Erstes Kapitel. Die Kinderjahre. 1780 - 1792

Aus: Wanderungen und Lebensansichten des Buchbinder-Meisters Adam Henß, Stadtältesten und Landtags-Abgeordneten der Stadt Weimar.
Autor: Henß, Adam (1780-1856) Buchbindermeister, Politiker, Publizist, Erscheinungsjahr: 1845
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Wanderungen, Lebensansichten, Sitten- und Kulturbild, Handwerk, Zünfte, Wanderschaft, Geschichte der Mainzer Buchbinder, Stadtältester, Landtagsabgeordneter
Inhaltsverzeichnis
Meine Vaterstadt ist das alte Mainz, mein Geburtsjahr (März 1780) gehörte einer Zeit an, die man als das Beginnen einer neuen Periode für das Menschengeschlecht bezeichnen kann. War auch Alles, was die nächste Zukunft brachte, schon durch den allgemeinen Ideengang in den früheren Tagen vorbereitet, so trat doch von nun an das lange Vorbereitete mit nie geahnter Schnelligkeit in das Leben und verfehlte auch auf mich seinen Einfluss nicht. Ich war der zweite und letzte Sohn meines Vaters (eines kurfürstlichen Stallbedienten), dessen etwas spärliches Einkommen der unermüdete Fleiß meiner Mutter um so viel, als zum ehrlichen Auskommen nötig war, erhöhte.

Meine Eltern waren strenge, rechtgläubige Katholiken und dazu wurde auch ich erzogen. Vaterlos schon im fünften Jahre, war ich mir um so mehr selbst überlassen, da meine gute Mutter des Broterwerbs wegen, oft Wochen lang die Tageszeit hindurch außer unserer Wohnung arbeitete.

Unzählige mal habe ich in meinem Leben den Spruch gehört: „die Erziehung macht den Menschen." Bis auf einen gewissen Punkt kann nichts richtiger sein, als diese Behauptung, aber meine Erfahrungen und Beobachtungen im Leben haben mir die Überzeugung gegeben, dass es auch dem besten Erzieher unmöglich bleiben muss, ein menschliches Individuum absolut nach einer bestimmten Richtung zu bilden. Die Grundzüge seines Charakters sind dem Menschen angeboren, die Erziehung kann hier mildern und scharfen, aber den Grundton wird sie schwerlich umwandeln; Alles, was das Kind umgibt, arbeitet meist unbewusst mit an dessen Erziehung, im Augenblick unbeachtete Worte oder Handlungen geben oft gleich dem tiefvergrabenen Samenkorn seiner Geistestätigkeit eine Richtung, welche von der wichtigsten Einwirkung auf sein Leben und Schicksal ist.

Meine Erziehung war zum größten Teil der Straße überlassen, wobei ich mich körperlich recht wohl befand, wenn gleich dieses Terrain der eigentlichen Erziehung nichts weniger als förderlich ist. Um das Gassenleben zu beschranken, kam ich frühzeitig in die Schule und lernte das ABC und Buchstabiren unter Kummer und Jammer, bis ein neuer Antrieb hinzutrat, der mir das Lesenlernen zum Spiele machte und mich bald den älteren Schülern gleichstellte.

Begierig hatte ich längst schon auf die Erzählungen meiner märchenreichen Mutter gelauscht, ich sprengte im Geiste mit den Haimonskindern auf dem edlen Ross Bayard durch die Feindesscharen, ich vergoss Tränenströme, als der zuletzt zum Betbruder gewordene undankbare Rinald das treue Ross niederstach; ich ballte die Fäuste bei den Untaten des schlechten Ritters Golo gegen Genoveva. Der gehörnte Siegfried, Kaiser Octavian u. s. w. kamen alle an die Reihe, ich lebte und webte im Kreise ritterlicher Ideen, so viel sah ich, ein tüchtiger Ritter müsse darein schlagen, er müsse den Schwächeren unaufgefordert beistehen und dürfe nicht davonlaufen. Da schnallte ich denn meinen Brustharnisch von Pappdeckel um, nahm meinen Schild und meine Streitaxt von Holz zur Hand, sprang auf die Gasse und schlug mich im Knabenkrieg auf die Seite der Schwächeren, hieb tüchtig mit drein, so dass ich nicht selten den Sieg erringen half, aber eben so oft auch tüchtige Schläge erhielt.

