Bestechlichkeit

Der Staatsdienst war demoralisiert, denn es wurde in demselben nicht anders gearbeitet als im Parlament, d. h. mit Bestechung und Schmiergeldern, die zu nehmen nicht einmal untersagt war. Die oberen Stellen erlaubten den Inhabern, sich enorm zu bereichern, wovon z. B. Henry Fox ausgiebigen Gebrauch machte.

Er trat aus dem Kabinett aus, indem er den Besitz der bloßen Macht vorzog, und ließ sich zum Kriegszahlmeister ernennen. Da das 1757 im Beginn des siebenjährigen Krieges geschah, so hatte er genügend Zeit, Reichtümer auf Kosten des Staates anzuhäufen, 1769 wurde er in einer Eingabe der Stadt London ganz ungescheut und offen der Unterschlagung ungezählter Millionen beschuldigt, ohne dass man deswegen Schritte gegen ihn unternommen hätte. Groben Diebstahl im Amt zu vermeiden, galt in der englischen Aristokratie, die allein Zutritt zu den höheren Stellen hatte, schon für außerordentlich tugendhaft; auf Staatsmänner, die so unbestechlich waren wie etwa der ältere Pitt, wies man mit Fingern. Er war der erste, der das Zahlmeisteramt in der Armee innegehabt hatte, ohne sich daran zu bereichern, und dabei hatte dieser Beamte schon im Frieden jährlich über 100.000 Lstrl. zu verfügen, über die er keine Rechenschaft schuldig war. Es war noch nicht dagewesen, dass ein Mann in dieser Lage sich mit dem Gehalt begnügt und nicht in die Kassen des Staates gegriffen hätte.


Dieses Verfahren, die Staatsgelder zum eigenen Vorteil zu verbrauchen, wirkte ansteckend selbst auf die Prinzen des Königlichen Hauses. 1809 wurde eine recht schmutzige Affäre aufgerührt, als eine entlassene Mätresse des Herzogs von York, eine Mrs. Clarke, im Bunde mit einem Oberst Wardle ihren früheren Liebhaber bezichtigte, in seiner Eigenschaft als Oberkommandierender des Heeres die größten Unterschleife begangen zu haben. Wiederholt wurde im Unterhause über die Abstellung dieser Missbräuche verhandelt, aber es war niemand so recht emst damit, da jeder hoffen konnte, bei Fortdauer der bestehenden Zustände gelegentlich selbst eine Sinekure oder eine Pension erhaschen zu können. Die Minister im Amt versorgten ihre Angehörigen auf diese Weise, Robert Walpole z. B. seine Söhne. Horace Walpole hatte eine Einnahme von etwa 6.000 Lstrl. im Jahr für Amtsgeschäfte (Usher of the Exchequer und ähnliche), zu deren Erledigung er einen Schreiber mit 50 Lstrl. besoldete, während er selbst keinen Finger dafür zu rühren brauchte. Der Geschichtsschreiber Gibbon hatte eine Sinekure inne, die ihm 750 Lstrl. im Jahre brachte, Lord Addington benutzte die Zeit, während derer er Premierminister war, um das Amt eines Clerkship of the Pells mit einem Einkommen von 3.000 Lstrl. jährlich seinem Sohn zu übertragen, der eben sein sechzehntes Jahr erreicht hatte.

Der jüngere Pitt bezog als Lord Warden of the Cinque Ports 3.000 Lstrl. im Jahr. Im Verein mit Edward Burke hatte er zwar einen großen Feldzug gegen die Sinekuren in Szene gesetzt, Burke war stolz darauf, durch sein Gesetz dem Staat jährlich 72.000 Lstrl. zu sparen, Pitt hob allein im Zolldienst 85 derartige Posten auf, als er aber zur Macht kam, da handelte er genau wie die andern. Er gab einer Haushälterin seiner Mutter eine Stelle, die ihr 40 Lstrl. eintrug, und später eine noch bessere, die 150 Lstrl. einbrachte. Pensionär des Staates konnte man für große Verdienste werden, wie denn Admiral Rodney für seinen Sieg über den französischen Admiral de Grasse eine Leibrente von 2.000 Lstrl. erhielt, aber auch ebenso gut ohne jedes eingestandene Verdienst, denn gleichzeitig empfing Oberst Barre eine Pension von 3.000 Lstrl. im Jahr, und niemand wusste, wodurch er sie wohl verdient haben mochte. Die Einnahmen Irlands waren besonders beliebt, um Engländern mit ihrer Hilfe ein sorgenfreies Leben zu verschaffen.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches England im 18. Jahrhundert