Straßen und Wegebau

In vielen Beziehungen haben die Kirchspiele in den Fragen der Verwaltung, die ihnen überlassen waren, eine echte und rechte Kirchturmspolitik getrieben, indem sie durchaus nicht weiter sahen und nicht weiter sehen wollten als die Interessensphäre ihrer Gemeinde reichte. Dazu gehörte vor allem der Straßenbau, den sie ausführen sollten, aber vollkommen vernachlässigten. Die Straßenbaurate betrug im 18. Jahrhundert durchschnittlich 500.000 Lstrl. im Jahr, aber es scheint wenig genug dafür geschehen zu sein. Die Straßen waren nicht nur schlecht, in vielen Gegenden fehlten sie ganz. 1754 schreibt jemand in „Gentlemens Magazine“: „In Comwall gibt es keine Straßen; die Wege, die diesem Zwecke dienen, sind bloße Saumpfade, und noch in dem Zustande, in dem die Sintflut sie zurückließ.“ Ein Menschenalter später hatte sich nichts geändert, die Mutter von Sir Humphrey Davy, die 1778 in Penzance geboren war, erzählte, dass es in ihrer Jugend keine Straßen gab, dass in Penzance selbst nur eine Karre existierte und man sich sonst in der Grafschaft der Packpferde bediente. Es war in andern Gegenden damit aber durchaus nicht viel besser bestellt. König Karl III. von Spanien, der 1702 England besuchte, brauchte, um die sechs deutschen Meilen von Portsmouth nach Petworth zurückzulegen, 14 Stunden. „Es sind die schlechtesten Wege, die ich in meinem Leben sah,“ schreibt der Begleiter des Erzherzogs, der durch deutsche und österreichische Straßen gewiss nicht verwöhnt war, „wir warfen zwar nur einmal um, aber unser Wagen würde sehr gelitten haben, wenn ihn die leichtfüßigen Bauern von Sussex nicht von Godalming nach Petworth fast auf ihren Schultern getragen hätten. Je näher wir der Behausung des Herzogs von Somerset kamen, um so unpassierbarer schien der Weg, die letzten neun Meilen kosteten uns sechs Stunden.“ Sussex scheint in Bezug auf seine Straßen so ziemlich das Schmerzenskind der Monarchie gewesen zu sein. „Ich habe alle bedeutenden Wege in der unpassierbaren Grafschaft Sussex in der Nähe gesehen,“ schreibt Daniel Defoe 1697, „in einigen Teilen der Wildnis der Grafschaft, wie man sie recht passend nennt, kann sich das Landvolk im Winter kaum zu den Märkten begeben, weshalb Getreide auf dem Markte teuer ist, weil es nicht herbeigeschafft werden kann, und billig im Hause des Bauern, da er es nicht auf den Markt bringen kann. Die Straßen sind selbst für Pferde unpassierbar.“

1724 sah der Dichter des Robinson eine Dame mit sechs Ochsen in die Kirche fahren, und Gespanne mit 22 Ochsen, die Baumstämme transportierten und sie nicht von der Stelle bringen, so dass sie oft 2 bis 3 Jahre brauchen, bis sie Chatham erreichen. 25 Jahre später machte Horace Walpole mit John Chute einen Ausflug nach Sussex, und spricht sich im August 1749 an George Montagu ganz entsetzt über die Wege aus, auf denen sie dreimal am Tage umwerfen, so dass sie das Reisen mit dem Wagen aufgeben müssen: „Die Gegend und die Einwohner sind so wild, als sei König Georg II. der erste Herrscher der Ostangeln.“ Es war in der unmittelbarsten Umgebung Londons und der königlichen Residenzen kaum besser. In der Royal Society las Robert Phillips zweimal, 1736 und 1737 über den schlechten Zustand der Straßen, die nach London führten. 1730 warf der königliche Staatswagen auf dem Wege von Kew nach St. James Palast um, und drei Jahre zuvor war es vorgekommen, dass König und Königin auf der gleichen Straße die ganze Nacht zubrachten, weil die Equipage weder vorwärts noch rückwärts konnte. 1736 schrieb Lord Hervey aus Kensington, wo er sich mit der Königin aufhielt, an seine Mutter: „Die Straße zwischen diesem Ort und London ist so berüchtigt, dass wir in der gleichen Einsamkeit leben als befänden wir uns auf einem Felsen inmitten des Ozeans. Die Londoner sagen, dass sich zwischen uns und ihnen ein unpassierbarer Abgrund von Dreck befindet.“ Die Vernachlässigung der Landstraßen kann um so weniger Wunder nehmen, wenn man weiß, dass die städtischen Straßen sich in keinem besseren Zustande befanden. Jeder pflasterte vor seinem Hause, wie es ihm gut schien, und man kann sich unschwer vorstellen, wie der Boden ausgesehen haben muss. „Der Schmutz in so manchen Straßen der Stadt,“ sagte Lord Tyrconnel 1741 im Oberhause, „die Ungleichmäßigkeit und Rauhheit in anderen, muss unsere Nation in den Augen Fremder entehren und sie zu dem Glauben bringen, dass es unserm Volk nicht nur an Geschmack fehlt, sondern dass es keine Regierung besitzt, dass es eine Herde von Barbaren und eine Kolonie von Hottentotten ist.“ Nun ging zwar 1762 ein Gesetz durch, dass die Pflasterung von Westminster vorsah, aber es blieb gleich vielen anderen auf dem Papier, und in der Stadt geschah nichts zur Besserung.