Meine Ritterlichkeit zog mir indessen den Namen eines bösen Buben, der sich in Alles mische, zu, die Strafen blieben nicht aus, ich nahm sie hin mit unverhehltem Trotz, denn ich hatte (nach meiner Meinung) ja nichts Unrechtes getan; ich hatte den Schwächeren geholfen, und war dabei nicht hinterlistig zu Werke gegangen! Wenn nun auch die Idee des materiellen ritterlichen Dareinschlagens, wie sich von selbst versteht, allmählich entschwand, so blieb von dem Kern derselben doch noch hinlänglich genug zurück, um mein ganzes Leben hindurch (wenn auch in anderer Weise) dieselben Wirkungen und Nachteile herbeizuführen, die ich schon in meiner frühen Jugend erfahren hatte.

In ein anderes Feld führten mich die Erzählungen aus der Legende der Heiligen, ich hörte ihnen andächtig zu, ohne je sonderlich erbaut zu werden, denn da wurde gefastet und gebetet, da stand Simon von Cyrene Jahre lang auf einer Säule und zwar nur mit einem Fuß, hier drehte sich Laurentius halb gebraten auf dem Rost herum und bot dem Tyrannen ein Stück von seinem Fleische an, dort nahm Alban sein abgeschlagenes Haupt in die Hände und spazierte damit ein paar tausend Schritte weit nach seinem Grabe.
In allen diesen und hundert andern Legenden lag so gar nichts, was die Phantasie oder den Verstand (selbst eines Kindes) ansprechen konnte, da war der Robinson Crusoe doch viel schöner! — Allein diese mannichfaltigen Erzählungen machten frühzeitig den Wunsch in mir rege, „doch bald lesen zu können." Die edle Buchstabierkunst, bei dem gehörnten Siegfried in Anwendung gebracht, ward nun zur Lust und bald hatte ich die altern Schulkameraden hierin überholt.

Die schimmernde Welt der Phantasie verschloss sich dem Knaben, dessen Begriff vom Leben noch nicht bis zum Ende der Schulzeit reichte; eine Kiste voll alter Bücher im Besitze meiner Mutter war mir ein wertvoller Schatz, da fanden sich neben Siegfried und den Haimonskindern, Bruchstücke der 1001 Nacht, Gespräche im Reiche der Toten, der Robinson Crusoe, der kuriose Antiquarius über alle vier Weltteilen usw. Aber das Fegefeuer meiner Jugend, stand in Schweinsleder neu gebunden und gut gehalten am Ehrenplatz auf der Kommode, doch davon später.

Meine innere Welt erhielt mit jedem Jahre eine neue Ausdehnung, ich lebte mit Robinson auf seiner Insel, segelte mit Columbus über das Atlantische Meer, war mit Cortez in Mexiko, und mit den Helden der 1001 Nacht in Bagdad, Balsora und Cathay und mit Prinz Balazin in Pegu.

Da fiel mir eine alte, lebhaft illuminierte Karte von Europa in die Hände — welch ein Glück! — aber leider! Schrift und Sprache war lateinisch! — ein gutmütiger Schüler in der Nachbarschaft las mir die Namen der Länder und Meere, die ich endlich glücklich auswendig lernte, aber dies war ja nur Europa, und meine Märchenwelt lag außerhalb dieses Weltteils. Mit Sehnsucht blickte ich nach dem umherwandelnden Italiener, der die schonen Karten zum Verkauf ausbot, die mir selten gespendeten Kreuzer wurden sorgfältig gespart, bis die Zahl von zwölf voll war. Um Alles auf einmal zu haben, kaufte ich mir das Planiglobium, dessen Rätsel mich lange Zeit beschäftigten und welchem endlich die noch fehlenden drei Erdteile folgten.

