7. Oubrils Vertrag.

Wir haben schon im ersten Kapitel erwähnt, wie sich die politische Situation der europäischen Grossmächte in einem beständigen Hin-und Herschwanken befand. Napoleon hetzte Oesterreich gegen Russland, dieses stand in Ungewissheit, mit wem es nach der Niederlage von Austerlitz halten sollte; in England war seit dem Tode Pitts (23. Januar 1806) eine Wendung in der äussern Politik eingetreten. Diese war, wenn auch nur für kurze Zeit, von Einfluss auf die Lage des übrigen Abendlandes. Das Ministerium Fox-Grenville kam im britischen Reiche ans Staatsruder. Man erwartete allerwegs, dass Fox, der mächtigste Gegner der kriegerischen Politik Pitts, einen neuen Weg in der äusseren Politik einschlagen werde. Man täuschte sich auch nicht. Fox trieb seinem Charakter gemäss eine friedfertige Politik. Er hegte innige Freundschaft für Frankreich. Ein Briefwechsel zwischen ihm und Talleyrand zeigt dies zur Genüge. Er wollte unverzüglich den Krieg mit Frankreich beilegen.

Man kannte in Petersburg die Gesinnung und die Politik des neuen englischen Ministers. Unter Rücksichtsnahme auf die Tatsache, dass dieser Mann jetzt die Führung Englands, d.h. des russischen Verbündeten, hatte, wie auch auf die Absicht Napolens, Oesterreich von Russland loszumachen, entschloss man sich am kaiserlichen Hofe, eine Annäherung an Frankreich zu versuchen. Weil England denselben Schritt zu tun im Begriffe war, war das schon an sich ein genügender Grund, dass auch die Russen zu Napoleon in freundschaftliche Beziehung treten wollten. Daher sandte Alexander den Staatsrat Oubril, den ehemaligen Geschäftsträger in Paris, nach Frankreich. Oubril hielt auf der Durchreise sich in Wien auf und versicherte dem Hofe und dem Grafen Stadion, dass er Instruktionen bekommen habe, bei dem Abschluss von Verträgen auch Oesterreichs Interessen zu wahren.[34] Man atmete in Wien ein wenig freier auf. Diese Versicherung konnte insbesondere den Grafen Stadion beruhigen, da er durch dieselbe nun gewiss war, dass Oesterreich nicht gezwungen werde, sich auf die Kniee vor Napoleon zu werfen.


Es war klar, dass es für die Verbündeten vorteilhafter sei, gemeinsame Friedensunterhandlungen mit Napoleon zu führen. Dem Betragen des russischen Bevollmächtigten nach aber schien es, als ob Oubril die Instruktionen des Zaren hätte, nötigenfalls auch Separatverhandlungen zu übernehmen. Fox sträubte sich insbesondere gegen solche. Er wusste gut, dass Napoleon nur in dem Falle etwas abzuringen sei, wenn alle Verbündeten gemeinsame Sache machen würden. Nicht weniger war das auch Stadions Standpunkt.

Oubril wurde von Talleyrand mit grosser Zuvorkommenheit behandelt. Er versicherte den russischen Unterhändler, dass ein Friede mit Russland für Napoleon die wünschenswerteste Sache sei, wie auch, dass einem russisch-französischen Abkommen nicht viele Hindernisse im Wege ständen.

Auf das diplomatische Intrigenspiel brauchen wir hier nicht näher einzugehen. Für uns ist nur das Schicksal der Bocca di Cattaro während solch verwickelter diplomatischer Zustände wichtig. Talleyrands Forderungen an Russland gingen darauf hinaus, die Bocca solle den Franzosen geräumt werden. Nur dann könne die Rede sein von einer Räumung des österreichischen Territoriums seitens der Franzosen.

Das Abkommen wurde schliesslich zustande gebracht und am 20. Juli von den beiderseitigen Unterhändlern unterzeichnet. Die Hauptpunkte dieses Abkommens waren: Anerkennung von Napoleons Kaisertitel durch Russland, Räumung des österreichischen Bodens und Uebergabe der Bocca di Cattaro an die Franzosen. Inzwischen begann General Lauriston Verhandlungen mit Senjavin und den österreichischen Diplomaten, den Grafen Bellegard und L'Epin. Da er sich mit Senjavin wegen dessen zögernder Haltung nicht verständigen konnte, forderte er von den Bokelen, sich den Franzosen zu ergeben. Bellegard war entschieden dagegen. Denn er meinte, wenn die Franzosen die Bocca nicht von Oesterreich unmittelbar erhielten, so würde die Festung Braunau diesem letzteren verloren gehen.[35]

Lauriston machte Versuche, auch den Vladika Peter zur freundlicheren Gesinnung gegen die Franzosen zu bewegen. Er hatte erfahren, welch unwiderstehlichen Einfluss er auf die Bokelen hatte. Er wusste, dass keine Macht, folglich auch die Franzosen nicht, ohne seine Zustimmung in dieser Gegend ruhig und glücklich zu herrschen vermöchten. Lauriston machte dem Vladika viele Versprechungen. So verhiess er ihm z.B. im Auftrage Napoleons die Patriarchenwürde über ganz Dalmatien.[36] Selbstverständlich lehnte es der Vladika ab. Es gab eine Zeit, von welcher wir schon gesprochen haben, wo er willig war, mit den Franzosen in Bündnisverhandlungen einzugehen, wo er solche sogar sehnsüchtig wünschte. Diese Zeit war aber jetzt vorüber. Die Situation hatte sich geändert. Der Vladika wusste, dass sein Volk nach so vielem Blutvergiessen und nach so vielen Feindseligkeiten mit den Franzosen nicht frohen Herzens mit denselben jetzt ein Bündnis schliessen würde. Er kannte zu gut den Charakter dieses schlichten Volkes, das seine Gefühle nicht nach diplomatischen Erwägungen, sondern nach einem angeborenen Gerechtigkeitsmassstab regulierte. Dieses Volk vermochte nicht heute jemandes Freund zu werden, dessen Feind es gestern gewesen war.