Der ältere Pitt

Unter allen Nachfolgern Robert Walpoles ragten im 18. Jahrhundert die beiden Pitt hervor, die ebenfalls den Verkehr mit dem Unterhaus als Meister handhabten. William Pitt der Ältere war erst 27 Jahre alt, als er 1735 Mitglied der Gemeinen wurde.

Er warf sich, um Erfolg zu haben, sofort der Opposition in die Arme und gehört zu denen, die den leitenden Minister auf das wütendste bekämpften. Freilich, sobald er gestürzt und Pitt in die Regierung aufgenommen war, tat er mit der berühmt gewordenen Fassung, die durch nichts in Verlegenheit gebracht werden konnte, ganz dasselbe wie seine Vorgänger, die er nicht schonungslos genug hatte angreifen können. Das wirkte selbst damals auffallend, um so mehr, weil Pitt eben erst ein Legat der alten Herzogin von Marlborough empfangen hatte, die ihm 1.000 Lstrl. hinterließ, weil er der Hannoverschen Dynastie und Regierung so patriotische Opposition zu machen verstehe.


Eine leidenschaftliche Natur, deren Feuer auch Widerstrebende in ihren Bann zog, ein hochfliegender Geist, der allen Ständen seinen Enthusiasmus und seine Unternehmungslust mitzuteilen wusste, stellte er in seiner Zeit die Verkörperung alles dessen dar, was an Gefühl für Größe, Tatendrang und Vaterlandsliebe in der englischen Nation lebte. Großbritannien hatte das Glück, in der rechten Stunde den rechten Mann zu finden, einen Mann, der so von sich und seiner Kraft durchdrungen war, dass er zu dem König, der ihn nicht leiden konnte, sagen durfte: „Schenken Sie mir Ihr Vertrauen und ich werde es verdienen.“ „Ich kann dieses Land retten und kein anderer,“ rief er, und drängte sich der Regierung, dem Unterhaus, dem ganzen Volke mit einem Wort, als Führer auf. So wurde er durch die hinreißende Gewalt seines Temperaments 1756 Premierminister, und wusste das Parlament so geschickt zu behandeln, dass er für mehrere Jahre die Opposition völlig zum Schweigen brachte und ganz ausschaltete. Die Ämter, die er auf sich vereinte, haben ihm lange Zeit eine fast unbeschränkte Gewalt in die Hand gegeben. Er hat sie benutzt, um England einen Sieg zu sichern, der das Inselreich mit Riesenschritten der Weltmacht entgegenführte.

Das erste Ministerium Pitts, das in die kritischen Jahre des siebenjährigen Krieges fiel, ist die glänzendste parlamentarische Regierung gewesen, die sich Großbritannien im Laufe des 18. Jahrhunderts gegeben hat, sie endete diesmal, nicht weil das Unterhaus nicht fähig gewesen wäre, sie zu ertragen, sondern weil der junge Monarch der Größe seines Ministers nicht gewachsen war. Das persönliche Regiment Georgs III. begann, und Pitt sah sich gezwungen, sein Amt in die Hände eines unbegabten Glücksritters wie Lord Bute niederzulegen. Seine großen Erfolge im Parlament verdankte Pitt seiner rednerischen Begabung. Horace Walpole findet zwar einmal, er habe zu oft und auch wohl zu lange gesprochen, aber er lässt ihm doch an einer anderen Stelle seiner Erinnerungen an die Regierungszeit Georgs III. volle Gerechtigkeit widerfahren. „Pitt war ohne Zweifel,“ schreibt er, „einer der größten Meister der Kunst, gut zu sprechen. Seine Sprache war erstaunlich schön und fließend, seine Stimme wunderbar, seine Haltung charakteristisch, sein Gesichtsausdruck vornehm und beherrschend. Scharfe Satire lag ihm nicht; wenn er gegen Lächerlichkeiten vorging, hatte er den glücklichsten Erfolg, weniger wenn er gegen Vemunftgründe stritt. Meister war er in der Art, sein eigenes Verhalten zu rechtfertigen. Da er, wie männiglich bekannt war, sich in der Politik die offenbarste Apostasie hatte zu schulden kommen lassen, so sprach er darüber mit einer schamlosen Offenherzigkeit, die alle Sticheleien anderer gegen ihn armselig und geistlos erscheinen ließ. Außerhalb des Hauses war er weit davon entfernt, eine glänzende Persönlichkeit zu sein. Seine Unterhaltung war affektiert und unnatürlich, seine Manieren nicht gewinnend, er schien gar nicht der geeignete Minister für ein Land, in dem die Minister anderen den Hof machen mussten, wenn sie wollten dass er ihnen gemacht werde.“