Gleich anziehend waren mir die Rechen-Übungen, besonders nach Anweisung einiger alten Rechenbücher, in welchen sich eine Menge Rätsel-Exempel, Kunststücke und Zauberquadrate befanden. Aus den Rechenbüchern unserer Zeit sind diese Zugaben als zwecklos, eben so wie die Vignetten auf den Landkarten verschwunden, ich kann ihr früheres Dasein nicht tadeln, denn sie waren eigentlich die Vermittler zwischen mir und den Gegenständen, welchen sie beigefügt waren. Obschon mein Wissen in diesen Fächern ein in unserer Zeit nur ganz gewöhnliches und allgemeines ist, so würde ich es doch in der Zeit meiner Jugend und bei meinen Lebensverhältnissen nicht erlangt haben ohne jene sinnlichen Anreizungen.

Ich komme nun zu dem Leiden, welches für mich aus den erwähnten Schweinslederhüllen und den von ihnen bewahrten Schätzen hervorging.

Diese dickleibigen Bande waren Pater Martins von Cochem Legenden der Heiligen und dessen Leben Christi; im Laufe einiger Jahre las ich diese Werke mehrmals durch, obgleich ihr Inhalt für mich wenig anziehend, sondern vielmehr beängstigend, peinigend und langweilig war; allein es waren fromme, gottesfürchtige Bücher, die lauter Gutes enthielten, Bücher, nach welchen man sich richten musste, um in den Himmel zu kommen, ein frommer und berühmter Pater — der gewiss noch heilig gesprochen werden wird — hatte sie geschrieben, die hohe geistliche Obrigkeit hatte sie approbiert — dies war gedruckt auf dem Titel zu lesen, was sie enthielten war reine Wahrheit und diese zu lesen ein gottgefälliges, gutes Werk, ebenso notwendig und geboten, wie das Morgen-und Abendgebet. Jedes Blatt der Legenden erzählte von Wundern, welche die lieben Heiligen gewirkt hatten.

„Aber Mutter", fragte ich einst, „vor Alters sind doch recht viele Wunder geschehen, ach! wenn ich doch auch einmal eins sehen könnte, warum geschehen denn jetzt keine mehr?"

„Ja die Leute sind jetzt zu gottlos und die Ketzerei nimmt überhand, es gibt so viele Freigeister, die an gar nichts glauben."

„Ja denke Sie sich einmal, da habe ich letzt mit dem Selheim (einem lutherischen Buchdruckergesellen, welchem meine Mutter ein Bett und eine Kammer vermietet hatte — der erste Protestant, welcher mir bisher vorgekommen war) disputiert, der will Alles nicht glauben! Wenn der liebe Herrgott doch einmal einen Engel mit dem feurigen Schwerte unter die Ketzer schickte, da müssten sie doch sehen, dass ihr Dickkopf ein Lügenmaul war, der muss tief in der Hölle sitzen."

Man sieht, ich war ein achter, rechtgläubiger Katholik, voll Eifer für den Glauben, die priesterliche Autorität und Alles, was damit zusammenhing. Jedes aus kirchlicher Quelle entsprungene Wort war mir ein Heiligtum, welches zu bezweifeln schon die Höllenstrafe verdiente, und doch hatten die Keime zu langjährigen Glaubenskämpfen in meinem Innern, von mir selbst ungeahnt, Wurzel geschlagen. Warum, fragte ich mich, hat sich wohl Simon von Cyrene so viele Jahre lang mit einem Beine auf die hohe Säule gestellt? was hat er denn dem lieben Herrgott damit gedient? — Andere heilige Männer geißelten sich täglich blutig, Einige trugen härene Gürtel und eiserne Fesseln um den Leib, so dass ihr Fleisch wund gerieben wurde und Würmer in demselben wuchsen, ein solcher Heiliger hob den herabgefallenen Wurm auf und legte ihn mit den Worten: „du bist Fleisch von meinem Fleisch" wieder in die Wunde! Ein nicht auszusprechender Ekel ergriff mich über diese Art von Heiligkeit. Pfui! rief ich — aber ich glaubte und warf mir meine Gemütsbewegung als Sünde vor. — Anderen Heiligen erschien der Teufel in Gestalt schöner Frauenpersonen, um sie zu versuchen; sie geißelten sich, wälzten sich auf Dornen und glühenden Kohlen, um dem Versucher zu entgehen. Ich begriff, wie natürlich, weder den Gegenstand der Versuchung, noch konnte ich begreifen, was in dem Wälzen auf Dornen und glühenden Kohlen wohl Gutes getan sein möchte, doch ich nahm den dämmernden Verstand gefangen. Wiederum gab es Männer, welche vor aller Menschen Augen gut und fromm gelebt hatten — aber sie hatten doch einmal gefehlt, sie hatten in einem Punkte am Glauben gezweifelt und siehe da, sie wurden zur ewigen Hölle verdammt, ihr eigener Leichnam richtete sich von der Bahre auf und verkündete dieses Urteil. — Ach Herr Jesus! das ist entsetzlich! da ist es fast nicht möglich, dass man zum Himmel gelangt! rief ich aus, und machte mir sogleich Vorwürfe, dass ich das Urteil des lieben Herrgottes getadelt hätte.

