarische Haftbarkeit. Pfand- und Wechsel-Recht
- Einzelne Bestimmungen. Gemeindeverhältnisse
- Rabbinische Gerichtsbarkeit. „Ritualgesetze der Juden“
- Mendelssohn. Gumpertz. Gellert. Lessing
- Mendelsohns Predigten. Wirksamkeit für die Juden
- Schulen. Das Armenkinderhaus. Die Freischule
- Freunde und Schüler Mendelssohns
- Die Münzjuden. Ephraim
- Schriften gegen Ephraim. Seine mächtige Stellung
- Generalprivilegien und Rechte christlicher Kaufleute
- Generalprivilegien. Naturalisationspatent
- Das Naturalisationspatent der Familie Itzig
- Aufhebung des mosaischen Rechts
- Die Salons und die Halbbildung
- Friedländers Sendschreiben. Dohm und seine Gegner
- Hartmann. Dohm. Friedrich Wilhelm II.
- Versuch einer politischen Reform. 1787-1792.
- Versuch einer Reform. Aufhebung der Porzellanabnahme
- Abschaffung des Leibzolls. Kleine Beschränkungen
- Aufhebung der solidarischen Haftbarkeit bei Diebstählen
- Zensurkommission. Ein Brief Hippels
- Gesetze für die Juden in Breslau und Ostpreußen. Handwerke
- Die Juden als Stadtbürger
- Neue Bemühungen für Reform. Brand. Schrötter
- Schrötters Schreiben an den König
- Neue Bemühungen für Reform der jüdischen Verhältnisse
- Versuche zur Reform. Hardenberg und die Berliner Ältesten
- Der Freiheitskrieg und die Juden. Beginn der Reaktion
- Judenfeindliche Schriften. Salomo Sachs und M. Burg
- Kleine Beschränkungen. Namen der Juden
- Provinzialstände. Die „Norm“ für die Gemeinde
- Stellung und Tätigkeit der Ältesten
- Rubo. Regulierung des Armenwesens
- Armenwesen. Stiftung für Waisen
- Kultusangelegenheiten. David Friedländer
- Folgen von Friedländers Schriften. Hardenberg
- Friedländers Schriften und Gegenschriften
- Kultusangelegenheiten. Schriften von Muhr und Pappenheimer
- Der Beersche Tempel. Streitigkeiten in der Gemeinde
- Kultusangelegenheiten. Bellermanns Gutachten
- Der Streit um die Einrichtung des Gottesdienstes
- Die Freischule. Lazarus Bendavid
- Entfernung christlicher Schüler aus jüdischen Schulen
- Die Freischule. Privatschulen
- Pläne zu einer neuen Gemeindeschule
- Die Errichtung der Gemeindeknabenschulen
- Schulverhältnisse. Die Mädchenschule
- Gründung einer Religionsschule
- Seminarien. Die Lehrerbildungsanstalt
- Der Verein für Kultur und Wissenschaft der Juden
- Das wissenschaftlich Institut. Riesser
- Die neue theologische Schule. Streckfuss Gesetzentwurf
- Versuche zu neuen Judengesetzen. 1833. 1841 fg
- Befürchtungen wegen des Militärdienstes. Rabbiner
- Rabbinerwahl. Die Reform. Die neue Zeit
- Zur Geschichte des Judeneides. 1712-1869
- Die Vorgeschichte des Ediktes von 1750
- Der Schriftkampf für/gegen die Juden. 1803/1804
- Staatskanzler Goldbeck an Hardenberg
- Bericht des R. Borgstede an v. Hardenberg
- Bittschrift Grattenauers an v. Goldbeck
- Note des Zensors v. Hüttel, über das Imprimatur
- Hardenberg an Großkanzler Goldbeck
- Reglement für die Ober- und übrigen Ältesten, Kassierer, Armen- und Schulvorstehen der Berliner Judenschaft vom 15. Februar 1723 (St. A. R. 21. Nro. 203)
- Wahl der Ältesten, Kassierer, Vorsteher
- Wie sie ihr Amt vorstehen sollen
- Der Ältesten Zusammenkunft, Handlungen, Bücher
- Ort zur Zusammenkunft
- Entwurf eines Judengesetzes vom 16. September 1727
- Das Reformprojekt. 1787-1792
Einleitung
II. Anmerkungen, Ausführungen und Urkundliche Beilagen
Anmerkungen zum Ersten bis Vierten Buche
Ausführungen
Urkundliche Beilagen
Berlin ist keine mittelalterliche Stadt. Es datiert sein Bestehen allerdings bis in die ersten Jahrhunderte des zweiten Jahrtausends zurück (etwa 1225), aber es kennt nicht den Glanz und die Schmach, nicht die Würde und Niedrigkeit der altdeutschen Städte.
