Der jüngere Pitt

Viel außerordentlicher als die Laufbahn des Vaters war die des Sohnes, der schon Premierminister war, als er noch nicht das 25. Jahr erreicht hatte. Die Leidenschaft der ursprünglichen Natur, den feurigen Patriotismus und das abergläubische Vertrauen zu seiner Mission hatte er mit dem Vater gemein, von dem er auch die Uneigennützigkeit geerbt hatte, die im 18. Jahrhundert unter den Staatsmännern Englands zu den seltensten Ausnahmen zählte.

Es war schon davon die Rede, dass der jüngere Pitt seine Anschauungen je nach der Zweckmäßigkeit änderte. In der Opposition ein lebhafter Befürworter von Reformen und liberalen Maßregeln, wurde er im Besitz der Regierungsgewalt der heftigste Verteidiger des Bestehenden. Er ist es eigentlich gewesen, der die Tories wieder zu einer mächtigen und einflussreichen Partei machte, indem er sie uni ein neues Programm zu scharen wusste. Es galt Krone und Verfassung gegen den Ansturm der neuen Ideen zu sichern, die von jenseits des Kanals ihr gefährliches Gift im Lande verbreiteten, es galt, eine Unterhaus-Mehrheit zusammenzubringen, deren Schwergewicht sie zum Felsen in der brandenden Flut der Demokratie bestimmte.


Während die Whigs sich unter dem Druck der persönlichen Politik Georgs III. mehr und mehr zu einer Partei von ausgesprochen liberaler Färbung ummodelten und unter dem Einfluss der französischen Ideen teilweise sogar in ein extrem radikales Fahrwasser gerieten, gelang es Pitt, die Wahrung der Interessen des Landes, soweit sie an das Bestehen der parlamentarischen Verfassung geknüpft waren, auf die Tories zu übertragen und mit ihrer Hilfe England glücklich über die inneren und äußeren Anfechtungen hinweg zu bringen, die ihm die französische Revolution brachte. Mit der unbekümmerten Sicherheit eines Mannes, der genau weiß was er will und wie er es will, packte er fest zu, wo er Feinde witterte und ging mit ihnen so schonungslos und unerbittlich um, wie England von jeher mit seinen Gegnern verfuhr. „Es gibt nur ein Heilmittel gegen die Unzufriedenheit,“ sagte er, „die Gewalt.“

Er hat sie gebraucht, und er war ein Gewaltherrscher, dem das Glück lächelte. Unbarmherzig wurde jede Kritik der Regierung unterdrückt und verfolgt, jede abweichende Meinung galt als Empörung. „Es war eine schreckliche Zeit für alle, welche das Unglück hatten, liberal zu denken,“ schrieb Sydney Smith später. Es scheint in der Tat als habe Pitt damals manches Mal mit Kanonen auf Spatzen geschossen, und als habe die Regierung nur Fälle zum Verfolgen gefunden, weil sie sie so eifrig suchte. Bei allen Maßregeln der Gewalt, und es hat sogar die mehrjährige Suspendierung der Habeas Corpus Akte, des Grundsteins der englischen Freiheit dazu gehört, fand er indessen die Mehrheit des Unterhauses auf seiner Seite, ein Beweis, wenn es dessen noch bedürfte, dass jede Regierung mit jedem Parlament machen kann, was sie will, wenn sie sich Mühe gibt.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches England im 18. Jahrhundert
028. William Pitt der Jüngere. Schabkunstblatt von George Keating nach dem Bilde von de Koster. 1794

028. William Pitt der Jüngere. Schabkunstblatt von George Keating nach dem Bilde von de Koster. 1794

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