Der um das Jahr 1780 selig und später heilig gesprochene Bettler Joseph Labre starrte voll Ungeziefer, schlief auf der bloßen Erde, besuchte in Rom, wo er lebte, den ganzen Tag die Kirchen, lebte vom Ausfluss der Gossensteine und ward darum nach einer zur Zeit seiner Seligsprechung erschienenen Lebensbeschreibung selig und später heilig gesprochen!

Einmal hob ich eine so eben hingeworfene Apfelschale auf, um sie zu essen, da rief meine Mutter: „bist du ein Schwein? pfui werfe sie hinweg."
„Der heilige Labre hat es ja auch getan", antwortete ich.
„Du wirst aber dein Lebenlang kein Heiliger werden”, sagte meine Mutter, und ich glaube sie hatte Recht.

Dieses trat ganz besonders bei dem Kapitel vom Beten hervor, wo es fast täglich zum Kriege kam, denn jeden Morgen musste ich zuerst einen wortreichen Morgensegen sprechen, auf diesen fünf Vaterunser mit Ave Maria, darauf einen Gruß an den Schutzengel und endlich das Kumachkum (Komm, ach komm o heil'ger Geist). Diese heillose Wortdrescherei, zu welcher ich bei aller Zungenfertigkeit unter steten Ermahnungen zur Andacht fast eine halbe Stunde gebrauchte, machte mich höchst unglücklich, ich plapperte die Gebetformeln so gedankenlos hin, dass ich die Worte „Komm ach komm" (in meiner geburtsartlichen Mundart kum ach kum ausgesprochen) lange für ein einziges Wort und für einen Namen des heiligen Geistes hielt.

Eben so trostlos ging es mir des Abends, da wurde hingekniet, ein Rosenkranz gebetet (6mal das Vaterunser und 60mal Ave Maria), Abendsegen, Mutter Gottes-Gebete und Empfehlung an den Schutzengel.

Bei einem Gewitter ging es mir vollends unglücklich. In frühester Jugend sah ich mit Wohlgefallen die zuckenden Blitze und hörte gern den krachenden Donner — aber wehe mir! Heulend liefen die Familien zusammen, sielen auf die Knie und beteten so lange als es blitzte und donnerte, erstens einen kräftigen Wettersegen, anfangend: „Herr straf' uns nicht in deinem Zorn!" dann des Johannes Evangelium: „im Anfange war das Wort", dann zur heiligen Maria um Schutz - und Schirm! endlich den Rosenkranz, auch wohl eine Litanei.

Wie lästerlich diese Litanei überhaupt getrieben wurde, davon will ich ein kleines Bild geben, welches sich hundertfach in derselben Weise darstellte.

Eine Nachbarin verrichtete in gleicher Weise wie wir ihr Abendgebet, indem sie mit fünf Kindern dazu niederkniete; im Anfange ginge es wie gewöhnlich ziemlich leidlich — dann fuhr sie strafend auf: „Philipp willst du mit beten! Gegniset seist du Maria, — Andres, schlaf nicht! — bist voller Gnaden, der Herr— du Schlingel du, was machst du für Gesichter — ist mit dir, du bist gebenedeit — warte Gretel, ich will dir helfen beten — unter den Weibern, und gebenedeit— du Schl. L., willst du denn gar nicht beten, warte du kriegst ein Paar Watschen — ist die Frucht deines Leibes Jesu, heilige Maria, Mutter Gottes — patsch, patsch, da hast du ein Paar."

