Alp

Der Sage nach ist dieses eine unförmliche Bestie, welche des Nachts den Leuten in den Betten erscheint, auf sie fällt, sie drückt, peinigt, schlägt, kneipt, und sich von ihnen tragen lässt. Und was lässt sich gegen diese Meinung wohl rechtliches einwenden, wenn man die blauen Flecke, die Striemen, die Wunden und so viel andere Spuren einer erlittenen Gewalttätigkeit an Leuten sieht, welche des Nachts von einem Alpe so übel misshandelt worden sind? Wie kann man wohl kräftigere Beweise von dem Dasein eines solchen Ungeheuers fordern? Nichtsdestoweniger und trotz aller dieser Beweise muss man den Alp in die Reihe der Undinge setzen, da die Ärzte gefunden haben, dass ein ängstlicher Traum, welcher von ganz natürlichen Ursachen herrührt, alle diese Gewalttätigkeiten an einem Schlafenden ausüben kann. Wenn vollblütige Leute mit dem Kopfe zu niedrig, oder zu lange auf dem Rücken liegen, so empfinden sie eine Beängstigung, weil ihnen das Atemholen beschwerlich wird, und diese beschwerliche Empfindung setzt die Einbildungskraft in Bewegung, welche sich mit leichter Mühe Gespenster und Unholde erdichtet, denen, man die Qualen zur Last legt, die man aus sich selbst leidet.

Eben dieses geschieht, wenn man sich nach einer starken Mahlzeit von lauter blähenden Speisen, oder mit schwermütigen Gedanken, besonders wenn man vollblütig ist, auf den Rücken und mit dem Kopfe zu niedrig legt, so wird bald das Gespenst erscheinen, uns drücken und umbringen wollen. Die Empfindung ist wirklich, aber das Gespenst ist falsch. Durch die Befreiung von der Vollblütigkeit, durch mäßige Abendmahlzeiten von leichten Speisen, durch eine gehörige Lage des Körpers im Schlafe, und durch alle die Mittel, welche das dicke Blut verdünnen, die Verstopfung im Unterleibe auflösen, die Verdauung befördern, und die Krampfe heben, kann man den scheußlichsten Alp in kurzer Zeit vertreiben. Seitdem dieses die Ärzte getan haben, ist er von vielen Leuten gewichen. Wenn auch einmal ein Mädchen der Alp drückt, so sieht er doch noch einem Menschen, aber nicht mehr dem Teufel und seinen Konsorten ähnlich. Er drückt auch nicht mehr so heftig, als vor Zeiten, und wegen der Wechselbälge, die er ehedem wohl hinterlassen haben soll, ist ja keine Sorge mehr. Denn man hat in den neuern Zeiten von ihm oft die wohlgestaltetsten Kinder gesehen.