Edmund Burke

Wenn das Unterhaus die erfolgreichsten Staatsmänner aus seinen Reihen hervorgehen sah, so hat es unter seinen Mitgliedern auch Redner gezählt, die eine eigentümliche Konstellation politischer Umstände zwar niemals oder nur für verschwindend kurze Zeit in ein Amt führte, die aber doch von den hervorragenden Steilen aus, die sie im Parlament einnahmen, eine tiefgehende Wirkung auf ihre Zeit und ihr Land übten. Dazu zählen wir vor allen Edmund Burke und Charles James Fox. Edmund Burke, wie so viele der großen Engländer vor und nach ihm, von Geburt ein Ire, kam 1766 mit 37 Jahren in das Unterhaus, in dem seine erste Rede, die er am 27. Januar dieses Jahres hielt, allen Wissenden sofort ankündigte, dass sie einen bedeutenden Redner unter sich aufgenommen hatten.

Als Herausgeber des „Annual Register“ hatte er schon seit 1759 politisch gewirkt, und als solcher 1762 sogar die Vorstöße Georgs III. gegen die Verfassung gutgeheißen. „Seit Anfang dieser Regierung,“ schrieb er, „hat man unter dem allgemeinen Beifall aller redlichen Männer den Grundsatz aufgestellt, dass die gehässigen Parteiunterscheidungen abgeschafft werden müssen und dass königliche Gunst und königlicher Schutz auf alle Untertanen S. Maj. gleichmäßig auszudehnen seien.“


Dieser Anschauung blieb er nicht lange treu, denn er überzeugte sich schnell genug, dass zur Durchführung einer Regierung über den Parteien eine andere Persönlichkeit nötig sei als der König war. In seiner Schrift über die Ursachen der gegenwärtigen Unzufriedenheit macht er kein Hehl daraus, dass er die Unzufriedenheit mit der Zunahme des königlichen Einflusses wachsen sieht, und dass er sie in der Hauptsache, dem Aufkommen der neuen Partei, der durch Bestechung zusammengebrachten sogenannten „Königsfreunde“ zuschreibt. „Für mich,“ schließt er, „ist die Frage nicht, ob der König ein Recht hat, das Volk unglücklich zu machen, sondern, ob es nicht vielmehr sein Interesse wäre, es glücklich zu machen.“ Sein Schriftchen vertritt die Rechte der Regierung durch Parlament und Kabinett, wie sie seit 60 Jahren hergebracht waren, wie Burke denn, seit er dem Parlament angehörte, sich den Whigs anschloss, und von 1769 bis 1782 Schriftführer der Partei war, deren Proteste er verfasste.

Er war kein guter Sprecher, sein Organ hätte ihn eher zum Denker bestimmt als zum Redner; wenn er begann, jagte er das Haus in die Flucht. Nichtsdestoweniger hat er einen großen Einfluss ausgeübt, denn was ihm die Stimme versagte, ersetzte der Kopf. Er stand unter dem Einfluss Lockes, dessen Ideen von der auf dem Vertrage beruhenden Regierung er sich ganz zu eigen gemacht hatte, und mit Geist, Schaurfsinn und glänzender stilistischer Begabung weiterbildete. Burke war als Politiker Idealist, der sich für Freiheit und Gerechtigkeit begeisterte und für das Gute war, weil es doch den endlichen Sieg erringen müsse. Sein langes Wirken im Unterhaus ist charakterisiert durch das dauernde Streben, der Bestechung und Korruption entgegenzutreten und ihr womöglich ein Ende zu machen.

1780 brachte er den Entwurf einer ökonomischen Reform vor das Unterhaus, in dem er einen wohlerwogenen Plan ausgearbeitet hatte, der das Abschaffen zahlloser Sinekuren und Missbräuche vorsah, deren Beibehaltung dem Hof erlaubte, im Parlament einen Einfluss auszuüben, der sich in den letzten Jahren als so verhängnisvoll für das Land erwiesen hatte. Burke entwarf in Gemeinschaft mit Fox die India Bill, die ebenfalls die höfische Partei schwächen sollte, indem sie ihr die Verfügung über etwa 300.000 Lstrl. entzog, die der König jährlich aus den Einnahmen der Gesellschaft für politische Zwecke auszugeben gewöhnt war. Im Kampf gegen Missbräuche und Unrecht stand er immer an der vordersten Stelle, er sprach zugunsten der amerikanischen Kolonien und brandmarkte 1778 vor der Öffentlichkeit die schändlichen Praktiken des Generals Burgoyne, der die wilden Indianer mit ihren ungezähmten rohen Instinkten auf die Ansiedler englischer Zunge in Amerika hetzte. Aus dieser Richtung seines Geistes heraus, aus der leidenschaftlichen Liebe für Gerechtigkeit und schöne Menschlichkeit, erklärte sich auch sein Kampf gegen Warren Hastings. In diesem Falle machte ihn seine Begeisterung für die Humanität blind und taub für alle anderen Rücksichten, sie erniedrigte ihn, der nur die Ehre und das Ansehen Englands im Auge hatte, zum Werkzeug der Privatrache eines erbärmlichen Intriganten. Sir Philipp Francis, der sich in diesem gigantischen Prozess stets hinter den Kulissen zu halten verstand, spielte Burke gegen Hastings aus. Vierzehn Jahre dauerte der Prozess vor dem Unterhaus, in dem der Eroberer Indiens dafür gestraft wurde, dass er seinem Vaterlande ein Riesenreich geschenkt hatte, und in diesen langen Jahren, in diesem endlosen Verfahren mit seinen aufregenden Peripetien war Burke immer vornean gegen Ungerechtigkeit und Unterdrückung. „Wenn ich eine Belohnung zu fordern hätte,“ sagte er 1795, als der Prozess endlich vorüber war, „so wäre es für die Dienste, die ich vierzehn Jahre lang ohne Unterbrechung geleistet hatte, in denen ich den größten Fleiß bewies und den geringsten Erfolg hatte, ich meine, in den Angelegenheiten Indiens. Sie sind es, auf die ich selbst den größten Wert lege, den größten in Bezug auf ihre Wichtigkeit, den größten in Bezug auf die Arbeit, den größten in Bezug auf Urteil, Ausdauer und Beständigkeit im Verfolgen des Ziels.“