Die Kinder heulten, beteten heulend fort, bis die Abendandacht unter Schelten und Schlagen beendet war und die Familie getröstet und erbaut zu Bette ging. —

Ich kann nicht leugnen, dass ich noch jetzt mit einigem Schauder an diese Manier zu beten denke, ich muss gestehen, dass ich mir als Kind selbst vom Himmel nicht viel Tröstliches versprach, dasaßen, wie vielfach abgebildet zu sehen, die lieben Heiligen und Engel im Kreise um den lieben Gott, sie sangen und beteten in alle Ewigkeit fort und sahen dabei in die Hölle hinab, wo die Teufel die Verdammten peinigten! — und wenn selige Eltern ihre Kinder oder fromme Kinder ihre gottlosen Eltern in der Hölle erblicken, es wird ihnen nicht leid tun, sie werden sich vielmehr freuen und die Gnade und Gerechtigkeit Gottes preisen — so ward ich bei gelegentlichen Fragen belehrt — und über die Furchtbarkeit der Hölle war ich durch Pater Martins von Cochem Leben Christi in genauer Kenntnis. Dieser bogenreiche Quartant enthielt nicht etwa bloß das schwülstig erzählte Leben Christi, nein, er weihte seine Leser so tief in die Geheimnisse des Himmels und der Hölle ein, dass man sich beim Abdruck der späteren Ausgaben wahrscheinlich des zu verrückten Unsinnes doch schämte und das erbärmliche Werk nicht mehr in der ursprünglichen Vollständigkeit abdruckte.

Die himmlische Rangordnung war in demselben nachdem Feudal-Codex des Mittelalters recht anschaulich beschrieben, dies war wunderschön! Die Beschreibung der himmlischen Hoffeste, o wie süße! Unter den einleitenden Worten: „Es wird fromm geglaubt", wurde erzählt, wie der Herr Jesus in Begleitung des himmlischen Hofes seine Mutter bei ihrer Himmelfahrt von der Erde abgeholt hat, und welche erbauliche Gespräche zwischen ihm und ihr dabei geführt worden. Alles fließt über von Süßigkeit, und dann der effektreiche Kontrast, die Beschreibung des Fegefeuers und der Hölle! die dabei abgebildeten Teufel mit langen Hundeschwänzen, Bocksfüßen, mit scheußlichem Antlitz und gehörntem Haupte, gewaffnet mit Mistgabeln in gräulichen Klauen! Da werden die Seelen der Verdammten in schrecklichem Feuerpfuhle gemartert, ohne verbrennen zu können, dann fassen sie die Teufel mit ihren Reichgabeln, um sie in den Eispfuhl zu werfen, für dessen schreckliche Kälte die Sprache keine Worte hat, nicht aber etwa um ihnen eine Erleichterung zu schaffen, nein, sondern zu ihrer noch größeren Qual und Pein! Auch lebendig begraben wurden die Seelen der armen Verdammten, in den engsten Raum zwischen Schlangen und Kröten, große Steine wurden auf sie gewälzt und die Teufel sprangen auf diese Steine zur Pein der Begrabenen. Das Kapitel „von den höllischen Küchen" teilte mit, wie den Verdammten Schlangen und Kröten mit Würmern gespickt, zur Speise vorgesetzt würden u. s. w.
Mit Grauen und Ekel las ich diese Schilderungen; ein Schulkamerad, der oft mit mir zusammen las, sagte einstmalen: ,,ich glaube, es kann bald gar kein Mensch in den Himmel kommen, es ist gar zu schwer!" Ich antwortete: „aber doch, wenn man beichtet und Absolution erhält." — „Ja da hast du Recht, aber die Ketzer, die beichten nicht, die kommen aber auch so in die Hölle! —

Ich hatte Mitleiden mit den armen Ketzern, mir fielen die Wilden ein, die vom Christentume noch nie ein Wort gehört hatten; die armen Menschen sollten darum in die schreckliche Hölle kommen. Wenn ich der liebe Gott wäre, ich ließe sie nicht in die Hölle kommen, und der liebe Gott ist doch so gut, der tut es gewiss auch nicht.

