8. Vorbereitung zum neuen Kampf.

Im slavischen Lager zu Castelnuovo erwartete man mit Ungeduld die Antwort des Zaren auf die wegen Nichtauslieferung der Bocca gesandte Bittschrift, Lauristons Verhandlungen scheiterten allenthalben. Er gab sie auf, oder besser gesagt, er übergab sie dem gerade angekommenen Generalissimus der französischen Armee für Dalmatien, dem General Marmont. Am 2. August langte dieser in Ragusa an. Er fand, wie er selbst behauptet,[37] die Armee in einem ganz elenden Zustande. Die französischen Truppen in Dalmatien sollten aus den Mitteln unterhalten werden, die sie von dem Militärlager in Italien bekamen. Die Unterstützung war aber mangelhaft und unregelmässig. Die Kriegkommissäre, die die Lebensmittel aus Italien expedierten und die, welche dieselben in Dalmatien empfingen, lieferten der Armee das verdorbene Korn. «Le pain était infect, les hôpitaux étaient dans le plus grand abandon, les casernes sans fournitures; tout était dans l'état le plus déplorable; plus du quart de l'armée était aux hôpitaux, où la mortalité était effrayante: c'était pire que ce que j'avais trouvé deux ans et demi avant en Hollande.[38] So sagt Marmont, nicht aber von dem Zustande der Armee in der Bocca allein, sondern in Dalmatien überhaupt.

Marmont gab sich alle Mühe, diesen unheilvollen Zustand zu bessern. Er machte die dalmatische Armee finanziell unabhängig von der italienischen. Fleischlieferungen bestellte er von Bosnien, wo das Vieh billig war und Kornlieferungen von Pola und Triest.[39] Grosse Sorgfalt widmete er insbesondere den bis dahin ganz vernachlässigten Spitälern. Es gab zu wenig Spitäler, nämlich nur ein einziges in Zara, sodass viele kranke Soldaten starben, bevor sie ins Spital gebracht werden konnten. Er vermehrte die Spitäler, er richtete sie gut und zweckmässig ein. Somit verminderte sich die Sterblichkeit der Soldaten merklich.[40]


Marmont war überrascht, dass man in der Bocca keine Notiz davon nahm, dass das Land nach dem abgeschlossenen Vertrag vom 20. Juli sofort an die Franzosen auszuliefern sei. Er kam nach der Bocca in der festen Ueberzeugung, dass er nichts anderes zu tun haben werde, als bloss das Land zu besetzen ohne Kampf und Krieg. Als seine Hauptmission betrachtete er, den Bedürfnissen der Armee nachzukommen, die ungeheuer waren.[41]

Die Situation war aber eine ganz andere, und demgemäss musste er nun handeln. Er erinnerte den russischen Admiral an den Pariser Vertrag. Senjavin gab eine zögernde Antwort mit der Bemerkung, dass der Vertrag, obwohl abgeschlossen und durch die Unterhändler unterzeichnet, noch nicht durch den Zaren bestätigt worden wäre. Unterdessen erfuhr Marmont, dass das slavische Heer in der Bocca bei Castelnuovo Verstärkungen erhalte. Es ging auch ein Gerücht durch das Land, dass die Slaven an die Fortsetzung des Krieges dächten. Dem französischen General blieb somit nichts übrig, als sich selber zum Kampfe vorzubereiten. Mit grosser Eile liess er zwei Festungen konstruieren, die eine auf dem oberhalb Ragusa sich befindenden Berge Sancto-Sergio und die zweite auf dem ersten Posten, unweit davon. Grossen Wert legte er auf die Freundschaft mit den benachbarten Türken von Bosnien und Herzegovina. Er knüpfte freundschaftliche Beziehungen mit dem Agha von Mostar, mit dem Pascha von Trebinje und dem Vezier von Bosnien an. Er machte ihnen manche Geschenke in Waffen und Berggeschützen.[42]

Da die wiederholten Vorstellungen bei Senjavin keinen Erfolg hatten, rückte Marmont sein Heer bis ins Gebiet von Castelnuovo vor. Ein Waffenstillstand war am 14. August zwischen Senjavin und Lauriston abgeschlossen worden, der noch Gültigkeit hatte. Bei dem kleinen Hafen Molonta stellte er auf dem Berge seine Batterien auf und traf auch bei Ostro viele Vorkehrungen.

Unterdessen kam der kaiserliche Feldjäger und brachte das Gebot des Zaren vom 12. August an seine Armee, den Kampf unverzüglich fortzusetzen. Dass Alexander den Vertrag Oubrils vom 20. Juli nicht anerkennen wollte, das hatte Senjavin schon vorher erfahren, und das wussten auch manche bokelische Führer. Der kaiserliche Bote nun bestätigte das, was eine allgemeine Freude im slavischen Lager und in der ganzen Bocca hervorrief. Am 12. September, anlässlich der Namenstagfeier des Zaren, teilte Senjavin im geheimen mit, dass der Krieg bald wieder eröffnet werden solle.[43] Man bereitete sich vor, soweit man dies noch nicht war. Von Korfu kam auf Befehl Senjavins der General-Major Popondopuli mit weiteren Infanterieabteilungen, die er auf der Insel in Bereitschaft hatte. Das russische reguläre Heer betrug 3000 Mann, die Zahl der Bokelen und Montenegriner war 6000 Mann.[44] Die russische Flotte bestand aus 22 Kriegsschiffen, unter denen 12 Schiffe Kreuzer waren. Die Bokelen hatten auch eine ziemliche Anzahl von Handelsschiffen, die jetzt zum Krieg verwendet wurden. Diese waren natürlich klein, aber eben deshalb leicht lenkbar und insbesondere gut passend für die enge Bucht di Cattaro, wo die grossen Kriegsschiffe nur mit Mühe sich drehen konnten.