Ähnlichkeit der Kinder mit den Eltern

Sind die Kinder im eigentlichen Verstande ihren Eltern ähnlich? Eine Frage, die wir vielleicht nie mit Gewissheit beantworten werden! Die Zergliederung scheint gegen diese Ähnlichkeit zu streiten. Wenn die Menschen einander ähnlich wären, so wäre eine Beschreibung, eine Abbildung der Schlagadern z. B. an der Hand hinlänglich. Wenn sie einmal dem Urbilde ähnlich wären, so würden sie es allemal bleiben. Aber von dieser bequemen Ähnlichkeit finden wir die Natur weit entfernt. Es sind niemals zwei Menschen gesehen worden, in denen nicht alle Nerven, alle Schlagadern, alle zurückführende Adern, selbst die Muskeln — selbst die Knochen unendlich von einander verschieden wären. Diese Verschiedenheit herrscht in der ganzen Natur, und kein Kraut ist jemals demjenigen ähnlich gewesen, aus dessen Samen es entsprossen —. Das Kind ist überdies in seinem Baue von dem Vater ganz verschieden, und hat Teile, die überhaupt den Eltern fehlen. Es sind große Nabelschlagadern, ein eiförmiges Loch und eine doppelte Reihe Zähne vorhanden. Ja was noch mehr ist; ein Hottentot, der nur einen Hoden hat, ein Schweizer, dem man, aus einem für das arbeitsame Landvolk vereinigten unglücklichen Hange der Natur und der Kunst, den einen Hoden in der Kindheit ausschneidet, zeugt einen Sohn mit zwei Hoden. Ein Mann, der eine Hand, ein Bein, ein Auge verliert zeugt auch einen vollständigen Sohn. Das Kind ist also in dem ganz feineren Bau ohne Ausnahme, und sehr oft im groben Bau von seinen Eltern unterschieden, und allemal reicher an verschiedenen Teilen als dieselben.

Aber haben die Kinder in ihren Gesichtszügen nicht einige Ähnlichkeit mit ihren Eltern, besonders mit dem Vater? Besonders ist diese Frage wichtig, da man sich oft auf diese Ähnlichkeit beruft, um die Rechtmäßigkeit oder Unrechtmäßigkeit des Kindes daraus herzuleiten: allein diese vermeintlich erforderliche Ähnlichkeit der Gestalt mit Vater oder Mutter kann hier nichts entscheiden, da ein neugeborenes Kind keine bestimmte Physiognomie hat, und Meinung oder Einbildung hier Ähnlichkeit und Unähnlichkeit nach Belieben schaffen oder vertilgen kann — auch sind gegen die Beispiele der ihren Eltern ähnlichen Kinder eine weit größere Menge von andern vorhanden, die nichts erkennbares, nichts ähnliches von ihren Eltern an sich haben.

Jedoch gibt es Fälle, da die Ähnlichkeit mit einem andern Vater den Ehebruch der Mutter, und also die Unrechtmäßigkeit des Kindes entdeckt, nämlich alsdann, wenn Leute von verschiedenen Rassen beisammen sind, als wenn eine Europäerin, die mit Mohren, Negern, Mongolen, Amerikanern u. s. w. zusammenkommt, ein Kind gebiert, das in der Farbe des ganzen Körpers, oder eines einzelnen Teiles, oder in der Bildung des Gesichts von dem Gewöhnlichen zu sehr abweicht, so ist der europäische Mann nicht der wahre Vater. Die männliche Samenfeuchtigkeit, indem sie den Keim belebt, und durch ihr Phlogiston den Bildungstrieb in ihm erregt, scheint in der Entwicklung der Teile und ihrer Ausbildung, eine große Rolle zu spielen, daher sich diese Ähnlichkeitszüge herleiten lassen. Man weiß ja, wie stark der Einfluss ist, den die Nahrungsteile nach ihrer Beschaffenheit in die Farbe organisierter Körper haben — Die Färberröte färbt die, Knochen der Tiere, die davon fressen, rot. In den Pflanzen verändert man die Schattierungen, wenn man unterschiedliche Arten von Farben einspritzt. Eben so scheint es sich hier zu verhalten.


Das schöne Geschlecht ist zwar in diesem Falle sinnreich genug, um sich durch eine Ausflucht zu helfen, und zu behaupten: „eine solche „Farbe — eine solche Ähnlichkeit, sei eine Folge der erhitzten Phantasie, der feurigen Einbildungskraft.“ Es ist wahr, diese Meinung ist uralt und hat von jeher unter den Ärzten viele Gönner gefunden — man beruft sich auf die alten Spartaner, welche die Gewohnheit hatten, ihren schwangeren Weibern die schönsten Personen beiderlei Geschlechts vorzuführen, damit auch sie solche Kinder gebären möchten; man führt das Beispiel des Dionysius, eines Königs von Sizilien an, welcher, während der Beiwohnung, da er selbst hässlich von Gestalt war, seine Weiber ein schönes Bild betrachten ließ. Allein diese Meinung ist unbegründet. Jeder, man weiß, dass bei einer ehelichen Umarmung, wenn sie fruchtbar sein soll, das Gemüt mit keinen andern Gegenständen, sondern lediglich mit dem gegenwärtigen Akt beschäftigt sein muss. Ist die Einbildung des Frauenzimmers mit andern Gegenständen beschäftigt — oder hat der Mann andere Gedanken in dem Kopf, so werden keine Kinder gezeugt werden. Ja es gebären viele Mütter Kinder, welche den Groß- und Urgroßeltern ähnlich sind, die sie noch niemals gesehen haben. Ferner wissen wir, dass die Türken ihre Frauenzimmer in ihrem Serrail durch schwarze Verschnittene verwahren, welche sie suchen so ungestalt und abscheulich zu machen, als es nur immer möglich, damit der Sultan seinen Damen schöner und angenehmer scheinen möge, und doch ist es gewiss, dass die Sultaninnen allezeit weiße Kinder zur Welt bringen, welches deutlich beweist, dass die Einbildungskraft ihre Wirkung nicht äußern kann. Denn warum kamen denn diese Sultanninnen, die mit diesen schwarzen Missgeburten, welche sie mit Abscheu betrachten, beständig umgeben sind, nicht auch von Zeit zu Zeit mit einem Kinde nieder, das eben so ungestaltet ist, und die nämliche Farbe hat?