Ich trug den Fall (besonders mit den Wilden), meinem Beichtvater vor, erhielt einen Verweis über mein Grübeln, nebst dem Befehl davon abzulassen, und musste zur Buße einen Rosenkranz beten.— Damit war ich freilich nicht belehrt, denn die beichtväterliche Rede, dass außer der Kirche kein Heil sei, brachte mich um nichts weiter.

Es ist das wunderlichste Verlangen, von Jemanden zu fordern, dass er über einen Gegenstand nicht ferner denken soll, zumal wenn sich ihm der Stoff dazu mit jedem Atemzuge aufdringt, wie z. B. in folgendem Fall.

Ein verstorbener reicher Mann hatte 1.000 Gulden zu Seel-Messen vermacht, dafür wurden 3.000 derselben gelesen*), woben auch ich mit andern Knaben zur Messe diente und unwillkührlich folgende Reflexionen anstellte:

„Wie gut ist es doch, wenn für eine arme Seele so viele Messen gelesen werden, dann muss sie bald aus dem Fegefeuer erlöst werden. Aber wenn der Verstorbene nun kein Geld gehabt hätte? da waren freilich keine Messen gelesen worden. Da kommt aber der Reiche für sein Geld in den Himmel und der Arme muss im Fegefeuer brennen, weil er kein Geld hat."

*) Eine Messe kostete sechs Batzen, gab es viele zu lesen.

Ich erschrak über meinen Schluss und schalt mich meines Glaubens wegen. Doch loswerden konnte ich den Gedanken „man kann für Geld in den Himmel kommen" nicht mehr.

Ich hatte schon früh die Lektüre eines großen geschichtlichen Werkes „des historischen Bildersaals" begonnen und mehrere Jahre hindurch fortgesetzt. Ich erstaunte zu lesen, wie Päpste und Bischöfe selbst in den Krieg gezogen und persönlich drein geschlagen — denn ich konnte mir den Priester nur segnend denken — ich erstaunte zu vernehmen, wie oft zwei und drei Päpste zugleich gewesen und sich wechselseitig verflucht und gebannt, wie liederliche Weiber Päpste gleichsam eingesetzt hatten. Ein Priester war mir das verkörperte Ideal der Heiligkeit, er verkehrte täglich mit Gott selbst, welchen sein Spruch zwang, Brotesgestalt anzunehmen, mit dem sich mir darstellenden Ideal der Heiligkeit, Weisheit, Güte, Wohltätigkeit floss auch die Treue, Ehrenhaftigkeit und das unverbrüchliche Worthalten des Rittertums zu einem, hehren Bilde zusammen. Aber wie enttäuschte mich meine Lektüre! — Hattos Verrat an Adelbert dem Babenberger empörte mich. Mit Wehmut sah ich auf den Scheiterhaufen, wo Huß verbrannt wurde, er war freilich ein Ketzer; aber dass Sigismund ihm sein Kaiserwort gebrochen, dass der Papst und seine Pfaffen ihm vorlogen, Ketzern brauche man nicht Wort zu halten! dies war mir schrecklich — die Faust ballend rief ich aus: „war denn kein Ritter da, der dem Kaiser sagte: das ist schlecht, du musst Wort halten!"

Da traten mir aus der Fabel die hehren Ritterbilder hervor, wie Christ und Heide nach grimmem Kampfe gegenseitig ihrem Ehrenwort vertrauend, auf einem Pferde ihre Fahrt fortsetzten, sie hielten Wort als treue Ritter, und hier trieben geweihte Priester schändlichen Verrat gleich dem Judas Ischariot!

Ich las die Gräuel der Inquisition, ich sah im Geiste schaudernd die Scheiterhaufen rauchen, es waren freilich nur Ketzer! — aber verbrannt hätte ich sie doch nicht; und der schreckliche Untergang der ritterlichen Waldenser entlockte mir Tränen. So hat es ja gerade der Nero mit den Christen gemacht; und die Ketzerkinder haben es ja auch nicht anders gewusst, ihr Vater und ihre Mutter haben sie so gelehrt, ja wenn ihre Eltern katholisch gewesen wären, da wären sie gewiss keine Ketzer geworden. Ich war trostlos als ich las, wie die Spanier die Amerikaner zur Ehre Gottes aufschnitten.

