Abschnitt. 1

Dem Werke des verewigten Sartorius über die Geschichte des hanseatischen Bundes ist seit seinem ersten Erscheinen im Jahre 1802 durch sehr allgemeine Anerkennung eine Stelle unter den ausgezeichnetsten Leistungen über deutsche Geschichte angewiesen worden. Erfreulich ist es die Würdigung zu betrachten, welche demselben durch die damaligen Zeitgenossen zu Theil wurde, namentlich durch Johannes von Müller*), denjenigen Geschichtsforscher, welcher zur Beurtheilung desselben, durch die ausgebreitete Kunde, welche er vom Mittelalter besass, vorzüglich berufen war. Wirklich darf auch noch heute Deutschland sich weniger Werke rühmen, in welchen treffliche Gesinnung und ein in jenen Tagen gar seltenes, eifriges Studium urkundlicher Quellen mit einer so glücklichen Anwendung der Einsicht gegenwärtiger Staats - und Lebens-Verhältnisse auf die Darstellung der Vergangenheit sich in ähnlicher Maasse vereinigt finden.

Die Lücken und Unvollkommenheiten seines Werkes waren jedoch Niemanden weniger verborgen als dem Verfasser, welcher sich damals vergeblich bemüht hatte, den Zutritt zu denjenigen Archiven zu erhalten, welche die wichtigsten für seinen Gegenstand schienen und der die Schwierigkeiten der Benutzung selbst mancher der gedruckten Quellen der Städtegeschichten vielfach erfahren hat. Als aber nach der völligen Umgestaltung des ehemaligen deutschen Reiches der Zutritt zu vielen städtischen Archiven und die Benutzung der in denselben enthaltenen reichen historischen Fundgruben von den Behörden ohne Schwierigkeiten gestattet wurde, auch nach der Befreyung des Vaterlandes mit der bessern Verwaltung ein neubelebtes Interesse an deutscher Geschichtsforschung erwacht war: so säumte Sartorius nicht seine besten Kräfte einer solchen neuen Bearbeitung des sich angeeigneten Stoffes zuzuwenden, welche er das Werk seines Lebens mit gerechter Freude nennen dürfte.


Die zahlreichen Mittheilungen, welche die grösstentheils von ihm selbst durchsuchten Archive, besonders von Lübeck und Cölln, dann aber auch von Hamburg, Bremen und anderen ehemaligen Hansestädten, ihm darboten, so wie andere, die durch befreundete und für sein Thema begeisterte Gelehrte, unter denen H. von Schröter zu Rostock vor allen hier zu nennen ist, ihm überlassen wurden, häuften sich jedoch bald so sehr an, während dennoch so vieles andere fehlte und genauster Nachforschung bedurfte, dass Sartorius schon vor einigen Jahren seinen Plan der Umarbeitung auf die Geschichte des Ursprungs der Hanse, in derjenigen Periode, welche in dem ersten Theile des altern Werkes dargestellt wird, also bis zum Jahre 1370, beschränkte. Dieser Entschluss schien dem Interesse der Wissenschaft um so entsprechender, da die mitzutheilenden zahlreichen Urkunden und Acten, für deren diplomatische Zuverlässigkeit nicht ohne grossen Zeitaufwand beym Abschreiben und Vergleichen Gewähr geleistet werden kann, vielfacher Sprach- und Sach- Erläuterungen bedurften, deren Auffindung bey der Grösse des Schauplatzes, auf welchem die ersten einzelnen Keime der Hanse hervorsprossen und der Geringfügigkeit dessen, was für allgemeine Handelsgeschichte bisher vorgearbeitet ist, unermüdliche Anstrengungen und den stets geschärften Blick der umsichtigen Kritik bey Benutzung der vorhandenen Hülfsmittel in Anspruch nimmt. Auch sind die späteren Zeiten der Hanse in seinem älteren Werke bereits so ausführlich geschildert, dass das Bedürfniss einer neuen Bearbeitung desselben vielleicht nur von einigen hanseatischen Geschichtsfreunden für einzelne Abtheilungen desselben empfunden seyn mag; dagegen für die erwählte Periode die reiche Masse der zu liefernden bisher unbekannten Urkunden für die Geschichte aller Länder des nördlichen Europas neue Aufklärungen darbietet, während die Geschichte des hansischen Bundes selbst ein in Klarheit und Fülle anschauliches Leben gewinnt. Was Sartorius leistete, um hier allen Ansprüchen zu genügen, welche die seit seinen früheren Bildungsjahren sehr umgestaltete Wissenschaft fordert, davon können zahlreiche Gelehrte ein ehrenwerthes Zeugniss ablegen, wie namenthch G. F. Benecke, Jacob Grimm, C. v. Schlözer, deren mitwirkende Bemühungen und Belehrungen öffentlich anzuerkennen, der Herausgeber als einen heiligen Auftrag des Verfassers glaubt betrachten zu dürfen, so wie andere, deren an den geeigneten Orten dankbar gedacht ist. Besonders wird den gelungenen Bestrebungen die Geschichte des ältesten deutschen Handels nach Russland aufzuklären, ehrende Anerkennung nicht versagt werden dürfen.

Wenn Sartorius in der Sammlung und Bearbeitung der Urkunden bewährte, wie gewissenhaft er seinem Gegenstande und der Wissenschaft jeden neuen Gewinn zuzuwenden strebte: so wird ihm um so weniger verdacht werden, wenn er in der Darstellung sich an den von ihm bey der ersten Bearbeitung dieses Stoffes dargelegten und als zweckmäßig erprobten Grundsatz hielt, lediglich die Geschichte des Vereines darzustellen, nicht aber die derselben verwandte Geschichte einzelner Städte und Reiche in jene zu verweben. Der Geschichtsforscher wird sogar nicht nur für letztere, sondern auch für jene manche in der kurzen Geschichtserzählung nicht benutzte Ausbeute finden, so wie namentlich es ihm überlassen bleibt, die in manchem Betracht anziehenden und unschwer verständlichen Recesse der Hanse, glaubwürdiger und inhaltsreicher, als sogar eine gleichzeitige Chronik es zu seyn vermag, selbst ferner zu benutzen.



*) Seine Recension, zuerst abgedruckt in der Jenaer allg. Literatur - Zeitung y. J. 1804, findet sich in seinen Werken Th. XI. S. 1-25.