Die Nachwelt hat sich dieser Ansicht nicht anzuschließen vermocht, sie bedauert, dass ein Mann von der Bedeutung Burkes sich dazu hergab, die Verdienste eines Warren Hastings zu schmälern. Es wird noch an anderer Stelle von diesem Prozess, seiner Veranlassung und seinen Folgen die Rede sein. Während er noch spielte, trat jenes große Ereignis ein, auf das man seit langen Jahren gefasst war, mit dessen Eintreten alle unabhängigen Denker gerechnet hatten, und das nun in seiner gewaltsamen Entwicklung einem Gewitter gleich in eine stickige, überhitzte Atmosphäre einschlug. Die Einberufung der Generalstände entfesselte die französische Revolution, die sich seit dem Sturm auf die Bastille in förmlichen Donnerschlägen entlud. Wie in Deutschland, war auch in England die anfängliche Begeisterung der Zuschauer groß, fast ungemessen, alle radikalen Denker bekannten sich zu den neuen Grundsätzen, die so verführerisch in Paris verkündigt wurden. Burke, der die inneren Verhältnisse Frankreichs seit Jahren aufmerksam verfolgt hatte, die Unbeständigkeit des französischen Temperaments ebensogut kannte wie die Oberflächlichkeit des französischen Geistes, beobachtete die Bewegung von Anfang an mit dem stärksten Misstrauen. Die ungezügelte Heftigkeit, mit der der Pariser Pöbel seinem Hasse gegen Zucht und Ordnung Luft machte, widerte ihn an und machte es ihm unmöglich, von einem solchen Anfang einen guten Fortgang zu erwarten. Seine Schrift über die französische Revolution wurde, wie schon oben gesagt worden ist, ein Wegweiser am Scheidepunkt der Geister.

Burke ist in seinen Beobachtungen zum Propheten geworden und hat schon 1790 mit unbeirrbarem Blick vorausgesehen, wie die Revolution sich entwickeln würde und müsste. Der äußere Erfolg, es erschienen elf Auflagen im ersten Jahr, war ebenso groß wie der innere, wenn seine Ansichten auch zu einem völligen Bruch mit allen seinen bisherigen Freunden führten. Burke war nicht imstande, in der schwankenden Stimmung des Großstadtjanhagels die Offenbarung höherer politischer Einsicht zu erkennen, und so wandte er sich, wie er immer gegen das Unrecht gestritten hatte, das den unteren Ständen von den oberen zugefügt wurde, nun folgerichtig und unbefangen auch gegen das Unrecht, das die niederen Klassen den höheren antaten. Seine Beobachtungen und der ihnen im nächsten Jahre folgende Appell von den neuen an die alten Whigs hatte eine vollständige Neubildung der Parteien des Unterhauses zur Folge. „Burke ist an sich eine Macht im Staate,“ sagte Gilbert Elliott, „obschon er keins der Mittel besitzt, die einen Mann mächtig machen.“ Er hatte sein Leben lang die Grundsätze der Whigs verfochten und war doch dazu bestimmt, die Tories ans Ruder zu bringen. Die Verfeindung mit seinen ältesten politischen Freunden, das Dilemma, in das ihn die Umstände verstrickten, die stärker waren als er, haben an seinen Kräften gezehrt. Er zog sich 1794 aus dem Unterhaus zurück und sollte eben den Titel eines Lord Beaconsfield erhalten, als sein einziger, von ihm zärtlich geliebter Sohn starb. Der Vater war untröstlich und verzichtete auf die Würde, die er niemand zu vererben hatte. Er starb am 8. Juli 1797. Man sagt, dass Burke nichts so schwer gefallen sei als die Trennung von seinem Freunde Fox, die in höchst dramatischer Weise, sogar unter Strömen von Tränen im Mai 1791 im Unterhaus in breitester Öffentlichkeit vor sich ging. Der Bruch dieser langjährigen Freundschaft konnte ihm wohl nahegehen, denn er war es gewesen, der das jüngere Mitglied den Whigs zugeführt hatte.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches England im 18. Jahrhundert
029. Gainsborough. Mrs. Robinson (Perdita)

029. Gainsborough. Mrs. Robinson (Perdita)

030. Diana Viscounteß Crosbie. Schabkunstblatt von W. Dickinson nach dem Bilde von Reynolds. 1779

030. Diana Viscounteß Crosbie. Schabkunstblatt von W. Dickinson nach dem Bilde von Reynolds. 1779

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