Mein Lehrer — der ehrwürdige Franziskaner — dem ich meinen Kummer darüber zu erkennen gab, dass die heilige Inquisition in Spanien die Ketzer so grausam martern und verbrennen ließ, sagte mir: „Die Spanier haben gar nicht Unrecht, sie sind gute Katholiken und wollen nicht leiden, dass ein fremder Ketzer in ihr Land komme; wer also dahin geht, der hat es sich selbst zuzuschreiben, wenn er bestraft wird, und wenn ein Spanier seinem Glauben abtrünnig und ein Ketzer wird, da hat er den Tod völlig verdient, denn es gibt keine größere Sünde, als von der heiligen römisch-katholischen Kirche abtrünnig zu werden."

Maiz - Stadtansicht

Maiz - Stadtansicht

Mainz Kaiserstraße und Christuskirche (3)

Mainz Kaiserstraße und Christuskirche (3)

Mainz - Zollhafen

Mainz - Zollhafen

Mainz - Winterhafen mit Blick auf die Stadt

Mainz - Winterhafen mit Blick auf die Stadt

Mainz - Uferstraße

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Mainz - Total vom Stephansturm gesehen

Mainz - Total vom Stephansturm gesehen

Mainz - Stephanskirche

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Mainz - Stadttheater

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Mainz - Schustergasse

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Mainz - Schillerstraße mit Offiziers-Kasino

Mainz - Schillerstraße mit Offiziers-Kasino

Mainz - Schillerplatz und Gouvernementsgebäude

Mainz - Schillerplatz und Gouvernementsgebäude

Mainz - Schillerplatz und Denkmal

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Mainz - Rheinufer - Blick auf das Kurfürstliche Schloss

Mainz - Rheinufer - Blick auf das Kurfürstliche Schloss

Mainz - Rheinbrücke, Blick auf Mainz

Mainz - Rheinbrücke, Blick auf Mainz

Mainz - Rheinanlagen

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Mainz - Rathaus

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Mainz - Neues Gymnasium

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Mainz - Neubrunnenplatz

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Mainz - Marktplatz

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Mainz - Marktplatz mit Marktbrunnen

Mainz - Marktplatz mit Marktbrunnen

Mainz - Marktbrunnen

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Mainz - Markt

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Mainz - Ludwigstraße

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Mainz - Liebfrauenplatz

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Mainz - Liebfrauenplatz mit Dom

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Mainz - Liebfrauen-Platz u. Fischtor-Straße

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Mainz - Karmelitenkloster

Mainz - Karmelitenkloster

Mainz - Kaiserstraße und Christuskirche

Mainz - Kaiserstraße und Christuskirche

Mainz - Kaiserstraße und Christuskirche (4)

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Mainz - Kaiserstraße und Christuskirche (2)

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Mainz - Holzturm

Mainz - Holzturm

Mainz - Holzstraße und Holzturm

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Mainz - Hauptbahnhof

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Mainz - Gutenbergplatz

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Mainz - Gesamtansicht mit Dom

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Mainz - Garnisionskirche

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Mainz - Fischertorstraße und Dom

Mainz - Fischertorstraße und Dom

Mainz - Fischertorplatz

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Mainz - Erker des alten Gymnasiums

Mainz - Erker des alten Gymnasiums

Mainz - Erker des alten Gymnasiums (2)

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Mainz - Eiserner Turm

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Mainz - Dom vom Leichhof aus

Mainz - Dom vom Leichhof aus

Mainz - Dom und Gutenberg-Denkmal

Mainz - Dom und Gutenberg-Denkmal

Mainz - Dom und Gutenberg-Denkmal (2)

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Mainz - Der Dom

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Mainz - Christuskirche

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Mainz - Bahnhof

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Mainz - Bahnhof (2)

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Mainz - Augustinerstraße

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