Pitt war ein kranker Mann, dem das National-Leiden seiner Zeit, die Gicht, heftig zusetzte. Das machte ihn launisch und hat viel dazu beigetragen, ihn häufig als Poseur erscheinen zu lassen. Aber in großen Momenten fiel jede Pose von ihm ab, dann erfüllte ihn nur die Idee seiner gewaltigen Aufgabe und die eigene Begeisterung machte ihn trunken und riss ihn fort. Horace Walpole hat die große historische Sitzung des Jahres 1757, in der Pitt das Unterhaus gewann, anschaulich geschildert. „Pitt,“ schrieb er, „erschien mit dem ausgeklügelten Beiwerk eines Kranken auf der Bühne. Das Wetter war unnatürlich warm, trotzdem war er in einen alten Rock und in eine Weste von Baumwollenflanell gekleidet, mit Gold besetzt, darüber einen roten Überrock.

Der linke Arm war mit Pelz umwickelt, mit vielen daran hängenden schwarzen Bändern, um anzudeuten, dass er nicht imstande sei, ihn über den rechten Arm zu erheben, den er in einer Schlinge von Krepp trug. In der Hitze des Gefechts aber zog er ihn unglücklicherweise heraus und fuchtelte damit umher wie gewöhnlich. An den Beinen hatte er Reitstrümpfe. Kurz und gut, kein Kardinal, der auf die Tiara hoffte, hat jemals eine größere Schwäche zur Schau getragen.“ Pitt blieb auch nach seiner Entlassung der Abgott seines Volkes. Bei dem ersten offiziellen Besuch, den das junge Königspaar in der City machte, war Pitt der Held des Tages, dem alle Huldigungen galten, nicht der König und nicht die Königin. Dieser Zauber wich erst von ihm, als er im Jahre 1766 das zweite Mal Premierminister wurde. Bei der Nachricht davon schickte sich ganz London an, die Rückkehr seines Lieblings in die Regierung mit einer großen Illumination zu feiern. Da wurde bekannt, dass Pitt die Würde eines Earl of Chatham angenommen hatte und in das Oberhaus übergetreten sei und die Beleuchtung wurde abbestellt. Das Volk betrachtete diesen Schritt als einen Verrat und entzog ihm seine Liebe und sein Vertrauen. Es ist eigentümlich, aber die Schatten der abgesagten Illumination fielen auf seine ganze weitere Laufbahn, mit dem Zauber war auch der Erfolg von ihm gewichen. Er bildete ein Ministerium, in dem jedes Mitglied anderer Ansicht war, passte sich den Wünschen des Monarchen mehr als billig an und ließ die Zügel der Regierung am Boden schleifen. Der große Mann war nur noch ein Schatten seiner selbst, und als er 1769, durch sein Leiden besiegt, abging, lag die Periode seines Ruhmes schon seit Jahren hinter ihm.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches England im 18. Jahrhundert
026. William Pitt, der Ältere. Schabkunstblatt von Richard Houston nach dem Bilde von W. Hoare

026. William Pitt, der Ältere. Schabkunstblatt von Richard Houston nach dem Bilde von W. Hoare

027. William Pitt Earl of Chatham. Kupferstich von J. K. Sherwin. 1784

027. William Pitt Earl of Chatham. Kupferstich von J. K. Sherwin. 1784

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