Die Stadt ist neu wie der ganze Staat. Als er ins Leben trat, fand er kräftige und bedeutende Genossen von allen Seiten vor, da galt es, sich als willfähriges Glied den anderen zu fügen, oder durch Macht und Hoheit über Alle zu triumphieren; die Geschichte lehrt, wie ihm letzteres gelang.
Der preußische Staat hat in seinem ganzen Bestehen eine wunderbare Fähigkeit gezeigt, nicht nur fremde, ausländische Elemente zu besiegen, sondern auch fremde Bestandteile, die in seinem Innern vorwalteten, mit gesunden Lebenskräften zu verschmelzen: die Juden waren als Fremde ins Land gekommen, es dauerte kaum ein Jahrhundert, bis sie sich als Bürger betrachteten.
Es gab Juden in Berlin von alten Zeiten an, aber die Nachrichten über sie sind höchst dürftig, noch dürftiger als aus anderen Städten, wo wenigstens ausführliche Meldungen über die Hauptereignisse der mittelalterlichen Judengeschichte: Vertreibung, Wiederaufnahme, Abgaben und Wucher uns vorliegen. Im Anfange des 14. Jahrhunderts schenkte die Markgräfin Agnes die vorhandenen Juden dem Magistrat, aber dieser erfreute sich seines Rechtes nicht lange, denn die Judenstürme, die durch die furchtbare Pest (den sog. schwarzen Tod) hervorgerufen wurden (1348/50) vertrieben die Juden auch aus Berlin. Die Synagoge, die bisher bestanden hatte, wurde von dem Markgrafen an einen christlichen Bürger geschenkt (1350). Seitdem scheint es eine öffentliche Synagoge nicht mehr gegeben zu haben, wenn es auch an gottesdienstlichen Zusammenkünsten der bereits 1354 wieder aufgenommenen Juden nicht fehlte, aber diese mögen in einem Privatgebäude stattgefunden haben; denn die Gemeinde, wenn man von einer solchen überhaupt reden will, war klein und ohne sonderliche Bedeutung.
[weiter unter Einleitung]
Die Stadt ist neu wie der ganze Staat. Als er ins Leben trat, fand er kräftige und bedeutende Genossen von allen Seiten vor, da galt es, sich als willfähriges Glied den anderen zu fügen, oder durch Macht und Hoheit über Alle zu triumphieren; die Geschichte lehrt, wie ihm letzteres gelang.
Der preußische Staat hat in seinem ganzen Bestehen eine wunderbare Fähigkeit gezeigt, nicht nur fremde, ausländische Elemente zu besiegen, sondern auch fremde Bestandteile, die in seinem Innern vorwalteten, mit gesunden Lebenskräften zu verschmelzen: die Juden waren als Fremde ins Land gekommen, es dauerte kaum ein Jahrhundert, bis sie sich als Bürger betrachteten.
Es gab Juden in Berlin von alten Zeiten an, aber die Nachrichten über sie sind höchst dürftig, noch dürftiger als aus anderen Städten, wo wenigstens ausführliche Meldungen über die Hauptereignisse der mittelalterlichen Judengeschichte: Vertreibung, Wiederaufnahme, Abgaben und Wucher uns vorliegen. Im Anfange des 14. Jahrhunderts schenkte die Markgräfin Agnes die vorhandenen Juden dem Magistrat, aber dieser erfreute sich seines Rechtes nicht lange, denn die Judenstürme, die durch die furchtbare Pest (den sog. schwarzen Tod) hervorgerufen wurden (1348/50) vertrieben die Juden auch aus Berlin. Die Synagoge, die bisher bestanden hatte, wurde von dem Markgrafen an einen christlichen Bürger geschenkt (1350). Seitdem scheint es eine öffentliche Synagoge nicht mehr gegeben zu haben, wenn es auch an gottesdienstlichen Zusammenkünsten der bereits 1354 wieder aufgenommenen Juden nicht fehlte, aber diese mögen in einem Privatgebäude stattgefunden haben; denn die Gemeinde, wenn man von einer solchen überhaupt reden will, war klein und ohne sonderliche Bedeutung.
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Friedr. Wilhelm II. Berliner Biskuitporzellan 1793.
Opernhausplatz nach dem Stich von Fünck, 1743
Der Gensdarmenmarkt Ende des 18. Jahrhunderts. Ölgemälde im Märkischen Museum.
Oranienburger Tor von Gontard 1788 (abgebrochen).
Die ehemalige Börse am Lustgarten von Becherr 1801.
Friedrich II. (1712-1786) genannt der Große
000. Titelbild: Andreas Schlüter, Kopf des Großen Kurfürsten, Vorderansicht
011. C. T. Fechhelm, Die Lange Brücke. Ölgemälde um 1770. Berlin. Hohenzollern-Museum
012. P. Schenck. Stich des Schlüterschen Entwurfs für das Berliner Schloss. Um 1700
013. J. Rosenberg, Ansicht der Langen Brücke mit Schloss und Denkmal. Kupferstich, 1781