Defoe, der die Anlage und Besserung der Landstraßen mit Lebhaftigkeit befürwortete, machte den sehr verständigen Vorschlag, man solle alle Körperstrafen in eine Anzahl Arbeitstage beim Wegebau umwandeln, eine Idee, die viel zu gut war, als dass sie hätte zur Ausführung kommen können. Da sich indessen deutlich gezeigt hatte, dass die Gemeinden die ihnen obliegende Pflicht des Baues und Unterhaltes der öffentlichen Straßen gar nicht oder nur sehr mangelhaft erfüllten, so wurde sie ihnen 1700 abgenommen. Man griff dafür zu dem System des Wegezolls, damit jeder, der die Straßen benutzte, nach Verhältnis zu ihrer Instandhaltung beitrüge. Der Schlagbaum als sichtbares Zeichen der Zollstelle wurde für die Opposition sofort ein Symbol, denn sie redete dem Volke vor, der Schlagbaum bedeutete nichts anderes, als dass die Regierung das Volk zu Sklaven machen und es seiner Freiheit berauben wolle. Der Pöbel wurde so aufgeregt, dass 1749 organisierte Banden umherzogen, die alle Schlagbäume auf den Straßen, die nach Bristol führten, zerstörten. Das Parlament erließ ein Gesetz über das andere, Zollstellen wurden auch errichtet, der Straßenzoll pünktlich erhoben, aber es blieb alles beim alten. 1755 wurde die Errichtung von Straßen mit Wegezöllen zwangsweise für das ganze Land eingeführt, ein Datum, dem Sydney große Bedeutung beimisst; indessen scheint es mit der Verbesserung durchaus nicht sehr schnell gegangen zu sein. Von 1760 bis 1764 folgten sich 450 Gesetze, die alle der Anlage neuer Straßen zugute kommen sollten, aber wie die Klagen der Reisenden auch in der Folgezeit lehren, gutenteils auf dem Papier geblieben sind. Tate Wilkinson brauchte 1763 zwei Tage, um von Stamford nach York zu gelangen. „Die Straßen waren in gewissen Jahreszeiten so schlecht,“ schreibt er, „dass sie aus Mangel an Pflege nahezu unpassierbar waren, und dass man im Winter oft 8 bis 10 Tage reisen musste, wollte man von York nach London kommen.“

1773 musste das Gesetz von 1755 erneuert eingeschärft werden. Henry Homer, der 1767 über die Erhaltung der Straßen schrieb, setzte seinen Zeitgenossen die Vorteile besserer Wege einleuchtend auseinander, die schnellere Beförderung, die größere Billigkeit, der Verbrauch von weniger Pferden, die Möglichkeit, sich der Wagen zu bedienen usw. Alle diese Annehmlichkeiten stellte er in das rechte Licht, gerade in dem Jahre, in dem sein Landsmann, Arthur Young, die Straßen des Königreichs auf ihre Brauchbarkeit hin untersuchte. Arthur Young, ein Landwirt aus Suffolk, begann 1767 seine Reisen, die von Wells in Norfolk ausgehend, ihn über 600 Meilen kreuz und quer durch England führten. Er fand die Wege alle schlecht, „es heißt die Sprache prostituieren, wenn man sie Zollstraßen nennt,“ schreibt er. Ob er nach Oxford kommt oder Liverpool besucht, die Klage bleibt die gleiche. „Von all den verfluchten Wegen, die im wahren Zeitalter der Barbarei dieses Königreich verunzieren,“ bemerkt er am 14. Juni 1767, „kommt keiner dem von Billericay zum Königskopf in Tilbury gleich. Er ist auf einer Strecke von 12 Meilen so eng, dass keine Maus an irgend einem Wagen vorbei kann.“ Die erste wirklich gute Straße ist von Smeaton im Tal des Trent zwischen Markham und Newark gebaut worden; im allgemeinen sind die englischen Straßen erst um 1780 herum wirklich besser und zu den Vorbildern geworden, zu denen man vom Kontinent aus mit Neid hinüberblickte.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches England im 18. Jahrhundert